Warum Studierende internationale Erfahrungen sammeln

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 Auslandsstudium

»Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die im Jahr davor dort waren, und bin dann, weil sie es mir empfohlen haben, auch dort hingefahren.« – »Meine Professorin hat mich angerufen und mir gesagt, dass ich mich für die Winter School bewerben könne und die Uni alles für mich bezahlt. Deshalb habe ich gesagt: ‚Ja, okay. Warum nicht?‘« – »Ich befürchte, dass ich in meiner Heimat keinen guten Job finden werde und wollte mich einfach ein bisschen weiterbilden.«

Gründe, warum sich Studierende dafür entscheiden, einen Teil ihres Studiums im Ausland zu verbringen oder andere internationale Erfahrungen zu sammeln, gib es viele.

Eine neue Studie aus dem Bereich der Erwachsenenbildung/Weiterbildung hat diese Gründe systematisch untersucht. Aus den Ergebnissen lassen sich auch Empfehlungen für die Internationalisierung von Studiengängen ableiten.

Die Rahmenbedingungen sind wichtig

»Unsere Studie zeigt, dass auch in Studiengängen, die traditionell eine geringe Internationalität aufweisen, mit guten Rahmenbedingungen Internationalisierung in hohem Ausmaß möglich ist«: So beschreibt Regina Egetenmeyer, Professorin für Erwachsenenbildung, das zentrale Ergebnis der jetzt in der Fachzeitschrift Adult Education and Learning veröffentlichten Untersuchung. Regina Egetenmeyer ist gemeinsam mit Monika Staab Autorin dieser Studie. Nach Egetenmeyers Worten stellt die Studie dabei nicht nur die subjektive Perspektive der Motivation von Studierenden in den Mittelpunkt, sondern untersucht auch die institutionellen Strukturen, die wesentlich für die Internationalisierung sind.

Die Wissenschaftlerinnen haben dafür Interviews mit insgesamt 22 Absolventinnen und Absolventen dreier Masterstudiengänge mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an den Universitäten Würzburg, Belgrad und Florenz geführt.

Dabei interessierten sie sich nicht nur dafür, ob die Befragten einen Teil ihres Studiums oder ein Praktikum im Ausland absolviert hatten. Wichtig waren für sie auch Erfahrungen mit weiteren Formen internationaler Lehr- und Lernsettings wie beispielsweise Vorlesungen und Seminare internationaler Gastdozierender, der Anwesenheit internationaler Studierender oder mit internationalen Konferenzen an der Heimatuniversität.

Individuelle Motive und situative Anreize spielen zusammen

Natürlich gibt es in der Regel nicht den einen alles entscheidenden Grund, weshalb sich Studierende dafür entscheiden, internationale Erfahrungen zu sammeln. »Meistens spielen dabei mehrere individuelle Motive und situative Anreize zusammen«, sagt Monika Staab. Neugierde, ein persönliches Interesse, der Wunsch nach neuem Wissen oder besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind ein paar von ihnen.

Tatsächlich konnten Staab und Egetenmeyer bei den Absolventinnen und Absolventen der drei Masterstudiengänge unterschiedliche Motive für die Teilnahme an internationalen Lehr- und Lernsituationen identifizieren. Diese lassen sich in akademische, karrierebezogene, persönliche, soziale und sprachbezogene Gründe sowie in äußere Umstände unterteilen.

»Viele der Befragten haben gesagt, dass ihre Teilnahme an internationalen Angeboten durch den Wunsch motiviert war, verschiedene Lehr- und Lernmethoden kennen zu lernen und etwas über das Studium der Bildung und Erwachsenenbildung in einem anderen Land zu erfahren«, beschreibt Monika Staab ein Motiv, das in den akademischen Bereich fällt. Die Einschätzung, dass künftige Arbeitgeber internationale Erfahrung zu schätzen wissen und dass sie dadurch bei der Stellensuche einen Vorteil haben, sei hingegen klar auf die Karriere bezogen.

Persönliche Gründe kommen zum Tragen, wenn die Befragten davon berichten, dass sie einen Auslandsaufenthalt als Herausforderung sehen und die Hoffnung äußern, an dieser Erfahrung zu wachsen. Der Wunsch, das Gastland und die Region kennen zu lernen und diese als Tourist zu erkunden, fällt ebenfalls in diese Kategorie – wie auch die Aussage, dass der Besuch einer Winter School die Möglichkeit biete, sich für zwei Wochen eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und sich in dieser Zeit ganz auf sich selbst und das Studium zu konzentrieren.

Unsicherheiten der Studierenden aufgreifen

Auch wenn sich die Studie auf die Erfahrungen von Studierenden aus dem Bereich Erwachsenenbildung / Weiterbildung stützt, bieten ihre Erkenntnisse Ansatzpunkte für Studiengänge anderer Fachdisziplinen, die sich fragen, wie sie die internationale Mobilität ihrer Studierenden fördern können. »Für Hochschulen ist es wichtig, attraktive Unterstützungsstrukturen für die Internationalisierung zu etablieren, um Unsicherheiten der Studierenden aufzugreifen und bestehende Zweifel adressieren zu können«, sagt Regina Egetenmeyer.

Dazu zählen beispielsweise der frühzeitige Kontakt zu internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Partneruniversität sowie der Austausch mit Studierenden, die bereits ein Auslandsstudium absolviert haben oder gegenwärtig Gast an der Heimathochschule sind. Darüber hinaus seien Lehr- und Lernsettings notwendig, die internationale und interkulturelle Erfahrungen ohne einen hohen finanziellen oder zeitlichen Aufwand ermöglichen, wie etwa internationale Workshops und Konferenzen, Winter und Summer Schools – Angebote, die unter das Stichwort Internationalisation at Home fallen.

»Dadurch wird es auch Studierenden, die nicht über die nötigen finanziellen und zeitlichen Ressourcen für ein Auslandsstudium verfügen, möglich, internationale und interkulturelle Erfahrungen im Studium zu sammeln«, sagt Monika Staab.

Abgeschlossen ist das Thema für die beiden Autorinnen damit nicht. Sie schlagen weitere Studien vor, die untersuchen, warum sich viele Studierende nicht für internationale Angebote interessieren. Diese könnten weitere Erkenntnisse liefern und Schwachstellen in den bestehenden Organisationsstrukturen aufdecken, so die Wissenschaftlerinnen. Interessant könnte es auch sein, das virtuelle Angebot an internationalen Lehr- und Lernumgebungen näher zu betrachten. Dieses habe während der Coronapandemie einen deutlichen Ausbau erfahren. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden virtuelle Formen allerdings nicht berücksichtigt.

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Regina Egetenmeyer, Institut für Pädagogik, T: +49 931 31-83898, regina.egetenmeyer@uni-wuerzburg.de


  VERWEISE  


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