Soli soll für 90 Prozent wegfallen
Der steuerliche Solidaritätszuschlag soll in einem ersten Schritt zugunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt werden.
Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vor. Das Entlastungsvolumen soll ab 2021 9,8 Milliarden Euro betragen und 2022 auf 11,2 Milliarden Euro steigen.
Wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt, stellt der erste Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, der Kaufkraft und der Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, für die der Solidaritätszuschlag weiterhin erhoben werden soll. Die Bundesregierung führt dazu sozialstaatliche Erwägungen an, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen als niedrige Einkommen. Soziale Gesichtspunkte rechtfertigten es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen. Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung werde der Solidaritätszuschlag nur teilweise zurückgeführt.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die sogenannte Freigrenze, bis zu der der Solidaritätszuschlag nicht erhoben wird, stark erhöht wird. Bei einkommensteuerpflichtigen Personen beträgt diese Freigrenze derzeit 972 Euro bei Einzel- und 1.944 Euro bei Zusammenveranlagung. Diese Freigrenze soll auf 16.956 beziehungsweise 33.912 Euro erhöht werden. Dadurch sollen 90 Prozent aller bisherigen Zahler des Zuschlags von der Zahlung befreit werden. Für höhere Einkommen wird eine Milderungszone eingerichtet, um einen Belastungssprung beim Überschreiten der Freigrenze zu vermeiden. Die Wirkung der Milderungszone nimmt mit steigendem Einkommen ab.
Nach Angaben der Bundesregierung kann der Solidaritätszuschlag so lange fortgeführt werden, wie ein aufgabenbezogener Mehrbedarf des Bundes besteht: »Der Bund hat weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer.« Die bis jetzt zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendeten Mittel würden das durch den Solidaritätszuschlag erzielte Aufkommen übersteigen. Das Aufkommen zwischen 1995 und 2016 habe etwa 275 Milliarden Euro betragen. Hingegen hätten sich allein die Ausgaben des Bundes aus dem Solidarpakt I und II bis 2016 sowie weitere Leistungen auf insgesamt 383 Milliarden Euro summiert. Die Regierung geht davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird.
Der Normenkontrollrat äußert sich in seiner Stellungnahme kritisch zu der vom Bundesministerium der Finanzen gesetzten Frist für Länder und Verbände zur Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. Erinnert wird, dass die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vorsehe, die Beteiligung der Länder und Verbände »möglichst frühzeitig« einzuleiten. Das Bundesministerium der Finanzen habe den Gesetzentwurf am 12. August 2019 an Länder und Verbände mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum darauffolgenden Werktag verschickt, nur neun Tage vor der geplanten Verabschiedung durch die Bundesregierung in der Kabinettssitzung am 21. August 2019. »Dies stellt keine frühzeitige Beteiligung dar. Derart kurzfristige Abstimmungsprozesse traten zuletzt aus Sicht des Normenkontrollrats gehäuft auf«, heißt es in der Stellungnahme. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei bei diesem Vorhaben nicht zu erkennen, da die Änderungen erst ab dem Jahr 2021 gelten sollten. Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Finanzen entspreche nicht den »Prinzipien der besseren Rechtsetzung«.