Jugendliche mit niedrigem Bildungsgrad drohen im politischen Diskurs abgehängt zu werden
Studie zum Informationsverhalten in einer digitalen Welt vorgestellt: Große Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland informiert sich regelmäßig zu politischen Themen und bewegt sich dabei medienkompetent durch die digitale Welt * Ein Viertel der jungen Menschen mit niedrigem Bildungsgrad nimmt jedoch kaum Anteil am politischen Geschehen * Jugendliche beklagen zudem die Delegimitierung jugendrelevanter Themen seitens der Politik im Rahmen Debatte zur Urheberrechtsreform der EU oder der »Fridays for Future«-Bewegung
Die große Mehrheit junger Menschen in Deutschland hält sich regelmäßig über das politische Geschehen auf dem Laufenden und sucht sich in dem breiten Angebot an digitalen wie analogen Informationskanälen gezielt Nachrichtenquellen. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) informiert sich täglich oder sogar mehrmals täglich über politische Themen. Fast drei Viertel (72 Prozent) der Befragten informieren sich mindestens einmal die Woche. Gleichzeitig interessiert sich jedoch ein Viertel der jungen Menschen mit einem niedrigen Bildungshintergrund kaum für politische Themen und zeigt sich im Vergleich unsicherer im Umgang mit Fake News im Netz. Zudem äußern viele Befragte Unzufriedenheit damit, wie Politiker mit jugendrelevanten Themen, wie den »Fridays for Future« oder der Urheberrechtsreform, umgehen. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Befragung 14- bis 24-Jähriger in Deutschland über das Informationsverhalten zu politischen Themen im Auftrag der Vodafone Stiftung.
»Die Mehrheit junger Menschen in Deutschland bewegt sich durchaus souverän und reflektiert durch den politischen Nachrichtendschungel. Das macht Mut«, erklärt Inger Paus, Vorsitzende der Geschäftsführung der Vodafone Stiftung. »Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass wir Gefahr laufen, einen signifikanten Anteil junger Menschen in der digitalen Nachrichtenwelt zu verlieren. Ohne vertiefte Angebote von Medienkompetenz in der Schule, die alle Schülerinnen und Schüler erreichen, sowie den direkten Dialog der Politik auf Augenhöhe mit jungen Menschen, verschenken wir das Potenzial einer jungen Generation und verschließen Ihnen die Chancen für demokratische Teilhabe. Die digitale Spaltung der Jugend, die stark vom Bildungsgrad abhängt, droht die Gräben in unserer Gesellschaft weiter zu vertiefen.«
Jugendliche navigieren eine Vielzahl von Informationsquellen, nutzen diese aber jeweils themenspezifisch
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass sich die große Mehrheit der 14- bis 24-Jährigen in Deutschland aufgeklärt und differenziert durch die vielen verfügbaren Informationsquellen zu politischen Nachrichten bewegen. Die überwiegende Mehrheit (69 Prozent) gibt persönliche Gespräche mit Freunden oder Familie als Informationsquelle zu politischen Themen an. Fast ebenso viele nutzen Nachrichtenseiten im Internet oder Nachrichten-Apps (67 Prozent). An dritter Stelle stehen Fernsehen (58 Prozent) und Radio (42 Prozent). Bei den sozialen Medien führt YouTube die Informationsquellen zu politischen Themen (32 Prozent) vor Facebook, Instagram und Twitter an. Auf welchen Kanälen sich junge Menschen bewegen, hängt dabei aber maßgeblich von der Aktivierung durch das konkrete Thema ab. So dominierten bei der Debatte um das Urheberrecht, welches im Besonderen durch das Engagement junger Menschen geprägt war, soziale Medien als Informationsquelle (52 Prozent). Zum Thema Brexit geben dagegen 70 Prozent klassische Medien (Fernsehen, Radio und Zeitungen) und nur 22 Prozent soziale Medien (YouTube, Facebook, Instagram, Twitter) als Informationsquelle an.
Falschnachrichten sind für junge Menschen allgegenwärtig und sorgen für Unsicherheit
Falschnachrichten sind für junge Menschen ein alltägliches Phänomen in der Online-Medienlandschaft. Rund zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) geben an, mindestens einmal in der Woche mit Falschmeldungen in Kontakt zu kommen. Knapp jede/r Achte (12 Prozent) stößt sogar mehrmals täglich auf Falschnachrichten. Immerhin 60 Prozent der Befragten suchen immer oder meistens nach Alternativquellen, wenn sie am Wahrheitsgehalt einer Nachricht zweifeln. Wer sich häufiger politisch informiert, nutzt dabei auch häufiger Alternativquellen. Von denen, die sich seltener als einmal in der Woche über politische Themen informieren, suchen nur 37 Prozent immer oder meistens nach Alternativquellen.
Mehr als 40 Prozent der jungen Menschen fühlen sich allerdings unsicher oder sogar sehr unsicher, Falschmeldungen als solche erkennen zu können. Jugendliche geben eher Unsicherheit beim Erkennen von Falschnachrichten an (46 Prozent) als junge Erwachsene (37 Prozent) und junge Frauen (50 Prozent) eher als junge Männer (34 Prozent). Je höher der formale Bildungshintergrund, desto eher fühlen sich junge Menschen sicher oder sehr sicher darin, Falschmeldungen zu erkennen.
Unmut über die Kommunikation von Politikern und Parteien
Für die Studie wurde auch nach konkreten Falschnachrichten zu vier aktuellen gesellschaftspolitischen Themen gefragt – darunter die »Fridays for Future«-Bewegung, die EU-Wahl, die Reform des EU-Urheberrechts und der Brexit. In den mehr als 900 Freitextantworten verbinden junge Menschen Falschnachrichten weniger mit manipulativen Social Media-Postings oder Internetseiten, sondern äußern vor allem Unmut gegenüber Informationen, die Politikerinnen und Politiker direkt an die Öffentlichkeit geben. Insbesondere zu den Themen »Fridays for Future« und der Reform des Urheberrechts beklagen die Befragten die Verharmlosung oder Leugnung gravierender gesellschaftlicher Herausforderungen, wie dem Klimawandel, und die Delegitimierung junger Expertise und jugendlichen Engagements. Drei Viertel der Freitextantworten im Themenbereich »Fridays for Future« und knapp die Hälfte aller Antworten zum Urheberrecht gehen in di! ese Richtung.
Hintergrund
Die Erhebung wurde vom Befragungsinstitut Infratest dimap durchgeführt. Die Grundgesamtheit für die Befragung bildeten deutschsprachige junge Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren in Privathaushalten in Deutschland, die das Internet nutzen. Die Erhebung wurde vom 29. Mai bis zum 11. Juni 2019 durchgeführt und als Online-Erhebung (Computer Assisted Web Interviewing = CAWI) angelegt. Insgesamt nahmen 2.149 Befragte an der Studie teil, davon 1.100 im Alter von 14 bis 19 Jahren und 1.049 im Alter von 20 bis 24 Jahren.
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