Schulbuch-Studie: Immer mehr Lehrer entdecken das Thema Integration
Wie werden in Deutschlands Schulbüchern Migration und Integration dargestellt? Spiegelt sich die Vielfalt in unserem Land auch dort wider? Welche Werte und Normen werden dort vermittelt? Die Schulbuchstudie, die 2015 von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, veröffentlicht wurde und genau diese Themen untersuchte, sorgte für eine breite Debatte. Ein wichtiges Ergebnis war: Einwanderung wird in Schulbüchern oft als Problem dargestellt. Die Chancen, die durch Vielfalt entstehen, werden häufig nur am Rande in den Lehrbüchern thematisiert.
Auf der heutigen Tagung, die gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz (KMK) im Bundeskanzleramt stattfand, wurden erste Ergebnisse deutlich: Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer bilden sich interkulturell fort, viele Schulen greifen dieses Thema inzwischen aktiv auf. Im Oktober 2015 verabschiedete die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit Migrantenorganisationen und den Bildungsmedienverlagen die Erklärung »Darstellung von kultureller Vielfalt, Integration und Migration in Bildungsmedien«. Diese Erklärung ist ein weiterer wichtiger Schritt, interkulturelle Vielfalt als eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit in den Schulen zu verankern.
Anlässlich der Tagung erklärte die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz:
»Trotz jahrzehntelanger Einwanderung nach Deutschland wird in einigen Schulbüchern die Vielfalt unseres Landes noch immer nicht als Normalität thematisiert. Klischees, Diskriminierung und Vermischung von Begriffen wie Ausländer, Migranten, Fremde kommen noch immer vor. Und das, obwohl mittlerweile ein Drittel aller Kinder in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. Verglichen mit den negativen Erfahrungen, die zumindest meine Generation mit den Schulbüchern noch machen musste, ist die Entwicklung der vergangenen Jahre gleichwohl positiv. Das fortschrittlichste Unterrichtsmaterial nutzt aber nichts, wenn die Schulen noch mit alten Büchern arbeiten, was leider immer noch häufig der Fall ist. Unser Selbstverständnis als Einwanderungsland muss sich auch in den Schulbüchern widerspiegeln. Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf diskriminierungsfreie Schulbücher, die ihre Lebensrealität angemessen darstellen«.
Als Vertreterin der Kultusministerkonferenz betonte die Schulministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein Westfalen Sylvia Löhrmann:
»Auf dem Weg zur besseren Integration von Menschen mit Migrationshintergrund brauchen wir Lehrbücher, die anregend für Lernende und Lehrende sind. Kinder und Jugendliche müssen sich bei der Nutzung von Bildungsmedien mit kontroversen Positionen und gesellschaftlichen Diskussionen auseinandersetzen können. Wichtig ist es, dass Migration in Schulbüchern auch als große Chance begriffen und dementsprechend dargestellt wird. Schon in vielen Schulen gehen Lehrerinnen und Lehrer mit den Themen Migration, Flucht und Asyl sensibel um und vermitteln interkulturelle Werte als selbstverständlichen Teil ihrer Erziehungs- und Bildungsarbeit. Mit neuen Bildungsmedien, die diese Thematik verstärkt aufgreifen, unterstützen wir ihre Arbeit. Kulturelle Vielfalt und Diversität sind Ausdruck unserer pluralen Gesellschaft und gehören zum Schulalltag. Sie durchdringen und definieren die demokratische, moderne und weltoffene Schule«.
Die Forschungskoordinatorin des Georg-Eckert-Instituts (GEI), Dr. Inga Niehaus, betreute die Schulbuchstudie maßgeblich mit und sagte:
»Schulbücher haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, dies wird besonders im Primarbereich deutlich, wo neuere Werke sehr viel stärker an Diversität und Inklusion orientiert sind. Sichtbar wurde dies unter anderem bei der Nominierung der Primarschulbücher für den Schulbuchpreis, der vom Georg-Eckert-Institut verliehen wird. Der Sekundarbereich muss hier noch nachholen, was durch die Ergebnisse der Schulbuchstudie zur Darstellung von Migration und Integration nachgewiesen werden konnte«.
Dr. Ilas Körner-Wellershaus, Verlagsleiter beim Ernst Klett Verlag, sagte auf der Tagung:
»Unter den Stichworten Inklusion und Diversität sind inzwischen neue Generationen von Lehrwerken entstanden, bei denen individueller Lernerfolg und gemeinsame Lernphasen verbunden werden. Mit unseren Bildungsmedien werden wir die Integration und das tolerante Miteinander deshalb weiter befördern. Ein Erziehungswissenschaftler hat einmal festgehalten: Zunächst müsse sich die Gesellschaft wandeln, dann erst werde die Erfahrung in die Schulbücher einfließen«.
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