eGovernment: Nutzung stagniert, Zufriedenheit sinkt deutlich
Neue Studie eGovernment MONITOR 2021 der Initiative D21
Die digitale Verwaltung kommt bislang nicht in der Breite der Bevölkerung an. Während die Bürger*innen in Deutschland im Privat- und Berufsleben immer intensiver digital unterwegs sind, stagniert die Nutzung der digitalen Verwaltung und die Zufriedenheit sinkt deutlich. Doch viele Bürger*innen zeigen sich offen für gut funktionierende digitale Interaktion mit Behörden und für neue Technologien wie den Personalausweis auf dem Smartphone. Ein Vergleich der Bundesländer offenbart deutliche Unterschiede bei Nutzung und Zufriedenheit – Hamburg ist führend.
Die Nutzung digitaler Verwaltungsleistungen in Deutschland verharrt auf einem mittleren Niveau: 52 Prozent der Onliner*innen nahmen innerhalb der letzten zwölf Monate solche Leistungen in Anspruch, damit ist die Nutzung leicht rückläufig (2020: 54 Prozent) und liegt deutlich hinter den Vergleichsländern Österreich und Schweiz (76 Prozent bzw. 60 Prozent). Die Zufriedenheit nahm im zweiten Jahr der Pandemie in allen drei Ländern deutlich ab. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie eGovernment MONITOR 2021 der Initiative D21 und der Technischen Universität München unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und durchgeführt von Kantar. Für die Studie wurden 7.851 Menschen in Deutschland online befragt (Österreich: 1.002 Personen, Schweiz: 1.004 Personen).
Die Studienergebnisse kommentiert Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesinnenministerium: »Die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an den digitalen Staat steigen kontinuierlich. Wer im Alltag ganz selbstverständlich online einkauft und Bankgeschäfte per App erledigt, erwartet mit Recht auch solche niedrigschwelligen Angebote vom Staat. Dafür arbeiten wir intensiv an mehreren Baustellen. Ein zentraler Baustein ist die Smart eID, eine besonders komfortable Variante der Online-Ausweisfunktion auf dem Smartphone. Zudem bauen wir Nutzerkonten, die miteinander sprechen, und vernetzen die Verwaltungsportale von Bund und Ländern. Dabei investieren wir gezielt in die Qualität der Angebote.«
Anforderungen der Bürger*innen an digitale Verwaltungsangebote steigen – Zufriedenheit sinkt
Die Zufriedenheit der Bürger*innen in Deutschland mit dem aktuell verfügbaren Online-Angebot ihrer Stadt oder Kommune ist in diesem Jahr auf 47 Prozent zurückgefallen. Das ist ein Rückgang um 15 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr (auch in Österreich und der Schweiz ging die Zufriedenheit deutlich zurück: -13 bzw. -8 Prozentpunkte). Zwar empfinden 66 Prozent die digitale Abwicklung von Behördenleistungen als Erleichterung gegenüber dem Gang zum Amt und 70 Prozent können sich vorstellen, zukünftig öfter Behördengänge digital durchzuführen. Doch auch die Ansprüche an die digitale Verwaltung steigen: alle abgefragten Kriterien zur Zufriedenheit wurden schlechter bewertet als im Jahr zuvor. Die markantesten Rückgänge betreffen die Zuverlässigkeit der Systeme, einfache Bedienbarkeit, Aktualität der Angebote und Auffindbarkeit benötigter Informationen. Nur zwei von fünf Bürger*innen sind der Meinung, dass während der Pandemie ausreichend viele Möglichkeiten zur digitalen Abwicklung angeboten wurden. Barrieren bei der Nutzung sorgen für zusätzliche Unzufriedenheit, am häufigsten nennen die Nutzer*innen nicht online angebotene Dienste und mangelnde Durchgängigkeit von Angeboten (jeweils 47 Prozent).
»Die Pandemie hatte zur Folge, dass viele Bürger*innen digitale Dienste und Anwendungen intensiv genutzt und erlebt haben – im Privaten, teilweise aber auch im Beruflichen. Im Bereich der Verwaltung ist dieser Effekt jedoch ausgeblieben. Wenn wir wollen, dass digitale Verwaltungsleistungen wirklich von den Bürger*innen angenommen werden, müssen wir Angebote machen, die ebenso leicht und niedrigschwellig sind, wie sie es aus dem privaten Alltag kennen. Die Bürger*innen formulieren klare Anforderungen, um Barrieren zu überwinden: Dienste müssen funktionieren, durchgängig und intuitiv bedienbar sein«, so Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21.
Online-Ausweis kaum genutzt – aber Bürger*innen offen für Speicherung auf dem Smartphone
Viele Verwaltungsleistungen und digitale Transaktionen erfordern es, dass Bürger*innen sich eindeutig identifizieren. Das Pendant zum Vorzeigen des Personalausweises im Amt ist im Internet die Online-Ausweisfunktion (eID). 35 Prozent der Befragten in Deutschland mit gültigem Personalausweis haben die eID freigeschaltet – doch bislang genutzt haben sie lediglich neun Prozent. Die Verbreitung digitaler Identifikationsmöglichkeiten liegt in den Vergleichsländern deutlich höher: In Österreich besitzen 54 Prozent Zugang zur digitalen Identifikation, in der Schweiz gibt es verschiedene Verfahren (z. B. SwissID und TAN-Verfahren), 62 Prozent haben mindestens eines davon genutzt.
Der digitale Ausweis in Deutschland befindet sich in stetiger Weiterentwicklung, doch der eGovernment MONITOR zeigt über die Jahre kaum Fortschritte in der Nutzung – auch weil größere Hürden wie spezielle Geräte und wenig Anwendungsmöglichkeiten bestanden. Die anstehende Weiterentwicklung soll den Ausweis auf das Smartphone bringen, ähnlich wie auch Zahlungen mit EC-Karten zunehmend über das Smartphone getätigt werden. Die Einführung steht noch bevor, doch bereits jetzt zeigt fast die Hälfte der Befragten daran Interesse (48 Prozent). Besonders interessiert sind die unter 30-Jährigen (62 Prozent), Personen, die bereits Erfahrung mit digitaler Verwaltung gesammelt haben (60 Prozent) und Personen mit hohem Bildungsabschluss (59 Prozent).
»Der Staat hat in den vergangenen zehn Jahren viel Geld und Aufwand in Dienste investiert, die kaum Anwendung bei den Bürger*innen finden. Man kann festhalten: Große deutsche digitale Infrastrukturprojekte erreichen die Bürger*innen bislang kaum – sei es die De-Mail, die Behördennummer 115 oder der neue Personalausweis«, so Prof. Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München. »Mit der Speicherung des Personalausweises auf dem Smartphone scheint nun eine Lösung gefunden, die nah am Alltag der Bürger*innen ist und einen echten Sprung in der Nutzung zur Folge haben könnte – leider ist diese aber zunächst nur auf bestimmten Geräten verfügbar und auch nicht aus-reichend bekannt.«
Bundesländer mit deutlichen Unterschieden: Hamburg ist Vorreiter in Nutzung und Zufriedenheit, Berlin mit hoher Nutzung aber auch großer Unzufriedenheit
Der eGovernment MONITOR 2021 zeigt deutliche Unterschiede in Nutzung und Zufriedenheit in den einzelnen Bundesländern: Die Nutzung schwankt zwischen 62 Prozent (Hamburg) und 49 Prozent (Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Sachsen). Die Nutzung in den Stadtstaaten ist überdurchschnittlich (Berlin: 57 Prozent, Bremen: 56 Prozent), in den Flächenländern liegt sie dagegen bei durchschnittlich 52 Prozent, Thüringen und Brandenburg liegen hier mit jeweils 56 Prozent vorn. Zwischen den neuen und den alten Bundesländern (inkl. Berlin) gibt es keine Unterschiede im Nutzungsniveau, beide liegen bei 52 Prozent. Allerdings nutzen die Bewohner*innen der neuen Bundesländer die Dienste intensiver: 23 Prozent geben an, häufiger als fünf Mal im Jahr E-Government-Leistungen zu nutzen, in den alten sind es nur 16 Prozent.
Die größte Zufriedenheit äußern die Bürger*innen in Hamburg (59 Prozent) und Bremen (56 Prozent), die geringste in Thüringen (40 Prozent). Im Schnitt ist die Zufriedenheit in den Stadtstaaten und den Flächenländern auf ähnlichem Niveau (Stadtstaaten: 50 Prozent, Flächenländer 47). Dies liegt vor allem an der unterdurchschnittlichen Zufriedenheit in Berlin, die bei nur 44 Prozent liegt.
Hintergrund
Seit 2011 beleuchtet die Studie eGovernment MONITOR die Situation der digitalen Verwaltung in Deutschland, Österreich und der Schweiz hinsichtlich Bekanntheit, Nutzung und Akzeptanz.
Der eGovernment MONITOR 2021 ist eine repräsentative Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München. Die Befragung erfolgte online vom 1. bis 21. Juni 2021. Befragt wurden Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten, die das Internet privat nutzen (Deutschland: 7.851 Personen, Österreich: 1.002 Personen, Schweiz: 1.004 Personen).
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