Zukunftsstudie: Gesellschaftliches Engagement am Scheideweg
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Überalterung der Bevölkerung, beschleunigte Digitalisierung, Vertiefung der sozialen Spaltung – Deutschland steht in diesem Jahrzehnt vor enormen Herausforderungen, die sich nur gemeinschaftlich bewältigen lassen.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei die organisierte Zivilgesellschaft – allen voran die rund 600.000 gemeinnützigen Vereine. Doch die Zukunft vieler Organisationen ist wiederum durch die gesellschaftlichen Umbrüche, die sie mitgestalten sollen, bedroht. In der Studie »Foresight Zivilgesellschaft« entwirft ZiviZ im Stifterverband Zukunftsszenarien und gibt Handlungsempfehlungen für die 2020er Jahre.
Als »Proberäume« der Demokratie sind gemeinnützige Vereine und Initiativen in Deutschland für den Zusammenhalt der Gesellschaft fundamental. Sie werden bei den anstehenden Transformationsprozessen daher umso mehr gebraucht. Zugleich bedroht die sich rasch verändernde Umwelt die Existenzgrundlagen vieler Vereine – und das nicht nur auf dem Land oder in strukturschwachen Gebieten.
Im Rahmen des Projekts »Foresight Zivilgesellschaft« hat ZiviZ im Stifterverband das Zusammenspiel möglicher Entwicklungen untersucht und sowohl positive als auch negative Zukunftsszenarien für die Zivilgesellschaft erstellt. Die Studie macht zudem Vorschläge, wie auf erwünschte »Zukünfte« hingewirkt und unerwünschten entgegengewirkt werden kann. Das Projekt wird von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) gefördert.
Konflikte in den Metropolen
In den großen Städten heizen vermehrter Zuzug und die zunehmende Dichte des Zusammenlebens die Konfliktstimmung an, so ein mögliches Szenario. Verstärkt werden die Konflikte durch den Modernisierungsstau in der öffentlichen Verwaltung, der die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger an Entscheidungsprozessen einschränkt. »Engagierte brauchen in Zukunft sehr gute Moderationsfähigkeiten, um zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln«, sagt Projektleiterin Birthe Tahmaz von ZiviZ. »Das ist eine Schlüsselkompetenz, die die Vereine aufbauen müssen. Daneben sollten gemeinnützige Organisationen gemeinsam mit Vertretern der kommunalen Politik und Unternehmen attraktive Engagementmöglichkeiten – digital und analog – schaffen und diese gut verzahnen. Denn in der sich verändernden Arbeitswelt muss es möglich sein, dass Engagierte sich auch mit einem kleinen Zeitbudget gesellschaftlich einbringen können.«
Nachwuchsprobleme und Extremisierungstendenzen auf dem Land
Ein weiteres Szenario in der Studie beschäftigt sich mit den Entwicklungen auf dem Land: Hier führen die sich schon heute abzeichnenden Nachwuchsprobleme zu einem Vereinssterben. Die Menschen interessieren sich immer weniger für Strukturen des klassischen Engagements, die sich dadurch zunehmend auflösen. »Staat und Zivilgesellschaft wären bereits am Anfang der 2030er Jahre in vielen Landkreisen nicht mehr präsent. In dieses Vakuum könnten 'alternative' Siedlungsprojekte, etwa von Rechtradikalen, stoßen«, warnt Tahmaz. »Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen fit dafür gemacht werden, einen starken Gegenpol zur Homogenisierung und Extremisierung zu bilden. Dazu gehört, Extremisierungstendenzen innerhalb der Gemeinschaft vor Ort, aber auch innerhalb der eigenen Mitgliederbasis zu erkennen. Zugleich sollten Dachverbände gezielt eine Vernetzung der Vereine in strukturschwachen Gebieten fördern. Ländliche Räume müssen Schwerpunktregionen der Demokratieförderung werden.«
Unabhängig von den jeweiligen sozialräumlichen Rahmenbedingungen nennt die Studie fünf Maßnahmen, um Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure resilienter gegenüber Umweltveränderungen zu machen:
- Zivilgesellschaft als Ort der gesellschaftlichen Integration und der Moderation gesellschaftspolitischer Konflikte stärken:
Es sind unter anderem spezifische Qualifizierungsprogramme notwendig, um ehrenamtlich Engagierte beim Aufbau von Kompetenzen in der Konfliktvermittlung und -moderation zu unterstützen. - Digitale und analoge Engagementmöglichkeiten verknüpfen:
Um vor allem ältere Menschen nicht abzuhängen, sollten Vereine den Ausbau hybrider Beteiligungsmöglichkeiten einfordern. - Die Stimme der Zivilgesellschaft in der Sozialraumplanung stärken:
Orte des Austauschs müssen bei der Planung systematisch mitgedacht werden, um Gemeinschaftsflächen für Menschen verschiedener Milieus und Initiativen vor Ort zu haben.
Intersektorale Partnerschaften fördern: Um den Fachkräftemangel abseits der Metropolen entgegenzuwirken, sollten Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sektorübergreifend zusammenarbeiten und ein attraktives Arbeits- und Wohnumfeld schaffen. - Organisationskapazität und Zukunftskompetenzen stärken:
Engagementfördernde Einrichtungen und Dachverbände müssen gemeinnützige Organisationen – mit Blick auf Personal, finanzielle Ausstattung und digitale Kompetenzen – fit für die Zukunft machen.
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