Moderate Kritik an der Gigabit-Strategie der Bundesregierung
Bei der Gigabit-Strategie der Bundesregierung überwiegen die Potenziale die Risiken - allerdings muss sie auch umgesetzt werden.
Darin war sich die Mehrheit der acht geladenen Sachverständigen in der Anhörung des Digitalausschusses am Montagnachmittag einig. Die Strategie beinhaltet die künftigen Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich der digitalen Infrastrukturen. Demnach sollen bis zum Jahr 2025 50 Prozent der Haushalte und Unternehmen in Deutschland über einen Glasfaseranschluss für schnelles Internet verfügen. Ziel sei die flächendeckende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus und dem neuesten Mobilfunkstandard bis 2030. Für den Ausbau der Infrastruktur setze die Bundesregierung auf verstärkte Anreize für den eigenwirtschaftlichen Ausbau und bessere Förderbedingungen, heißt es in der Strategie.
»Das Ziel muss sein, bestehende Versorgungslücken zu schließen«, sagte die Digitalausschuss-Vorsitzende Tabea Rößner (Bündnis 90/die Grünen) einleitend in der Sachverständigenanhörung.
Thomas Abel vom Verband kommunaler Unternehmen nannte die Strategie einen »strukturierter Fahrplan für den flächendeckenden Glasfaserausbau«, mit dem mehr Transparenz geschaffen werde. Die kommunalen Unternehmen, seien ein wesentlicher Akteur wenn es um das Ziel des flächendeckenden Ausbaus gehe. Der eigenwirtschaftliche Ausbau könne aufgrund weniger starrer Vorgaben häufig schneller und flexibler auf die vor Ort bestehenden Rahmenbedingungen eingehen, gleichwohl sei die staatliche Förderung etwa im ländlichen Raum unentbehrlich, sagte Abel.
Die Potenzialanalyse könne als »Kompass« genutzt werden, um Fördermittel strukturiert verteilen zu können. Nötig seien hingegen mehr Anreize für Kooperationen, dafür müsse das Open-Access-Prinzip stärker verankert werden.
Die Strategie biete gute Rahmenbedingungen, gehe aber grundsätzlich zu wenig auf den Faktor Mensch ein, kritisierte Dominik Bay (rrbone GmbH). Förderungen und Bauantragsverfahren sollten vereinfacht und schnellstmöglich angepasst werden. Die Strategie müsse auch als »Umsetzungsstrategie« verstanden werden, betonte er. Dazu gehöre, dass die Ausbildung von Fachkräften etwa im Bereich Antragsbearbeitung höher priorisiert werden müsse. Es müsse Nachwuchs in die Branche gebracht werden und die Jobs attraktiver gemacht werden, denn Fachkräfte seien nicht nur für den erstmaligen Bau, sondern auch die Instandsetzung und Unterhaltung nötig.
Eine hochleistungsfähige Breitbandversorgung sei essenzieller Bestandteil der Daseinsvorsorge, sagte Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag. Daher dürfe es dem Staat nicht gleichgültig sein, wenn kein Zugang dazu bestehe, und er müsse eingreifen - durch Förderung oder Einräumen eines Rechts auf schnelles Internet. In Niedersachsen habe es die erste Feststellung einer Unterversorgung gegeben, sagte Ritgen. Es brauche eine entschlossene Förderung und Mittel im ausreichenden Umfang, dazu habe man konkrete Aussagen in der Strategie erwartet, kritisierte er. Nur so könne sichergestellt werden, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nicht noch weiter zurückfalle.
Rechtswissenschaftler Thomas Fetzer von der Universität Mannheim sagte, der Ausbau sei die zentrale Voraussetzung für die digitale Transformation. Um die Strategie in die Umsetzung zu bringen, gebe es nicht das eine Instrument, vielmehr müssten viele kleine Stellschrauben bewegt werden. Dazu zähle, Transparenz zu schaffen über die vorhandene Infrastruktur, Genehmigungsverfahren müssten vereinfacht und beschleunigt werden und Kosten der Verlegung gesenkt werden, etwa durch alternative Verfahren. Nötig sei insbesondere, dass verschiedene staatliche Akteure über alle föderalen Ebenen hinweg zusammenarbeiteten. Fetzer plädierte dafür, eine bessere Datenbasis aufzubauen indem entweder vorhandene Akteure wie die Bundesnetzagentur gestärkt würden oder eine Digitalagentur etabliert werde.
Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen betonte, die Zielstellung, bis Ende 2025 die Hälfte der Haushalte mit einem Gigabitanschluss versorgt zu haben, sei mit Blick auf die jetzigen Ausbauraten im Markt »nicht besonders ehrgeizig.« Das Ziel, 100 Prozent der Haushalte bis 2030 anzuschließen, sei jedoch ehrgeizig, da immer kleine Restkomponenten bleiben würden, die nicht über normale Absätze mit erschlossen werden könnten. Im Hinblick auf die Potenzialanalyse müsse von vornherein mit strengen Maßstäben für Unwirtschaftlichkeit gearbeitet werden, sodass es nicht zu einer Explosion bei der Zahl der Markterkundungsverfahren komme. Beim Punkt Budgetierung und Finanzierung werde zu oft mit Prüfaufträgen und zu geringer Verbindlichkeit gearbeitet, da müsse konkret nachgelegt werden, sagte Gerpott.
»Das Ziel bis 2025 werden wir mit Sicherheit schaffen«, befand auch Jürgen Grützner (VATM e.V.): Die echte Herausforderung seien aber nicht die ersten 50 Prozent, sondern die letzten, wenn der Ausbau in die schwierigen ländlichen Gebiete gebracht werden müsse. Wichtig sei ihm ein Konzept zur Verzahnung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau. Ein Punkt fehle in der Strategie, nämlich die Bedeutung des Wettbewerbs auf Glasfasernetze. Zur Verbesserung der Netzauslastung müssten Hemmnisse, die einer Migration entgegenstehen, identifiziert und beseitigt werden, sagte Grützner. Die Förderung von Open Access in allen Netzen sei genauso wichtig wie der Netzaufbau selbst. Mehr Nachfrage bedeute eine höhere Auslastung und verbesserte Wirtschaftlichkeit und ermögliche so einen Ausbau in Regionen, die aktuell nicht wirtschaftlich ausgebaut werden könnten.
Die Strategie schaffe einen ganzheitlichen Rahmen zur Beschleunigung leistungsstarker digitaler Infrastrukturen im Mobilfunk und im Festnetz, betonte Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller. Seine Behörde unterstütze die Strategie nach Kräften, etwa indem klare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Man begrüße die Verankerung des Gigabitforums in der Strategie. Dadurch werde die Verständigung über gemeinsame Prinzipien, Positionen und Standards bei Fragen des Ausbaus und der Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze gestärkt, betonte Müller. Mit dem Gigabit-Grundbuch werde zudem die Transparenz weiter gesteigert und die Datenbasis vereinheitlicht und erweitert, sodass Unterversorgungen festgestellt und Instrumente gezielter eingesetzt werden könnten.
Dass die Ländern ihren Beitrag zur Stärkung der digitalen Infrastruktur liefern werden, betonte Fedor Ruhose aus dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitales des Landes Rheinland-Pfalz. Der Ausbau der digitalen Netze erfordere ein gemeinsames Vorgehen aller Akteure. Die Länder hätten auf unterschiedlichen Ebenen die Möglichkeit gehabt, die Entstehung der Strategie konstruktiv und kritisch zu begleiten - etwa zu Fragen der künftigen Förderung der sogenannten »Grauen Flecken«, sagte Ruhose. Die Ausführungen der Länder dazu hätten nun überwiegend Eingang in die Gigabitstrategie gefunden.