Diskriminierung im Alltag: Bericht zeigt anhaltende Benachteiligungen in Bildung und Arbeitswelt

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Diskriminierung in Deutschland - Erkenntnisse und Empfehlungen

Der »Fünfte Gemeinsame Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes« ist ein umfassendes Dokument, welches alle vier Jahre erstellt wird und das das aktuelle Ausmaß von Diskriminierung in Deutschland analysiert und Empfehlungen zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes gibt.

Der Bericht wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Beauftragten der Bundesregierung und des Bundestages erstellt und bietet eine systematische Bestandsaufnahme von Diskriminierungserfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen in den Jahren 2021 bis 2023.

Er basiert auf Beratungsanfragen, die bei der Antidiskriminierungsstelle und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen eingegangen sind, sowie auf wissenschaftlichen Studien und rechtlichen Entwicklungen.

Ziel des Berichts ist es, politischen und rechtlichen Handlungsbedarf aufzuzeigen, um Diskriminierung in Deutschland nachhaltig zu bekämpfen. Der Schutz vor Diskriminierung soll sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene verbessert werden, um Chancengleichheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Zentrale Ergebnisse: Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen

Der Bericht zeigt, dass Diskriminierung in Deutschland nach wie vor weit verbreitet ist. Betroffene berichten von Diskriminierungserfahrungen in allen Lebensbereichen, sei es im Arbeitsleben, im Bildungsbereich, auf dem Wohnungsmarkt oder beim Zugang zu Dienstleistungen.

Besonders problematisch ist, dass bestimmte Gruppen wie ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Angehörige der LGBTQI*-Community überproportional häufig von Diskriminierung betroffen sind.

Arbeitsleben

Im Bereich des Arbeitslebens sind Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft und des Alters am häufigsten.

Frauen, insbesondere Schwangere und Mütter, sind in Deutschland nach wie vor benachteiligt. Viele Frauen berichten von ungerechter Behandlung nach der Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub, und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein ernstes Problem.

Darüber hinaus haben Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen nicht-weißer Hautfarbe Schwierigkeiten beim gleichberechtigten Zugang zu Arbeitsplätzen.

Bildungssektor

Im Bildungsbereich zeigt der Bericht, dass Kinder und Jugendliche häufig aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, einer Behinderung oder ihrer sozialen Herkunft benachteiligt werden. Kinder aus Migrantenfamilien werden häufiger auf Schulen mit niedrigeren Bildungsstandards geschickt und haben schlechtere Chancen, auf Gymnasien aufgenommen zu werden.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Inklusion von Kindern mit Behinderungen im deutschen Schulsystem. Dies beeinträchtigt ihre Chancen auf eine gleichberechtigte Teilhabe am Bildungssystem und später am Arbeitsleben.

Wohnungsmarkt

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist ebenfalls ein gravierendes Problem, von dem insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen betroffen sind.

Der Bericht dokumentiert zahlreiche Fälle, in denen Wohnungssuchende aufgrund ihrer ethnischen Herkunft abgewiesen wurden oder Menschen mit Behinderungen keine barrierefreie Wohnung finden konnten. In vielen Fällen erfolgt die Diskriminierung auf subtile Weise, so dass es für die Betroffenen schwierig ist, ihre Rechte durchzusetzen.

Zugang zu Waren und Dienstleistungen

Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, etwa im Einzelhandel oder bei Versicherungen, gibt es nach wie vor Fälle, in denen Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden.

Besonders deutlich wird dies im Gesundheitswesen, wo Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten häufig eine schlechtere medizinische Versorgung erhalten.

Politische und rechtliche Entwicklungen

Seit dem letzten Bericht im Jahr 2021 hat es einige Fortschritte in der Antidiskriminierungspolitik gegeben. So wurden auf Bundesebene mehrere neue Beauftragte ernannt, darunter eine Antirassismusbeauftragte, eine Antiziganismusbeauftragte und eine Beauftragte für Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Diese Ernennungen zeigen, dass dem Thema Antidiskriminierung auf politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Trotz dieser Fortschritte bestehen jedoch weiterhin erhebliche Lücken im rechtlichen Schutz. Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet zwar einen rechtlichen Rahmen für den Schutz vor Diskriminierung, wird aber den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht.

Der Bericht weist auf zahlreiche Schwächen des AGG hin, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. In vielen Fällen können Betroffene ihre Ansprüche nicht durchsetzen, weil die Beweislast zu ihren Ungunsten ausgestaltet ist oder der Diskriminierungsschutz in bestimmten Bereichen wie der öffentlichen Verwaltung gar nicht greift.

Handlungsempfehlungen aus dem Bericht

Der Bericht gibt konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung des Diskriminierungsschutzes in Deutschland. Diese Empfehlungen richten sich an die Bundesregierung, die Wirtschaft, aber auch an die Zivilgesellschaft.

Zu den wichtigsten Empfehlungen gehören:

  • Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
    Der Bericht fordert eine umfassende Reform des AGG, um Schutzlücken zu schließen. Insbesondere soll die Beweislast zugunsten der Betroffenen erleichtert und der Schutz auf alle Lebensbereiche ausgeweitet werden.
  • Antidiskriminierungsstellen besser unterstützen
    Antidiskriminierungsberatungsstellen sollen stärker finanziell unterstützt werden, um ihre Beratungsangebote auszubauen und flächendeckend zugänglich zu machen. Der Ausbau der Beratungsinfrastruktur ist entscheidend, damit Betroffene in allen Regionen Deutschlands Hilfe erhalten können.
  • Sensibilisierungskampagnen
    Der Bericht betont die Notwendigkeit von Aufklärungskampagnen, um die Gesellschaft für das Thema Diskriminierung zu sensibilisieren. Zielgruppen sind sowohl die breite Öffentlichkeit als auch spezifische Institutionen wie Schulen, Behörden und Unternehmen.
  • Mehr Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt
    Unternehmen sollen aktiv Maßnahmen ergreifen, um Vielfalt am Arbeitsplatz zu fördern und Diskriminierung zu verhindern. Der Bericht empfiehlt verpflichtende Schulungen zu Diskriminierung und Vielfalt sowie die Einführung von Beschwerdemechanismen in Unternehmen.

Fazit

Der »Fünfte Gemeinsame Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes« stellt eine zentrale Analyse der aktuellen Diskriminierungssituation in Deutschland dar. Er zeigt, dass trotz rechtlicher Fortschritte und einer gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität für das Thema Diskriminierung nach wie vor viele Menschen Benachteiligungen im Alltag erfahren.

Insbesondere im Arbeitsleben, im Bildungsbereich und auf dem Wohnungsmarkt sieht der Bericht noch große Herausforderungen. Die Forderung nach einer Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und einer besseren Förderung von Antidiskriminierungsberatungsstellen ist eine der zentralen Botschaften des Berichts. Auch die stärkere Förderung von Vielfalt und Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen wird als unerlässlich angesehen, um Diskriminierung langfristig zu überwinden.


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