Jugendliche setzen auf Bildung: Shell Jugendstudie 2024 zeigt Aufstiegspotenziale

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19. SHELL JUGENDSTUDIE »JUGEND 2024«

Jugend zwischen Digitalisierung und sozialen Werten: Ein Blick auf die Zukunft der Gesellschaft

Die 19. Shell Jugendstudie 2024 mit dem Titel »Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt« zeichnet ein detailliertes Bild der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland. Ihre Sorgen über Politik, Gesellschaft und Umwelt nehmen zu, viele Jugendliche sind offen für populistische Positionen.

Trotz dieser Herausforderungen geht die Mehrheit pragmatisch mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten um und sieht Chancen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt.

Wachsende politische Beteiligung

Das Interesse an Politik ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. 55 % der Jugendlichen bezeichnen sich als politisch interessiert, ein Anstieg im Vergleich zu früheren Studien. 51 % der Jugendlichen informieren sich aktiv über politische Themen und 37 % sind bereit, sich politisch zu engagieren.

Dies zeigt, dass die sogenannte »Generation Greta« nicht nur ein kurzfristiger Trend war, sondern dass das politische Engagement der Jugendlichen langfristig zunimmt.

Zunehmende Ängste: Krieg, Wirtschaft und Gesellschaft

Die größten Ängste der Jugendlichen im Jahr 2024 betreffen den Krieg in Europa (81 %) und die wirtschaftliche Situation (67 %). Im Vergleich dazu sind die Sorgen um Arbeitslosigkeit und Ausbildung deutlich zurückgegangen.

Weitere wichtige Themen sind Umweltverschmutzung und Klimawandel, die ebenfalls bei der Mehrheit der Jugendlichen Ängste auslösen.

Differenziertes Meinungsbild zur Außenpolitik

Eine große Mehrheit der Jugendlichen spricht sich für eine starke NATO aus und verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine.

Allerdings ist die Zustimmung zu einer militärischen Unterstützung der Ukraine durch Deutschland gespalten. Auch im Hinblick auf den Gaza-Konflikt sind die Meinungen differenziert: Knapp die Hälfte der Jugendlichen fordert, dass Deutschland das Leid der palästinensischen Bevölkerung stärker anerkennt.

Klimawandel und Umwelt: Wichtig, aber umstritten

80 % der Jugendlichen sind der Meinung, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Allerdings ist nur eine knappe Mehrheit bereit, ihren Lebensstandard zugunsten des Klimaschutzes einzuschränken.

Aktionen von Umweltaktivist*innen wie die der »letzten Generation« stoßen auf geteilte Reaktionen: 43 % fühlen sich bevormundet, während 25 % die Aktionen verteidigen.

Positives Bild von Staat und Gesellschaft

Trotz der vielfältigen Krisen blickt die Mehrheit der Jugendlichen optimistisch in die Zukunft. 76 % glauben, dass Deutschland ihnen alle Möglichkeiten bietet, ihre Lebensziele zu verwirklichen, und 71 % vertrauen darauf, dass die Gesellschaft eine lebenswerte Zukunft schaffen kann.

Wertorientierungen und soziales Engagement

Freundschaften, Familie und stabile Beziehungen bleiben zentrale Werte im Leben der Jugendlichen. Leistungsnormen wie Fleiß und Ehrgeiz sind nach wie vor hoch angesehen.

Auch Toleranz bleibt ein wichtiges Merkmal der Jugend, die Mehrheit befürwortet gesellschaftliche Vielfalt und Offenheit gegenüber anderen Lebensstilen. Allerdings nimmt das Engagement für benachteiligte Gruppen leicht ab, während das politische Engagement weiter zunimmt.

Bildung: Einfluss der sozialen Herkunft

Im Bildungsbereich setzt sich ein klarer Trend fort: Das Gymnasium wird immer mehr zur Mehrheitsschule. Derzeit besuchen 48 % der 12- bis 25-Jährigen ein Gymnasium, während die Bedeutung der Hauptschule weiter abnimmt. Nur noch 5 % besuchen diese Schulform, 2002 waren es noch über 20 %.

Der Bildungserfolg hängt jedoch nach wie vor stark von der sozialen Herkunft ab. So streben nur 27 % der Jugendlichen, deren Eltern höchstens einen Hauptschulabschluss haben, das Abitur an. Sind die Eltern selbst Abiturient*innen, erhöht sich dieser Wert auf 80 %.

Der Bildungserfolg wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitsmarktchancen aus. Jugendliche ohne Schulabschluss sind auch in Zeiten des Fachkräftemangels deutlich häufiger arbeitslos (32 %). Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für diese Gruppe besonders schwierig.

Der Trend geht zu höherer Bildung: Die Zahl der Jugendlichen, die Bildungsaufstiege erreichen, übersteigt die Zahl der Bildungsabstiege deutlich. Mehr als ein Viertel der Jugendlichen (28 %) kann einen Bildungsaufstieg vorweisen.

Zukunftssicherheit im Bildungsverlauf

Die Jugendlichen blicken zuversichtlich in ihre Bildungslaufbahn. 92 % der Schülerinnen und Schüler sind sich sicher, den gewünschten Schulabschluss zu erreichen und ebenso viele Auszubildende sind überzeugt, nach der Ausbildung übernommen zu werden.

Studierende sind mit 95 % sogar noch zuversichtlicher, innerhalb eines Jahres nach dem Abschluss eine adäquate Stelle zu finden. Allerdings ist diese positive Perspektive ungleich verteilt: Jugendliche aus höheren sozialen Schichten haben deutlich weniger Zweifel an ihrem Bildungs- und Berufsweg als Jugendliche aus niedrigeren sozialen Schichten.

Beruf und Karriere: Sicherheit und materielle Vorteile stehen im Vordergrund

Jugendliche in Deutschland legen großen Wert auf Sicherheit im Beruf. 91 % der Befragten geben an, dass ein sicherer Arbeitsplatz für sie von zentraler Bedeutung ist. Gleichzeitig haben materielle Aspekte wie ein hohes Einkommen (83 %) und gute Aufstiegschancen (80 %) an Bedeutung gewonnen.

Damit einher geht der wachsende Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. 69 % der Jugendlichen wünschen sich, zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten zu können.

Auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung spielt eine große Rolle. Vielen ist es wichtig, einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und Anerkennung für ihre Arbeit zu erhalten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat bei beiden Geschlechtern einen hohen Stellenwert.

Männer und Frauen sind sich einig, dass eine gleichberechtigte Aufteilung der Erwerbsarbeit in den Familien wünschenswert ist. Der Anteil der Jugendlichen, die ein traditionelles Rollenmodell mit dem Mann als Allein- oder Hauptverdiener bevorzugen, hat abgenommen, insbesondere in Ostdeutschland, wo nur noch 32 % dieses Modell befürworten.

Typologie der Jugendlichen in Bezug auf Beruf und Karriere

Die Studie unterscheidet vier Gruppen von Jugendlichen hinsichtlich ihrer beruflichen Erwartungen:

  • Die Bodenständigen (24 %)
    Diese Gruppe legt großen Wert auf Sicherheit und Planbarkeit im Beruf. Sie bevorzugen eine nutzenorientierte Perspektive auf das Berufsleben. Jugendliche aus der Unterschicht und mit niedrigem Bildungsniveau sind in dieser Gruppe überrepräsentiert.
  • Die Idealisten (25 %)
    Für diese Jugendlichen steht die Selbstverwirklichung im Beruf im Vordergrund. Sie wollen etwas Sinnvolles tun und sehen den Beruf eher als Berufung denn als reinen Broterwerb. Junge Frauen und Jugendliche mit höheren Bildungsabschlüssen sind in dieser Gruppe häufiger vertreten.
  • Die Durchstarter (34 %)
    Diese Gruppe strebt eine erfolgreiche Karriere an, in der sowohl Erfüllung als auch Aufstiegsmöglichkeiten und finanzielle Vorteile eine Rolle spielen. Sie legen Wert auf eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit.
  • Die Distanzierten (17 %)
    Für diese Jugendlichen spielen berufliche Erfüllung und materielle Vorteile eine geringere Rolle. Sie fühlen sich von wesentlichen Aspekten des Berufslebens weniger angesprochen. In dieser Gruppe finden sich häufiger Jugendliche aus der Unterschicht.

Optimismus trotz Verunsicherung

Trotz der vielfältigen Krisen blicken 84 % der Jugendlichen zuversichtlich in ihre berufliche Zukunft. Darin spiegeln sich die guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und die vielfältigen Möglichkeiten wider, die sich den Jugendlichen bieten. Dennoch bleibt das Bedürfnis nach Sicherheit dominant und viele Jugendliche sehnen sich nach Stabilität im Berufsleben.


  VERWEISE  


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