Studie: Eltern geben Ganztagsschulen gute Noten

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Bertelsmann Stiftung

Die Länder bauen Ganztagsschulen aus, die Anzahl steigt – doch wie gut sind die Angebote? Eine Studie untersucht repräsentativ die Sicht der Eltern: Wie bewerten sie die Qualität der Schulen ihrer Kinder, was ist ihnen wichtig und was fehlt? Das Ergebnis: Eltern sind mit Ganztagsschulen zufriedener als mit Halbtagsangeboten, am besten schneidet bei der individuellen Förderung der gebundene Ganztag ab.

Wenn Kinder an einer Ganztagsschule lernen, bewerten ihre Eltern die Schule insgesamt häufiger positiv als Eltern von Halbtagsschülern. Das zeigt eine neue repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung. 30 Prozent der Eltern von Halbtagsschülern sagen sogar, dass sie ihr Kind auf eine Ganztagsschule schicken würden, wenn sie jetzt nochmal entscheiden könnten. »Ganztagsschulen sind der beste Rahmen für die individuelle Förderung der Schüler. Vorausgesetzt, die Qualität stimmt«, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Insgesamt sind Eltern sehr zufrieden mit den Lehrkräften ihrer Kinder: 84 Prozent aller Eltern loben die fachliche Kompetenz der Lehrer an Ganztags- und Halbtagsschulen. Einzelne Aspekte des Schulalltags bewerten Eltern von Ganztagsschülern jedoch häufiger positiv als Eltern, deren Kinder halbtags lernen:

  • 66 % der Eltern von Schülern an Ganztagsschulen bewerten die Angebote zur individuellen Förderung positiv, bei Eltern von Halbtagsschülern sind es 54 %.
  • 63 % der Eltern von Kindern an Ganztagsschulen sind der Ansicht, dass die Lehrer mit unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der Schüler umgehen können. Über Halbtagsschulen sagen das nur rund die Hälfte (49 %) der betroffenen Eltern.
  • Die Möglichkeiten ihres Kindes, in seinem eigenen Tempo zu lernen, bewerten 66 % der Ganztagseltern positiv, bei den Eltern von Halbtagsschülern sind es 55 %.
  • Die technisch-räumliche Ausstattung bewerten 80 % der Eltern von Ganztags-schülern positiv im Vergleich zu 72 % der Eltern von Kindern an Halbtagsschulen.
  • Sehr gut oder gut bewerten rund drei Viertel (77 %) der Eltern von Ganztags-schülern den sozialen Zusammenhalt in der Klasse ihrer Kinder, bei den Eltern von Halbtagsschülern sind es 71 %.

Ganztag mit Teilnahmepflicht schneidet bei der individuellen Förderung am besten ab

Es gibt zwei Formen von Ganztagsschulen in Deutschland: Beim offenen Ganztag nehmen einzelne Kinder freiwillig am Nachmittagsprogramm teil. In der gebundenen Form lernen alle Kinder eines Klassenverbands gemeinsam über den ganzen Tag. Diese gebundene Form bewerten Eltern insbesondere in folgenden Punkten besser:

  • Die individuellen Förderangebote beurteilen 70 % der Eltern von Kindern im gebundenen Ganztag positiv. Im offenen Ganztag sind es 63 %.
  • Entsprechend sind im gebundenen Ganztag mehr Eltern (58 %) mit der gezielten Förderung ihrer Kinder zufrieden als bei offenen Angeboten (51 %).

Hingegen schneiden offene Ganztagsschulen bei diesen Aspekten besser als die gebundene Form ab:

  • Im offenen Ganztag finden die Eltern das Essensangebot gesünder und ausge-wogener (60 % im Vergleich zu 53 % der Eltern mit Kindern im gebundenen Ganztag).
    Die Betreuungsangebote in den Schulferien schätzen 54 % der Eltern von Schülern im offenen Ganztag, im gebundenen Ganztag sind es nur 32 %.

Die Eltern sind aber nicht mit allen Aspekten der Ganztagsschulen zufrieden. Die drei am häufigsten genannten Wünsche sind noch mehr Angebote zur individuellen Förderung (49 %), eine Verbesserung der Personalausstattung (47 %) und ein besserer Informationsfluss zwischen Schule und Eltern (46 %).

Das Angebot wächst, reicht aber nicht: Mehr Eltern wollen Ganztagsschulen

Das Ganztagsangebot wächst in Deutschland – deckt allerdings nicht den Bedarf. 35,8 Prozent aller Schüler hatten im Schuljahr 2013/2014 einen Ganztagsplatz. Im Schuljahr 2014/2015 waren es schon 37,7 Prozent. Zugleich sagen 30 Prozent der Eltern von Halbtagsschülern, sie würden sich heute für das ganztägige Lernen entscheiden. Das Angebot reicht jedoch nicht aus: 32 Prozent der Eltern von Kindern an Halbtagsschulen geben an, dass es in ihrer Nähe keine Ganztagsschule gibt. »Wir brauchen mehr Ganztagsplätze. Den Ausbau können wir mit einem Rechtsanspruch auf Ganztag vorantreiben«, sagt Jörg Dräger. In der Ganztagsqualität sieht Dräger eine zentrale Herausforderung für die weitere Entwicklung. Insbesondere der Ausbau von gebundenen Ganztagsschulen müsse vorangetrieben werden. Im Schuljahr 2014/2015 konnten nur 17,6 Prozent der Schüler diese Form der Ganztagsschule besuchen, die am meisten individuelle Förderung ermöglicht.

Hintergrund
Infratest dimap hat im Auftrag der Bertelsmann Stiftung deutschlandweit 4.321 Eltern schulpflichtiger Kinder im Alter von sechs bis 16 Jahren befragt. Die repräsentative Befragung (Methode: CAWI - computergestützte Online-Interviews) wurde im Schuljahr 2014/15, vom 30. Januar bis 23. Februar 2015, durchgeführt. Die in der Studie berichteten Zahlen zum Ausbaustand der Ganztagsschulen in Deutschland und den Bundesländern beziehen sich ebenfalls auf das Schuljahr 2014/15. Sie entstammen der offiziellen Statistik der Kultusministerkonferenz und sind die zurzeit aktuellsten Daten zum Ausbaustand des Ganztagsschulwesens in Deutschland.

 

 

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