Hamburgs digitale Hausaufgaben
Studie benennt Herausforderungen für den digitalen Bildungsstandort: Programmierkenntnisse vermitteln, Lehrer qualifizieren und Gesamtstrategie umsetzen
Der digitale Wandel stellt das Bildungssystem in Deutschland vor neue Herausforderungen. Persönliche Entwicklung, beruflicher Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe hängen heute maßgeblich von digitalen Kompetenzen ab. Sind Hamburgs Bildungseinrichtungen dafür gerüstet? Welche Kompetenzen und Qualifikationsprofile müssen in einer vernetzten digitalen Welt vermittelt werden? Wo steht die Stadt diesbezüglich und welche Anstrengungen sind zusätzlich erforderlich, um diese entlang der gesamten Bildungskette zu fördern?
Diese Fragen untersucht die qualitative Studie »Digitaler Bildungsstandort Hamburg« des mmb Instituts im Auftrag der Körber-Stiftung. Laut der Analyse ist die Stadt als IT- und Wirtschaftsstandort gut positioniert. Im Bildungsbereich wird an verschiedenen Punkten jedoch dringender Handlungsbedarf gesehen. Die 69 befragten Experten sehen vor allem die allgemeinbildenden Schulen in der Pflicht. »Informatische Bildung und die Vermittlung von Medienkompetenz sind in Lehrplänen zwar verbindlich vorgesehen, den Befragten zufolge werden die Vorgaben in der Praxis jedoch nur mangelhaft umgesetzt«, erklärt Julia André, Leiterin des Fokusthemas »Digitale Mündigkeit« der Körber-Stiftung.
Digitalstandort – Auf gutem Weg, aber erst auf halber Strecke
Unterschiedliche Studien stellen dem IT- und Wirtschaftsstandort Hamburg ein gutes bis sehr gutes Zeugnis aus. Allerdings wird der Faktor Bildung in diesen Analysen weitgehend ausgespart. Hierzu ist das Urteil der Experten in der vorliegenden Studie gemischt: Sie betonen Hamburgs Potenzial und würdigen einzelne Pilotprojekte. Gleichzeitig lassen sie keinen Zweifel daran, dass Hamburg seine digitalen Hausaufgaben noch nicht erledigt hat: Auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent sieht nur ein Drittel der Befragten den Digitalisierungsstatus vom Bildungsstandort Hamburg bei mehr als 50 Prozent.
Digitales ABC – Kompetenzen und qualifiziertes Bildungspersonal
Befragt nach wichtigen Kenntnissen und Fähigkeiten für das digitale Zeitalter steht für die Studienteilnehmer Problembewusstsein im Umgang mit digitalen Medien ganz oben. Ein technisches Grundverständnis und Programmierkenntnisse gehören für die Mehrheit der Befragten aber auch dazu: 92 Prozent stimmen zu, dass an allgemeinbildenden Schulen alle Schüler IT- und Programmierkenntnisse erwerben sollten. Davon, dass das schon geschieht, sind nur 39 Prozent überzeugt. Als wichtigste Herausforderung in diesem Feld wird die Qualifizierung der Lehrkräfte gesehen: 83 Prozent der Experten fordern verpflichtende Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien.
Digitaler Masterplan – Strategie für bessere Umsetzung
90 Prozent der befragten Experten fordern eine übergreifende Strategie von Politik und Verwaltung, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Nur 25 Prozent sehen diese schon umgesetzt. Zwar zeichnet sich der digitale Bildungsstandort Hamburg durch eine große Vielfalt an Aktivitäten und Initiativen aus, es fehlen aber bündelnde Maßnahmen und ein vernetztes Vorgehen.
»Wenn Hamburg digitale Stadt sein will, muss eine kohärente Bildungs- und Qualifizierungsstrategie her. Das erfordert ein klares politisches Bekenntnis, dass digitale Kompetenzen zentraler Schlüssel zur Bewältigung des digitalen Wandels sind«, fasst Julia André eine Handlungsempfehlung der Studie zusammen. Als weitere Konsequenz müssten Bildungsangebote und Lernräume allen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Lehrkräfte sollten sich außerdem mit konsequent digital konzipierten Fortbildungsangeboten weiterqualifizieren können. Beispielsweise mit »blended learning«, das Präsenzveranstaltungen und E-Learning kombiniert. Damit die Medienkompetenzförderung kein unerfüllter Punkt im Curriculum bleibt, müssten innovative Praxisbeispiele systematisch identifiziert und verbreitet sowie der regelmäßige Austausch darüber gefördert werden. »In einer Strategiewerkstatt werden wir am 16. Mai Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammenbringen, um den ersten Schritt in Richtung einer Gesamtstrategie zu gehen«, so André.
Hintergrund
Die qualitative Studie »Digitaler Bildungsstandort Hamburg« untersucht die Leitfragen »Welche Kompetenzen und Qualifikationsprofile brauchen wir in einer vernetzten digitalen Welt?« und »Welche Anstrengungen unternimmt Hamburg im Bereich von Bildung und Wissenschaft, um diese Qualifikationen entlang der gesamten Bildungskette zu entwickeln und zu fördern?«. Kern der Untersuchung waren leitfadengestützte telefonische Interviews mit 69 Experten, die durch einen Online-Teil ergänzt wurden. In zwei anschließenden Workshops mit Teilnehmern aus dem Schulbereich sowie dem beruflichen Aus- und Weiterbildungsbereich wurden die Ergebnisse reflektiert und hinsichtlich möglicher Handlungsempfehlungen konkretisiert. Ergänzend zu den Experten-Befragungen wurden eine vergleichende Standort-Recherche, eine Umfeld-Analyse zu Hamburg und eine Primärdaten-Analyse durchgeführt.
VERWEISE