Trotz Rekordbeschäftigung weniger Ausbildungsplätze

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Der Exportschlager »Duale Ausbildung« droht in Deutschland branchenübergreifend zum Auslaufmodell zu werden. Während die Beschäftigungszahlen kontinuierlich steigen, wird in Betrieben immer weniger ausgebildet. Besonders stark ist dieser Effekt bei Kleinst- und Kleinunternehmen – relativ stabil zeigt sich dagegen der klassische Mittelstand.

Die Entwicklung von Arbeit und Ausbildung hat sich entkoppelt: Während der Arbeitsmarkt in Deutschland immer neue Rekorde bei den Beschäftigtenzahlen verzeichnet, ist die Ausbildungsquote rückläufig. Obwohl es zwischen 1999 und 2015 einen Zuwachs an Beschäftigten in Höhe von 12,1 Prozent gegeben hat, ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Auszubildenden um 6,7 Prozent zurückgegangen. Besonders stark geht die Entwicklung von Ausbildung und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung seit der Finanzkrise 2008 auseinander. Rein rechnerisch kamen 1999 6,1 Auszubildende auf je 100 Beschäftigte, 2008 waren es mit 6,5 Auszubildenden sogar noch etwas mehr. Danach gab es einen fortlaufenden Rückgang, bis im Jahr 2015 nur noch 5,1 Auszubildende auf 100 Beschäftigte kamen. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Zu diesen Ergebnissen kommt ein Forschungsprojekt des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) und der Universität in Göttingen, das von der Bertelsmann Stiftung gefördert wurde. Untersucht wurde die Ausbildungsbeteiligung von Betrieben im Zeitverlauf differenziert nach Betriebsgrößen und Branchen. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sieht in der Entkopplung von Arbeit und Ausbildung eine Gefahr: »Wenn Unternehmen in der aktuell guten Konjunktur- und Beschäftigungslage nicht mehr junge Menschen ausbilden, ist der Fachkräftemangel hausgemacht«.

Rückgang der Ausbildung bei Kleinst- und Kleinbetrieben besonders stark

In der Tendenz zeigt sich die unterschiedliche Entwicklung von Ausbildung und Beschäftigung über alle Betriebsgrößen hinweg – besonders dramatisch jedoch bei den Kleinst- und Kleinbetrieben mit bis zu 49 Mitarbeitern. In Kleinstbetrieben mit bis zu fünf Mitarbeitern ging zwischen 1999 und 2015 die Zahl der Beschäftigten leicht um 3,2 Prozent zurück. Die Zahl der Auszubildenden sank jedoch im gleichen Zeitraum um ein Drittel. Mehr als die Hälfte dieser Betriebe sind den Branchen Handel oder Finanz- und Versicherungsdienstleistungen zuzurechnen. Absolvierten im Jahr 2008 noch rund 225.000 junge Menschen ihre Ausbildung in Kleinstbetrieben, waren es 2015 gut 75.000 weniger. Für die Ausbildungsquote – das Verhältnis von Auszubildenden zu Beschäftigten – bedeutet dies einen Rückgang seit 2008 von 7,5 auf weniger als 5 Prozent. Ähnlich läuft die Entwicklung für Kleinbetriebe mit einer Belegschaft von 6 bis 49 Mitarbeitern. Diese Betriebe erbringen etwa ein Drittel der gesamten Ausbildungsleistung. Bei ihnen sank die Ausbildungsquote von 7,4 Prozent im Jahr 2008 auf 5,8 Prozent 2015. Das entspricht einem absoluten Rückgang um mehr als 65.000 auf rund 540.000 Auszubildende.

Einzig Betriebe mit einer Belegschaft von 50 bis 249 Mitarbeitern haben im Untersuchungszeitraum einen Anstieg der Zahl an Auszubildenden von 391.000 im Jahr 1999 auf 434.000 16 Jahre später zu verzeichnen, ein Plus von 11,3 Prozent – und dennoch sinkt auch hier die Ausbildungsquote. Denn die Zahl der Beschäftigten ist im gleichen Zeitraum um 19,3 Prozent gestiegen.

Großbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten bilden über den gesamten Untersuchungszeitraum im Verhältnis zu ihren Belegschaften am wenigsten aus. Im Jahr 2015 lag ihre Ausbildungsquote bei 4,4 Prozent. Nur etwa ein Fünftel aller Azubis lernt bei diesen Betrieben, die besonders häufig in den Branchen Produktionsgüter sowie Medizinisch/Pflegerische Dienstleistungen aktiv sind. »Großbetriebe sollten ihre Ausbildungsaktivität steigern«, fordert deshalb Dräger, denn gerade sie verfügten über die notwendigen Mittel und Strukturen.

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Ausbildung muss stärker gefördert werden

Schon heute bleibt in Deutschland jeder Achte in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen ohne Berufsabschluss. Vor allem Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss, die tendenziell häufiger in Klein- und Kleinstbetrieben ausgebildet werden, sind von dem Rückgang der Ausbildungsplätze betroffen. »Wir können es uns nicht leisten, junge Menschen ohne Berufsabschluss ins Leben starten zu lassen«, so Dräger. Die Bertelsmann Stiftung fordert deshalb neben dem Ausbau von Unterstützungsangeboten für Betriebe bei der Ausbildung benachteiligter Jugendlicher auch eine Ausbildungsgarantie der öffentlichen Hand. Diese soll jedem jungen Menschen die Chance auf einen Berufsabschluss eröffnen.

Mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel sieht Dräger die Notwendigkeit, die berufliche Bildung für junge Menschen und Unternehmer wieder attraktiver zu machen: »Wir brauchen flexiblere Ausbildungswege und mehr individuelle Unterstützung für Azubis und Ausbilder. Der Staat muss mehr in die Berufsschulen investieren und erfolgreichen Absolventen sowohl berufliche Weiterbildungsperspektiven als auch Wege in die Hochschulbildung anbieten«.

Hintergrund
Die Untersuchung zur Entwicklung der Berufsausbildung in Klein- und Mittelbetrieben entstand im Rahmen des Forschungsprojekts »Ländermonitor berufliche Bildung 2017« des soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI) und des Instituts für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung der Universität Göttingen, das von der Bertelsmann Stiftung gefördert wird. Für die Untersuchung wurde die Entwicklung von Ausbildung und Beschäftigung differenziert nach Betriebsgrößenklassen und Branchen seit 1999 untersucht. Grundlage der Analyse sind Daten aus der Beschäftigten- und der Berufsbildungsstatistik sowie aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) und des Qualifizierungspanels des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Die Autoren der Untersuchung sind Prof. Dr. Martin Baethge und Meike Baas (beide SOFI).

 

 

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