IQB-Bildungstrend 2016: Veränderte Schülerschaft stellt Grundschulen vor große Herausforderungen
Im Vergleich zwischen 2011 und 2016 haben sich die Bedingungen an Grund- und Förderschulen im Hinblick auf die Zusammensetzung der Schülerschaft geändert. Zum einen ist der Anteil der Kinder mit Zuwanderungshintergrund gestiegen. Zum anderen besuchen im Zuge der Umsetzung der Inklusion mehr Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeine Schule. Der Anteil der Viertklässlerinnen und Viertklässler mit Zuwanderungshintergrund liegt im Jahr 2016 bei etwa 34 Prozent und ist damit gegenüber 2011 um mehr als ein Drittel gestiegen.
Das zeigen die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2016, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Getestet wurden Schülerinnen und Schüler, die mindestens ein Jahr in Deutschland zur Schule gegangen sind. Die Lesekompetenz der Grundschülerinnen und Grundschüler ist im Vergleich zu 2011 weitgehend stabil geblieben. Herausforderungen bestehen in den Bereichen Zuhören, Orthografie und Mathematik. Hier konnte das Kompetenzniveau von 2011 nicht in allen Ländern gehalten werden.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, Dr. Susanne Eisenmann: »Seit 2011 haben sich die Bedingungen in den Schulen gewandelt. Insbesondere die zunehmend heterogen zusammengesetzte Schülerschaft stellt alle Länder und die Ländergemeinschaft vor große Herausforderungen. Die Ergebnisse der Studie zeigen einen bundesweiten Handlungsbedarf bei der Förderung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Die Länder werden die große Stärke des Bildungsföderalismus nutzen, im Wettbewerb der Ideen voneinander zu lernen«.
Im IQB-Bildungstrend 2016 untersucht das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz zum zweiten Mal, inwieweit Viertklässlerinnen und Viertklässler die bundesweit geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz in den Fächern Deutsch und Mathematik für den Primarbereich erreichen. Durch einen Vergleich mit den Ergebnissen des IQB-Ländervergleichs 2011 ist es möglich zu prüfen, inwieweit sich das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe in den einzelnen Ländern in einem Zeitraum von fünf Jahren verändert hat.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Die wichtigsten Ergebnisse im Fach Deutsch
Die Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler bleiben im Bereich Lesen stabil gegenüber dem Vergleichsjahr 2011.
Etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler erreichen mindestens die Regelstandards in den Kompetenzbereichen Lesen und Zuhören; im Bereich Orthografie sind es über die Hälfte der Viertklässlerinnen und Viertklässler.
In den Bereichen Zuhören und Orthografie weist die Entwicklung der Kompetenzen in Deutschland insgesamt einen negativen Trend aus. Der Anteil der Kinder, die die Regelstandards im Bereich Zuhören erreichen oder übertreffen, ist von 74 auf 68 Prozent gesunken, im Bereich Orthografie von 65 auf 55 Prozent.
Die wichtigsten Ergebnisse für das Fach Mathematik
Gegenüber dem Vergleichsjahr 2011 kann der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Regelstandards im Fach Mathematik erreichen oder übertreffen, für Deutschland insgesamt nicht gehalten werden. Der Anteil ist von 68 auf 62 Prozent gesunken.
Leistungsunterschiede nach Geschlecht, sozialer Herkunft und Zuwanderungshintergrund
Die bereits 2011 festgestellten geschlechtsbezogenen Disparitäten sind wieder festzustellen. Mädchen weisen bessere Leistungen in allen Kompetenzbereichen im Fach Deutsch auf, insbesondere im Bereich Orthografie. Jungen erzielen im Durchschnitt bessere Leistungen im Fach Mathematik. Mädchen schätzen ihre mathematische Kompetenz niedriger ein als gleich kompetente Jungen.
Nach wie vor gibt es einen Zusammenhang zwischen den gezeigten Leistungen und der sozialen Herkunft. Die Kopplung von sozialem Hintergrund und erreichten Kompetenzen hat sich aber nicht verstärkt.
Viertklässlerinnen und Viertklässler mit Zuwanderungshintergrund erreichen in den Fächern Deutsch und Mathematik geringere Kompetenzen als Kinder ohne Zuwanderungshintergrund. Die Unterschiede sind im Bereich Zuhören am größten, im Bereich Orthografie am kleinsten. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund sind allerdings zum Teil durch soziale Hintergrundmerkmale zu erklären.
Die Unterschiede in den Leistungen zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund haben sich zwischen 2011 und 2016 kaum verändert.
Weitere Ergebnisse
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwanderungshintergrund fühlen sich in ihren Schulen gut integriert. Hier bestätigt sich der bereits im IQB-Bildungstrend 2015 für die Sekundarstufe I festgestellte Befund, dass den Schulen in Deutschland die soziale Integration sehr gut gelingt.
Den Schulen gelingt es außerdem, den Unterricht so zu gestalten, dass auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler motiviert sind. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, ihr Potenzial zu fördern.
Erste Folgerungen aus den Ergebnissen des IQB-Bildungstrends 2016
- Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität bleibt für die Länder eine wichtige Aufgabe.
- Die Ergebnisse fallen in den Ländern unterschiedlich aus. Die Länder werden vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Rahmenbedingungen ihre Ergebnisse differenziert analysieren und bewerten.
- Die Studie unterstreicht noch einmal die Bedeutung von Maßnahmen im Bereich der Sprachförderung, und zwar für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwanderungshintergrund.
- Die gemeinsame Initiative von Bund und Ländern zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Potenziale der Schülerinnen und Schüler im oberen Leistungsspektrum weiter zu entwickeln.
Hintergrund
Am IQB-Bildungstrend 2016 haben 29.259 Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe in 1.508 Grund- und Förderschulen aus allen 16 Ländern teilgenommen
Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie geprüft. Im Fach Mathematik wurden die Bereiche »Zahlen und Operationen«, »Raum und Form«, »Muster und Strukturen«, »Größen und Messen« sowie »Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit« getestet.
Die Bildungstrends werden auf Grundlage der von der Kultusministerkonferenz vereinbarten Bildungsstandards durchgeführt und richten sich damit stärker an der Lehrplanwirklichkeit und Unterrichtspraxis aus als internationale Erhebungen, an denen Deutschland ebenfalls regelmäßig teilnimmt.
Die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für den IQB-Bildungstrend 2016 liegt beim Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Petra Stanat.
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