SchülerInnen schneiden durch G8-Reform besser bei PISA-Tests ab
BildungsforscherInnen analysieren PISA-Daten von mehr als 33.000 SchülerInnen
Infolge der G8-Schulreform erreichen SchülerInnen in der neunten Klasse am Gymnasium bessere Ergebnisse bei den PISA-Tests. Das gilt insbesondere für leistungsstarke SchülerInnen, während leistungsschwächere kaum oder gar nicht profitieren. Die Abiturnoten haben sich durch die G8-Reform jedoch leicht verschlechtert.
Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), für die Mathias Huebener, Susanne Kuger und Jan Marcus PISA-Daten zu mehr als 33.000 GymnasiastInnen der neunten Jahrgangsstufe analysiert haben. »Der Kompetenzvorsprung in der neunten Klasse reicht offenbar nicht aus, um das wegfallende 13. Schuljahr vollständig zu kompensieren«, erklärt Jan Marcus, Bildungsökonom am DIW Berlin und Juniorprofessor an der Universität Hamburg.
Leistungsstarke SchülerInnen kommen mit zusätzlichem Lernstoff besser zurecht
Dass sich die leistungsschwächeren G8-SchülerInnen in den PISA-Tests kaum verbessern, liegt an der konkreten Ausgestaltung der G8-Reform. Die zusätzliche Unterrichtszeit – im Durchschnitt der Bundesländer jeweils rund zwei Stunden pro Woche in den Klassen 5 bis 9 – dient nicht der Wiederholung und Vertiefung, sondern dem Vorziehen von Inhalten, weil am Ende der Schulzeit ein Schuljahr wegfällt. Damit kommen die leistungsstärkeren SchülerInnen offenbar eher zurecht. Folglich verbessern sie sich unter G8 in den PISA-Kompetenzbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften deutlich stärker als leistungsschwächere SchülerInnen. Diese scheinen eher Probleme mit der längeren wöchentlichen Unterrichtszeit und dem zeitlich nach vorne verlagerten Lernstoff zu haben.
Im Durchschnitt aller GymnasiastInnen in der neunten Klasse führt die G8-Reform dazu, dass die PISA-Kompetenzwerte um fünf bis sechs Punkte auf der PISA-Skala steigen. Das gilt für den Vergleich zu einem Szenario, in dem es die G8-Reform nicht gibt. Der gemessene Effekt ist jedoch kleiner, als eigentlich zu erwarten wäre: Rechnet man die durch G8 höhere Wochenstundenzahl in der fünften bis neunten Klasse zusammen, kommt man auf ein Drittel eines zusätzlichen Schuljahres. Dies würde eigentlich einer Verbesserung der PISA-Werte um rund elf Punkte entsprechen.
Im PISA-Ranking lag Deutschland im Jahr 2012 mit 514 Punkten hinter Finnland, Kanada, Polen und Belgien an fünfter Stelle. Berücksichtigt man, dass rund ein Drittel aller NeuntklässlerInnen in Deutschland auf ein Gymnasium geht, entspricht der G8-Effekt auf den PISA-Wert für Deutschland insgesamt einem Anstieg um zwei Punkte. Somit hatte die G8-Reform keinen Einfluss auf die Platzierung Deutschlands in der Rangliste.
Geplanter Rechtsanspruch auf Ganztagsschulplatz bietet Ansatzpunkte für individuellere Betreuung
Eine Empfehlung zur Abkehr von der achtjährigen Gymnasialschulzeit leiten die AutorInnen aus ihrer Untersuchung keinesfalls ab, zumal die Reform nicht dazu geführt hat, dass infolge der G8-Reform sozioökonomische Merkmale wie der Bildungsabschluss der Eltern eine größere Rolle spielen. »Die Debatte um die reine Länge der Gymnasialschulzeit greift zu kurz, stattdessen sollten vielmehr die Unterrichtsinhalte und die Unterrichtsqualität im Fokus der Debatte stehen«, sagt Studienautor und DIW-Bildungsökonom Mathias Huebener.
Die entscheidende Frage sei, wie die Zeit in der Schule am besten genutzt werden könne. Auf dieser Basis sollten gezielte Anpassungen des Lehrplans und der Unterrichtsgestaltung erfolgen, um SchülerInnen entsprechend ihrer Bedürfnisse zu fördern. »Der von der neuen Großen Koalition geplante Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Schule bietet in diese Richtung einige Chancen«, ergänzt Jan Marcus. So könnte leistungsschwächeren SchülerInnen beispielsweise verstärkt Hilfe bei den Hausaufgaben und eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten angeboten werden.
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