Qualifizierungschancengesetz: Verbände legen gemeinsame Stellungnahme vor

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)
Sozialverbände Erklärung

Die vier Verbände EFAS (Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration), die bag arbeit, der VdP (Verband deutscher Privatschulverbände) und der Bildungsverband haben eine engere Zusammenarbeit in arbeitsmarkt-, sozial- und bildungspolitischen Fragen vereinbart, denn sie vertreten hier oft ähnliche oder sogar identische Interessen. Das nachstehende Positionspapier ist das erste Ergebnis dieser intensiveren Zusammenarbeit: Es nimmt Stellung zu einem Gesetzentwurf zur Sozialen Teilhabe für langzeitarbeitslose Menschen, der jetzt ins parlamentarische Verfahren geht.

Stellungnahme zum Referentenentwurf der Bundesregierung:
»Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetz zur Schaffung neuer Teilhabchancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt«

Ziel des vorliegenden Referentenentwurfs zur Schaffung neuer Teilhabchancen für Langzeitarbeitslose ist es, arbeitsmarktfernen Personen eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt zu eröffnen. Geschaffen werden sollen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsplätze für Menschen, die zwei Jahre und länger arbeitslos sind. Deshalb soll der § 16e SGB II neu gefasst werden. Für sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose, die bisher trotz vielfältiger Anstrengungen nicht integriert werden konnten, wird ein neues Regelinstrument eingeführt, das eine längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung mit dem Ziel der Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht (§ 16i).

Die bag arbeit, der BBB, der EFAS und der VdP begrüßen die Schaffung eines Regelinstruments »Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle« zur Förderung und Integration langzeitarbeitsloser Menschen. Wir unterstützen die Öffnung des Instruments für privatwirtschaftliche, kommunale und gemeinnützige Arbeitgeber. Menschen lernen in realen Arbeitszusammenhängen mit viel Praxiserfahrung. Die Chancen auf eine arbeitsmarktnahe Integration werden so erhöht.

Auf Grund der großen Bedeutung dieses Instruments für langzeitarbeitslose Menschen möchten wir die für uns besonders relevanten Punkte betonen.

Zielgruppe - Zugangsvoraussetzungen

  • Zur Bestimmung der Zielgruppe von § 16i sollte die Dauer der Erwerbslosigkeit entscheidendes Kriterium für den Zugang zur Förderung sein. Eine Orientierung an einzelnen Vermittlungshemmnissen halten wir nicht für sinnvoll.
  • Wer sechs Jahre arbeitslos ist, soll die Möglichkeit einer Förderung erhalten. In begründeten Einzelfällen kann sich das Teilhabeinstrument aus unserer Sicht auch an Menschen richten, die seit zwei Jahren ohne nennenswerte Beschäftigung sind.
  • Die Zuweisung soll gemäß persönlicher Eignung, d.h. gemäß festgestellter Potenziale und Integrationschancen erfolgen. Die Teilnahme sollte freiwillig sein.
  • Im Einzelfall sollte eine Förderung für mehr als fünf Jahre möglich sein.
  • Unsere Erfahrungen mit dem ESF-Bundesprogramm haben gezeigt, dass auch die Zielgruppe des § 16e heterogene Unterstützungsbedarfe hat und die Förderung sehr stark auf die individuelle Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muss.
  • Die Förderkonditionen des § 16e sind mit einem durchschnittlich 50%igen Lohnkostenzuschuss bei einer Beschäftigungszeit von 2,5 Jahren auch bei der etwas marktnäheren Zielgruppe für Unternehmen nicht sonderlich attraktiv. Eine Förderdauer von zwei Jahren ohne Weiterbeschäftigungspflicht wäre sinnvoll.
  • Ein pauschal und degressiv gestalteter Lohnkostenzuschuss setzt eine kontinuierliche Steigerung des Leistungsvermögens des Einzelnen voraus. Sollte die Leistungsfähigkeit in Einzelfällen nur begrenzt gesteigert werden können, muss es für diese Personen flexible Lösungen geben.

Lohnkostenzuschüsse

Angesichts der zu beschäftigenden Teilnehmerstruktur ist eine Refinanzierung von Lohnbestandteilen rein durch Markteinnahmen bei gemeinnützigen Unternehmen in der Regel nicht realisierbar.

  • Der pauschal ausgestaltete Lohnkostenzuschuss soll bei diesen Unternehmen in der Regel die tatsächlich gezahlten Arbeitgeberbruttolohnkosten refinanzieren. Dabei empfehlen wir eine Orientierung des Lohnkostenzuschusses an ortüblichen Löhnen.
  • Bei einer degressiv ausgestalteten Lohnsubventionierung ist eine pauschalierte Finanzierung zur Sicherung der Beschäftigungsinfrastruktur notwendig.
  • Länder und Kommunen sind nach Möglichkeit mit in die Finanzierung einzubeziehen.

Coaching und Weiterbildung

  • Die vorgesehene begleitende Förderinfrastruktur begrüßen wir, um Beschäftigung und berufliche Integration zu gewährleisten. Coaching ist ein unverzichtbares Instrument bei der Integration von marktfernen Menschen. Wichtig ist es, das Coaching eng an die individuellen Bedingungen der Teilnehmenden im Programm zu binden und von den Job Centern/ Agenturen vor Ort vergeben zu lassen. Eine Vergabe durch die Regionalen Einkaufszentren würde den ganzheitlichen Ansatz des Programms zerreißen und die Zuordnung von Coaching-Angeboten, Realitäten vor Ort und die Konzentration auf die Zielgruppe erschweren bis unmöglich machen, hier liegen genügend schlechte Erfahrungen mit anderen Programmen vor.
  • Bei Beschäftigung in Sozialen Beschäftigungsunternehmen oder bei Beschäftigungs- und Qualifizierungsträgern, sollte das Coaching intern durch eigenes Personal erbracht werden, sofern die entsprechende Fachkompetenz vorhanden ist. Die Coaches sind im Betrieb angestellt und können durch räumliche Nähe mehr und schneller Unterstützung erbringen, ihre Fachexpertise ist Bestandteil der betrieblichen Arbeitsteilung und findet im Betrieb Gehör.
  • Soll Beschäftigung erfolgreich umgesetzt werden, sind ein angemessener Betreuungsschlüssel und eine ausfinanzierte Weiterbildung, die bisher nicht im Referentenentwurf vorgesehen sind, nötig. Wir fordern eine 100%ige Finanzierung der Weiterbildungskosten, um diese zumindest bei gemeinnützigen Unternehmen sicherzustellen, die in der Regel über keine finanziellen Ressourcen für eine betriebliche Weiterbildung verfügen. Berufliche Weiterbildung sollte abschlussbezogen sein bzw. die Abschlussorientierung perspektivisch ermöglichen.

Finanzierung

Im Zusammenhang mit diesem Gesetz stockt der Bund den EGT um insgesamt vier Milliarden Euro für den Zeitraum bis zum Jahr 2022 auf. Wichtig hierbei ist aus unserer Sicht eine aufgabenadäquate Finanzierung des Fördersystems.

  • Der Eingliederungstitel muss haushaltsrechtlich so ausgestaltet sein, dass eine Umwidmung zugunsten des Verwaltungstitels nicht vorgesehen wird.
  • Es muss zudem sichergestellt werden, dass im Bundeshaushalt die Verpflichtungsermächtigungen so gestaltet werden, dass Förderungen über einen längeren Zeitraum gewährleistet werden.
  • Die Förderung des Lohnkostenzuschusses muss auf Grundlage der Höhe der Tariflöhne erfolgen. Die Orientierung am allgemeinen Mindestlohn würde es den Arbeitgebern, die durch Tarifverträge gebunden sind schwerer machen, das Programm anzunehmen und mitzuwirken.
  • Darüber hinaus sollte das Instrument des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) grundsätzlich und bundesweit zur Bereitstellung weiterer Mittel eingesetzt werden. So können die für passive Leistungen eingepreisten Gelder für die Förderung langzeitarbeitsloser Menschen eingesetzt werden.

     

 

Rheinland-Pfalz investiert 9,8 Millionen Euro in Weiterbildung 2024
Rheinland-Pfalz stellt den anerkannten Weiterbildungsträgern im Land im Rahmen der Grund- und Angebotsförderung im Jahr 2024 mehr als 9,8 Millionen Euro zur Verfügung. Das teilte Weiterbildungsminister Alexander Schweitzer gestern in Mainz mit....
Rheinland-Pfalz fördert Weiterbildungsprojekte mit bis zu 90 Prozent
Neue Förderrichtlinie für Weiterbildungsprojekte in Rheinland-Pfalz Ab dem Jahr 2024 können Träger von Weiterbildungsprojekten in Rheinland-Pfalz mit einer signifikanten Erhöhung der finanziellen Unterstützung durch die Landesregierung rechnen....
Sächsisches Förderprogramm »Berufliche Weiterbildung«
Berufliche Weiterbildung in Sachsen: Starkes Interesse an neuem Förderprogramm Seit Ende Oktober 2023 bietet die Sächsische Aufbaubank das Förderprogramm »Berufliche Weiterbildung« an. Dieses Programm zielt darauf ab, sowohl betriebliche als auch...

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • »Mein Bildungsraum« in der Kritik

    Kurzbesprechung des Artikels »Digitalisierung: Großprojekt des Bundes "Mein Bildungsraum" in der Kritik« von Dorothee Wiegand Der Artikel von Dorothee Wiegand (veröffentlicht auf heise.de) bietet einen umfassenden Überblick zum BMBF-Projekt »Mein...

  • Informatikunterricht in Deutschland: Große Fortschritte, aber noch viel zu tun

    Informatik-Monitor 2024/25: Fortschritte und Herausforderungen  Im Schuljahr 2024/25 werden fast drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler Informatik als Pflichtfach belegen. Das geht aus dem aktuellen Informatik-Monitor 2024/25 hervor, den die...

  • Bildungsplattform »Mein NOW«: Potenzial ungenutzt

    Portal »mein NOW«: Kritik an Usability und Zielgruppenansprache Die Bildungsjournalistin Gudrun Porath hat in einer Kolumne auf Haufe.de das Online-Portal »mein NOW« kritisch beleuchtet und kommt zu dem Schluss, dass die Weiterbildungsplattform »hinter den...

  • Anhörung zum AFBG: Experten für die Förderung beruflicher Weiterbildung

    Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG), der insbesondere der Stärkung der beruflichen Weiterbildung und Fachkräftesicherung dienen soll, ist bei einer öffentlichen...

  • Fünf Wege zu mehr Flexibilität: Empfehlungen für die nachschulische Bildung

    Übergänge in Ausbildung und Studium - Wie die Politik in Zeiten des Fachkräftemangels nachschulische Bildung gestalten muss Expert*innen plädieren für mehr Flexibilität in der nachschulischen Bildung Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einer großen...

 

 

.