Grüne fordern gerechtere Bildungspolitik
Für einen »bildungspolitischen Aufbruch« setzt sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ein
17 Jahre nach dem »PISA-Schock« und zehn Jahre nach dem Dresdener Bildungsgipfel bleibe die Bildungsrepublik in nahezu allen Bildungsbereichen noch immer deutlich hinter den Anforderungen an ein modernes, chancengerechtes und inklusives Bildungssystem zurück, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag. Die Fraktion bezieht sich dabei auf die zentralen Befunde des 7. Nationalen Bildungsberichts, der sich schwerpunktmäßig mit den Wirkungen und Erträgen von Bildung beschäftigt.
Daraus ergebe sich ein dringender Handlungsauftrag an die Bildungspolitik. Eine ungerechte Bildungspolitik und ein unzureichendes Bildungssystem spalteten die Gesellschaft in Gewinner und Verlierer, in Arme und Reiche. Zu wenige Menschen profitierten deshalb von den positiven Erträgen und Wirkungen von Bildung.
Obwohl die Bildungsbeteiligung insgesamt steige, entscheide in Deutschland noch immer die soziale, ethnische und regionale Herkunft oder eine Behinderung maßgeblich über die Zugangs- und damit Zukunftschancen von Menschen. Kinder aus Haushalten mit hohem Bildungsstand besuchten häufiger allgemeinbildende Schulen, erreichten wesentlich öfter einen Hochschulabschluss und beteiligten sich deutlich stärker am lebensbegleitenden Lernen beziehungsweise berufsbegleitender Weiterbildung als Menschen aus Familien ohne akademischem Hintergrund. Auch das Förderschulsystem und die bisher schlecht ausgebauten inklusiven Angebote an Regelschulen führten dazu, dass die große Mehrheit der behinderten Jugendlichen die Förderschule ohne Abschluss verließen und die meisten der übrigen Schüler nicht über den Hauptschulabschluss hinauskämen. Auch Staat und Gesellschaft gehörten zu den Verlierern dieser Chancenungleichheit: Menschen ohne Berufsabschluss seien häufiger arbeitslos und auch Frauen mit Kindern hätten mangels ausreichender Betreuungsangebote einen erschwerten Zugang zu Angeboten der Aus- und Weiterbildung sowie zum Arbeitsmarkt. In der Folge seien sie seltener erwerbstätig, verdienten weniger und würden der Wirtschaft damit auch als Fachkräfte fehlen.
Entschiedenes Handeln der Bildungspolitik werde umso dringlicher, da sich auch die Rahmenbedingungen für Bildung ändern würden. In manchen ländlichen Gebieten nehme die Zahl der Schüler seit Jahren ab. Gleichzeitig seien in strukturschwachen Regionen vor allem Grundschulen und berufliche Schulen geschlossen worden, was wiederum dazu führe, dass nicht mehr überall ein ausreichendes Bildungsangebot gewährleistet werden könne. Es sei die Aufgabe der Bildungspolitik, dass Jugendliche in der Nähe ihres Wohnortes zur Schule gehen können. Bildungseinrichtungen stünden heute aber auch jenseits der unterschiedlichen regionalen Entwicklungen zunehmend vor komplexen Herausforderungen. Sowohl der Zuwachs an Bildungsteilnehmern als auch die steigende Heterogenität in der Gesellschaft stelle Kitas, Schulen, Betriebe und Hochschulen vor die Aufgabe, ihre Angebote so zu gestalten, dass den unterschiedlichen Bedürfnissen und Potentialen Rechnung getragen werden könne.
Die Grünen fordern die Bundesregierung unter anderem auf, die Empfehlungen des Nationalen Bildungsberichts für mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland gemeinsam mit den Ländern unverzüglich umzusetzen. Dafür sei das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Grundgesetzes zu nutzen, um die verfassungsrechtliche Grundlage für einen modernen Bildungsföderalismus zu schaffen. Über die vorgeschlagene Öffnung des Artikels 104c GG hinaus müsse dauerhafte Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen möglich werden, damit inklusive Bildungsangebote und flächendeckender Ganztag, herkunftsunabhängige Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit sowie Digitalisierung in allen Bildungsbereichen erfolgreicher gestaltet werden könne. Es müsse sichergestellt werden, dass das Sieben-Prozent-Ziel bei Ausgaben für Bildung schrittweise bis 2025 erreicht werde. Auf der Basis einer neu geschaffenen Kooperationsklausel müsse gemeinsam mit den Ländern eine umfassende Qualifizierungsoffensive für mehr pädagogisches Fachpersonal an Kitas, Grundschulen sowie allgemeinbildenden und beruflichen Schulen auf den Weg gebracht werden. Nur mit ausreichend gut ausgebildetem Personal in allen Bildungsinstitutionen könne Chancengerechtigkeit entlang der gesamten Bildungskette gesichert werden. Zudem soll auf Basis einer neu geschaffenen Kooperationsklausel gemeinsam mit den Ländern und Kommunen der Ganztagsausbau an allen Schulformen entschieden vorangetrieben werden, um ein flächendeckendes Angebot garantieren zu können.
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