Baden-Württemberg fordert neuen Bildungsstaatsvertrag für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit

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Schulklasse

Der Bildungsföderalismus in Deutschland muss sich neu erfinden, findet Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann, und fordert einen neuen Länderstaatsvertrag. Im Sinne eines kooperativen Bildungsföderalismus müssen die Unterschiede zwischen den Ländern kleiner werden. Mehr Vergleichbarkeit und Bildungsgerechtigkeit sind das gemeinsame Ziel.

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich in Umfragen regelmäßig gegen den Föderalismus im Bildungswesen aus. »Die eklatanten Unterschiede zwischen den Ländern sind niemandem zu erklären. Die Menschen fordern zu Recht mehr Vergleichbarkeit und Bildungsgerechtigkeit«, sagt Dr. Susanne Eisenmann, baden-württembergische Kultusministerin und Koordinatorin der unionsgeführten Bildungsministerien innerhalb der Kultusministerkonferenz (KMK).

»Damit meine ich jedoch nicht, dass wir die föderalen Strukturen aufweichen oder gar abschaffen sollten, ganz im Gegenteil. Populär ist es zwar, bei Problemen nach einer zentralen Lösung - und Zuständigkeit - des Bundes zu rufen. Doch die jüngsten Erfahrungen zeigen uns, dass es weder schneller noch besser läuft, wenn der Bund das Ruder übernimmt«, sagt Eisenmann mit Blick auf den Digitalpakt. Die Länder seien nun am Zug. »Der Bildungsföderalismus muss sich neu erfinden und wir Länder müssen für seine Daseinsberechtigung kämpfen. Wenn der Satz ‚Bildung ist Ländersache‘ nur noch Kopfschütteln auslöst, dann ist es höchste Zeit zu handeln«, so die Ministerin.

Mehr Transparenz, Qualität, Vergleichbarkeit der Schulsysteme
Seit Anfang des Jahres 2018 setzt sich Eisenmann deshalb innerhalb der KMK für einen Länderstaatsvertrag im Sinne eines kooperativen Bildungsföderalismus ein. Mit dem Staatsvertrag verfolgen die Länder das gemeinsame Ziel, Transparenz, Qualität, Vergleichbarkeit der Schulsysteme und daraus erwachsende Mobilität sowie gerechte Chancen in der Bildung zu verbessern. Das baden-württembergische Kultusministerium ist eine treibende Kraft bei diesem Vorhaben und koordiniert den Prozess für die B-Seite. »Ein Staatsvertrag ist ein wirksames Instrument, um beispielsweise gemeinsame Standards für Schulabschlüsse oder für die Lehrerbildung in allen Ländern einheitlich und verbindlich zu regeln«, so Eisenmann.

Da einem Staatsvertrag alle 16 Landesparlamente zustimmen müssen und dieser abschließend von allen Regierungschefs der Länder ratifiziert werden muss, hat dieses Instrument eine sehr hohe Verbindlichkeit. »Durch die Zustimmung der Landesparlamente wird der Staatsvertrag in den Rang eines Landesgesetzes erhoben. Das bedeutet auch eine Stärkung der Parlamente, da es die Abgeordneten sind, die letztlich über den Staatsvertrag entscheiden«, sagt die Ministerin.

Ausgehend von den Zielen Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit der Schulsysteme haben die Länder in den vergangenen Monaten gemeinsam intensiv über die Inhalte beraten, die in einem Staatsvertrag berücksichtigt werden sollen. Folgende zehn Themenfelder werden nun in Ländergruppen konkret ausgearbeitet: Standards für Schulabschlüsse, Bildungsmonitoring, Bildungsstatistik, Lehrerbildung/Mobilität, berufliche Bildung, Schulpflicht, Inklusion, Integration, Lernen in der digitalisierten Welt und die Bezeichnung der Schularten in der Sekundarstufe I. Die Ländergruppen werden noch in diesem Jahr die Vorarbeiten für den Staatsvertrag aufnehmen und gemeinsam einen Entwurf vorbereiten. Ziel ist, bis Herbst 2020 einen Staatsvertrag auszuarbeiten, um diesen in die Landesparlamente einbringen zu können.

Starkes Bekenntnis zum Bildungsföderalismus
Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann: »Ich kenne bis heute kein überzeugendes Argument, wieso der Bund auf einmal eine bessere Bildungspolitik machen sollte als die Länder. Er wäre vielmehr heillos überfordert damit. Was wir hingegen brauchen ist mehr Vergleichbarkeit und mehr verbindliche, qualitätsorientierte Zusammenarbeit in unserem Bildungswesen mit starken Ländern. Dafür brauchen wir keine Grundgesetzänderung und keinen Zentralstaat, der regionale Besonderheiten einebnet und der viel zu weit weg von den Bürgern und ihren Bedürfnissen ist. Ich bekenne mich zutiefst zum Föderalismus als einer Grundsäule unserer im Grundgesetz verankerten staatlichen Ordnung. Ein Länderstaatsvertrag für die Bildung ist ein deutliches Bekenntnis zu den Stärken des Bildungsföderalismus«, sagt Ministerin Eisenmann.

Staatsvertrag knüpft an Beschlüsse und Empfehlungen der KMK an
Dieser Staatsvertrag knüpft an das an, was die Kultusministerkonferenz inhaltlich bereits vereinbart hat. Die KMK hat in den vergangenen Jahren immer wieder Beschlüsse gefasst, Empfehlungen formuliert und Vereinbarungen getroffen zu mehr Einheitlichkeit und Durchlässigkeit in der Bildung, die in den Ländern jedoch teilweise unterschiedlich umgesetzt wurden. So hat die KMK Bildungsstandards für die Primarstufe, für die Sekundarstufe I und für die Abiturprüfung in Kraft gesetzt. Ebenso gibt es bereits einen gemeinsamen Aufgabenpool der Abituraufgaben oder Vergleichsarbeiten, die in allen Ländern eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt es eine Vereinbarung über Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I. »Bislang ist es so, dass der Einsatz dieser Instrumente ein Stück weit ins Belieben der Länder gestellt ist. Nicht alle machen alles, die Vergleichbarkeit der Bildungswege und der Abschlüsse leidet darunter. Deshalb werden wir mit dem Staatsvertrag für eine höhere Durchlässigkeit von Bildungsgängen zwischen den Ländern, für mehr Verbindlichkeit und damit auch für mehr Verlässlichkeit im Bildungsföderalismus sorgen«, so Eisenmann.

Das Hamburger Abkommen
Im Bildungsföderalismus gibt es bislang eine wirksame Klammer für Vergleichbarkeit im allgemeinen Schulwesen der Länder, das 1964 von den Ministerpräsidenten verabschiedete und später mehrfach ergänzte Hamburger Abkommen.

Das Hamburger Abkommen ist eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer mit dem Ziel, das allgemein bildende Schulwesen in der Bundesrepublik Deutschland zu vereinheitlichen. Es wurde von der Kultusministerkonferenz erarbeitet und am 28. Oktober 1964 verabschiedet. Es ist mit mehreren nachträglichen Ergänzungen bis heute eine wesentliche Grundlage der gemeinsamen Grundstruktur des deutschen Bildungswesens. Das Hamburger Abkommen enthält allgemeine Bestimmungen über die Dauer von Schuljahr, Schulpflicht und Ferien. Es definiert einheitliche Bezeichnungen im allgemein bildenden Schulwesen. Die Grundschule wird zum Beispiel für alle Schüler als verbindliche Primarstufe festgelegt. Das Abkommen trifft bundeseinheitliche Regelungen zur Fremdsprachenfolge innerhalb der Schularten, zur Bezeichnung der Zeugnisnoten sowie zur wechselseitigen Anerkennung von Zeugnissen und Lehramtsprüfungen.

 

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