Weiterbildungstrend »Datenschutz«
Wie die DSGVO einen Nachfrageboom nach Datenschutz-Seminaren auslöst
Erst war sie in aller Munde, jetzt ist es ein bisschen ruhig um die DSGVO geworden, fast schon ein bisschen zu ruhig. 2018 war eindeutig das Jahr der Datenschützer. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Panik bei Unternehmen, Behörden und privaten Website-Betreibern kurz vor dem 25. Mai aus. Stichtag. Mit der Panik schnellten auf dem Weiterbildungsportal kursfinder.de die Seitenaufrufe in die Höhe: Die Zugriffe auf die Seminarangebote im Bereich Datenschutz nahmen rasant zu. Ein echter Boom für Weiterbildungsanbieter, die sich zeitnah mit ihrem Angebot auf die DSGVO eingestellt hatten.
»Datenschutz« ist nur eine der zahlreichen Kategorien, die auf kursfinder.de unter der Hauptkategorie »Recht« gelistet sind. 2018 ist es die populärste: Rund 71.500 Seitenaufrufe erfolgen im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2018 – mehr als 200 % mehr als im Vorjahr. Um den Stichtag 25. Mai jedoch gibt es bei den Nutzern der Plattform kein Halten mehr: Knapp 13.500 Mal rufen sie zwischen dem 1. und 31. Mai die Seite auf (eine Steigerung von fast 650 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Rund 4.300 Mal dient die Unterkategorie »Datenschutz« als Einstiegsseite – ein immenser Unterschied zu den Jahren zuvor.
Die immense Nachfrage nach Datenschutz-Seminaren spiegelt sich in sämtlichen Statistiken wider, die das Weiterbildungsportal auswerten kann. »Ich kann mich nicht erinnern, dass es so einen Run auf eine bestimmte Unterkategorie bei uns schon mal gegeben hätte. Wir sind mit unseren Angeboten ja extrem breit aufgestellt«, sagt Ingmar Bertram, Chefredakteur von kursfinder.de. Weit über 20.000 Seminarangebote sind auf dem Portal zu finden. Im Mai 2018 landen allein vier Datenschutzkurse in den Top-Ten der populärsten Kurse, drei davon auf den vorderen drei Rängen. Zwei davon behaupten sich dort das ganze Jahr über.
Kapazitätsgrenzen erreicht
Die Tatsache, dass jedes datenverarbeitende Unternehmen mit mehr als 10 Personen seit 25. Mai einen Datenschutzbeauftragten braucht, spielt Seminaranbieter Kedua GmbH in die Hände. Mehr als 2.300 Mal wird sein Kurs »Ausbildung betrieblicher Datenschutzbeauftragter« auf kursfinder.de aufgerufen. »Im Zeitfenster April bis Oktober zeichnete sich eine enorme Nachfragespitze ab. Selbst wir als langjähriger Seminaranbieter stießen teilweise an unsere Kapazitätsgrenzen«, gesteht Ralf Schulze, Datenschutzexperte und Geschäftsführer des Seminaranbieters Kedua GmbH.
Inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt. Allerdings beobachten er und sein Team derzeit einen Trend, der nicht ganz ungefährlich ist: »Da die richtig großen Bußgelder bisher ausgeblieben sind, verfallen einige Unternehmen wieder in eine abwartende Haltung«. Viele Unternehmen hätten zwar bereits an der Umsetzung der DSGVO gearbeitet, bei vielen bestehe aber nach wie vor Handlungsbedarf, weiß Ralf Schulze, der bereits das nächste Thema auf Unternehmen zurollen sieht: die E-Privacy-Verordnung: »Sie wird nach heutigen Schätzungen für Ende 2019 beziehungsweise 2020 erwartet. Zur Vermeidung einer zweiten Panikwelle sollte die Umsetzung dann nach Verabschiedung der Verordnung durch den europäischen Gesetzgeber zügig angegangen werden«.
Öffentliche Datenpannen begünstigen Kursbuchungen
Der Kompaktkurs »Datenschutz – Datenschutzbeauftragter DSGVO« des Mitbewerbers PC-COLLEGE erfreut sich auf kursfinder.de ähnlicher Beliebtheit wie der von der Kedua GmbH. »Die Anfragen zu Datenschutzkursen ab April letzten Jahres haben unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben unser Angebot angepasst und deutlich mehr Datenschutz-Seminare eröffnet, als ursprünglich geplant. Um alle Kundenanfragen zu bedienen, haben wir unseren Trainerpool aufgestockt und uns einen Datenschutz-Experten als Berater ins Haus geholt. So sind wir dem Anfrageansturm gerecht geworden«, berichtet Alain Barthel, Handelsrichter am Landgericht Berlin und Geschäftsführer des Weiterbildungsanbieters PC-COLLEGE. Die DSGVO sei, obwohl es sie schon zwei Jahre gab, doch für viele überraschend gekommen.
Der erste Schrecken hat sich mittlerweile gelegt. Die befürchtete Abmahnwelle ist bisher nicht eingetroffen, jedoch wurden die ersten Bußgelder nach der neuen Datenschutzgrundverordnung erhoben. Nach einer Umfrage des Handelsblatts unter den Datenschutzbeauftragten der Länder ergingen bisher bundesweit in 41 Fällen Bußgeldbescheide. Alain Barthel rechnet damit, dass diese Zahl steigt und erklärt, die Regulierung werde strenger und bereits ausgesprochenen Verwarnungen würden Bußgelder folgen.
Was Datenschutzkurse anbelangt, sei das Buchungsverhalten inzwischen wieder auf den Normalzustand zurückgegangen, berichtet der Geschäftsführer von PC-COLLEGE. »Es gibt jedoch immer dann eine erhöhte Nachfrage, wenn öffentlich eine Datenpanne auftaucht«, merkt Alain Barthel an. Lassen sich auch Trends für Datenschutz-Weiterbildungen in der Zukunft abzeichnen? »Ja, es tauchen Fragen auf wie ,Wie schnell wird man bei einer Datenpanne informiert?’ und ,Was muss dann passieren?’. Dazu bieten wir schon Kurse an. Die Nachfrage ist jedoch noch überschaubar«, verrät der Handelsrichter.
Mehr Pflichten führen nicht zwangsläufig zu besserem Datenschutz
Mit der Einführung der DSGVO und dem Umsetzen erster Maßnahmen sei es für Unternehmen noch nicht getan, rät Ulf Neumann dazu, am Ball zu bleiben. Der Rechtsanwalt und geprüfte Datenschutzbeauftragte leitete das drittbeliebteste Datenschutz-Seminar des Portals kursfinder.de im vergangenen Jahr: »Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung« vom FFD – Forum für Datenschutz. Neumann sieht die DSGVO zwiegespalten. Einerseits begrüßt er, dass die Sensibilität der verantwortlichen Stellen durch die höheren Bußgelder, die jetzt bei Verstoß verhängt werden, gestiegen ist. Andererseits sei man an manchen Stellen über das Ziel hinausgeschossen. »Die Einführung von zusätzlichen Pflichten führt nicht zwangsläufig zu einem besseren Datenschutz«, äußert sich der Rechtsanwalt kritisch zu den Informationspflichten.
Die Panik, die ausbrach, als sich der 25. Mai 2018 näherte, hat Ulf Neumann in seinen Seminaren leibhaftig erlebt. »Viele Pflichten waren nicht neu, europäisches Datenschutzrecht gibt es ja schon seit 1995. Zum Teil fußte die Panik aber darauf, dass niemand wusste, wie die Aufsichtsbehörden reagieren würden«, berichtet er und kann keine Entwarnung geben: Viele Themen seien nach wie vor ungeklärt. Normen und Standards in Sachen Datenschutz seien gerade erst im Entstehen. Die Ansichten der Aufsichtsbehörden sind teils noch unklar, auch auf deren Seite werde erst mal abgewartet. »Die Behörden werden sich überlegen und abstimmen müssen, wie sie mit einzelnen Bereichen umgehen: Beim Verarbeitungsverzeichnis etwa gibt es nach wie vor keine Konkretisierung auf europäischer Ebene«, weiß der geprüfte Datenschutzbeauftragte, dass das Thema auch in Zukunft spannend bleiben wird. »Alle, die ein Seminar belegt haben, müssen dran bleiben und beobachten, was an Stellungnahmen und Urteilen folgt«.
Zeit für Datenschutzmanagement
Weil es aktuell hinsichtlich der DSGVO ruhig ist, äußert Ulf Neumann ähnliche Bedenken wie Ralf Schulze von der Kedua GmbH: »Es besteht die Befürchtung, dass das Thema ein bisschen versandet«. Dabei sei es jetzt an der Zeit für Datenschutzmanagement: Funktioniert das, was man umgesetzt hat, auch wirklich? Wo gibt es Optimierungsbedarf? In großen Unternehmen zeichnet sich seiner Meinung nach bereits ein Trend ab: Dort würde über technische Themen und Sicherheitslücken nachgedacht. »Mit der DSGVO wurde die Meldepflicht für Datenschutzpannen verschärft: Man muss sich selbst anzeigen. Davor haben viele Angst«, weiß Ulf Neumann, dass sich Weiterbildungsanbieter hier verstärkt mit Seminaren rüsten. Auch Zertifikate und Gütesiegel in Sachen Datenschutz wolle man stärken.
So schnell wird das Thema also nicht abreißen. Mit dem nächsten Nachfrageboom können Weiterbildungsanbieter schon jetzt rechnen: Es ist zwar noch ungewiss, wann die E-Privacy-Verordnung kommt. Aber eins ist sicher: Sie wird kommen…
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