Wie MINT-Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen gestärkt werden können

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)
MINT in der GrundschuleQUELLE: MINT-Nachwuchsbarometer 2019

Regelmäßig belegen Studien, dass in Deutschland ein MINT-Fachkräftemangel herrscht. Ein Problem für den Innovationsstandort, das ganzheitlich behandelt werden muss. Das MINT Nachwuchsbarometer 2019 von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Körber-Stiftung zeigt, an welchen Stellen im Bildungsverlauf man ansetzen muss, um die Kompetenzen und Interessen von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu stärken.

Wo liegen die Ursachen für den fehlenden MINT-Fachkräftenachwuchs? Und was kann man dagegen unternehmen? Diesen Fragen geht das MINT Nachwuchsbarometer 2019 von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Körber-Stiftung nach. Die Studie zeigt anhand ausgewählter Indikatoren auf, welche Anstrengungen im Bildungssystem für eine qualitativ bessere MINT-Bildung unternommen werden müssen, damit der Innovationsstandort Deutschland auch in Zukunft von gut ausgebildeten MINT-Fachkräften profitieren kann.

  • Frühe Bildung
    Im Elementarbereich (Kindertagesstätten, Krippen, Vorschulen) werden die Grundlagen für den späteren schulischen Erfolg gelegt, darauf weisen Studien immer wieder hin. Umso wichtiger ist es, dass das Betreuungspersonal den Kindern schon in dieser Phase das Interesse an MINT-Themen vermittelt. Effektive Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte sind von großer Bedeutung, da diese in der Ausbildung nur wenig mit MINT in Berührung kommen. Initiativen wie das »Haus der kleinen Forscher« (HdkF) bieten entsprechende Weiterbildungen an. Ihr Angebot wird in den letzten Jahren immer besser angenommen: Seit 2013 ist die Anzahl der vom »Haus der kleinen Forscher« zertifizierten Einrichtungen von rund 3.500 auf über 4.800 Kitas gestiegen. Ziel bis 2025 sollte es sein, zwei Drittel der Kinder mit Initiativen wie dem HdkF zu erreichen.
  • Grundschule
    Blickt man auf die Ergebnisse der letzten TIMSS (Trends in Mathematics and Science Study), unterschritt fast ein Viertel (23,3 Prozent) der Schülerinnen und Schüler in Deutschland die Mathematik-Leistungen, die am Ende der 4. Klasse erwartet werden. Die Leistungsstärke der Schülerinnen und Schüler variiert dabei stark nach Bundesland, was auch auf unterschiedliche Lehrpläne zurückzuführen ist. Die Bundesländer sollten daher stärker in einen Austausch treten und gemeinsam konkrete Ziele sowie verbindlichere Vorgaben für MINT in den Lehrplänen entwickeln.
  • Sekundarstufe
    Informatische Kompetenzen beziehen sich u.a. auf die Fähigkeit, Technologien zur Recherche von Informationen (z. B. im Internet) zu nutzen und diese im Hinblick auf ihre Qualität zu bewerten. Darüber hinaus vermittelt informatische Bildung ein Verständnis über die Funktionsweise digitaler Systeme, was für eine mündige und aktive Teilhabe an der zunehmend digitalisierten Gesellschaft unabdingbar ist. In der ICILS (International Computer and Information Literacy Study) werden informatische Kompetenzen erfasst, aber auch schulische und außerschulische Faktoren in diesem Kontext identifiziert. Laut der Studie erreichen etwa 30 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland nur die niedrigsten Kompetenzstufen. Hier gilt es anzusetzen und informatische Kompetenzen im Unterricht stärker zu fördern. Dazu bieten sich auch Kooperationen mit außerschulischen Partnern (z.B. regionale MINT-Netzwerke) an, die MINT-Bildung stärker aus der Praxisperspektive vermitteln können. Auch die Lehrerinnen und Lehrer würden von diesen Kooperationen profitieren und ihr MINT-Wissen erweitern.
  • Ausbildung
    Bei den dualen Ausbildungsberufen im MINT-Bereich gibt es aktuell mehr Bewerberinnen und Bewerber als freie Ausbildungsplätze – und dennoch steigt die Zahl der unbesetzten Stellen: Blieben im Jahr 2009 insgesamt 2.700 sozialversicherungspflichtig MINT-Ausbildungsplätze unbesetzt, waren es im Jahr 2017 bereits 12.200 vakante Plätze. Dieser Anstieg ist aus Sicht der Ausbildungsbetriebe auch durch die unzureichende schulische Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber zu erklären. Die gezielte Qualifizierung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, z.B. im Rahmen einer einjährigen dualisierten Ausbildungsvorbereitung oder von sechs- bis zwölfmonatigen Praktika, könnte zur Integration schwächer qualifizierter Jugendlicher in die Betriebe beitragen.
  • Lehramtsstudium
    Während Frauen deutlich häufiger als Männer die Lehramtsstudiengänge Biologie und Mathematik belegen, sind sie in anderen MINT-Fächern unterrepräsentiert: In Physik lag der Frauenanteil im Wintersemester 2017/18 bei 38 Prozent, in Informatik sogar nur bei 31 Prozent. Dabei kann gerade die Präsenz von Lehrerinnen wichtig sein, um Mädchen schon in der Schule für diese Fächer zu begeistern. Bei der Bewerbung dieser Studiengänge sollten Frauen daher stärker adressiert werden, z.B. indem man den gesellschaftlichen Nutzen von Fächern wie Physik und Informatik mehr in den Vordergrund rückt.

»Im gesamten Bildungssystem gibt es Möglichkeiten, MINT-Bildung zu fördern. Wichtig ist die ganzheitliche Behandlung des Problems. Denn was nützt es, wenn in der frühen Bildung Begeisterung für MINT vermittelt wird, dann aber in der Sekundarstufe II das Fach Informatik aufgrund von Lehrermangel nicht angeboten wird?«, fragt acatech Mitglied und Projektleiter Olaf Köller, Leiter des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN). Er sieht darüber hinaus großen Nachholbedarf beim Thema MINT und Gender: »Immer noch gibt es zu wenige MINT-Role Models für Mädchen. Der im MINT Nachwuchsbarometer dargestellte ‚Draw a Scientist‘-Test beispielsweise zeigt: Auch heute noch haben Kinder das Bild eines alten weißen Mannes im Kopf, wenn sie sich einen typischen Wissenschaftler vorstellen. Weibliche Vorbilder in der Wissenschaft, aber auch in den Bildungseinrichtungen tragen dazu bei, dass dieses Stereotyp nach und nach aus den Köpfen verschwindet«.

acatech Präsident Dieter Spath betont die Wichtigkeit von MINT für den Innovationsstandort Deutschland: »Egal, ob wir über die digitale Transformation, die Biotechnologie-Revolution, die Energie- oder die Mobilitätswende reden: Keines dieser Zukunftsthemen kommt ohne MINT aus. Wir brauchen also Menschen, die MINT können – die diese Zukunftsthemen verstehen und mitgestalten. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen für Innovation und Wohlstand in Deutschland«.

Lothar Dittmer, Vorsitzender des Vorstands der Körber-Stiftung, appelliert an die gemeinsame Verantwortung für gute MINT-Bildung: »Wir können eine weit größere und nachhaltigere Wirkung erzielen, wenn wir die gesamte Bildungskette in den Blick nehmen und gemeinsame Ziele definieren. Vor allem dürfen wir aber die Schulen mit der Aufgabe, eine zukunftsfähige Bildung auch für den MINT-Bereich zu entwickeln, nicht alleine lassen. Es bedarf einer Öffnung von Schulen und einer stärkeren Vernetzung mit außerschulischen Lernorten und Initiativen«.

Hintergrund
Das MINT Nachwuchsbarometer ist ein bundesweiter Trendreport. Der Bericht versammelt und kommentiert die wichtigsten Zahlen, Daten und Fakten zur Nachwuchssituation im MINT-Bereich von der frühen Bildung bis zur beruflichen Ausbildung und zum Studium. Der kompakte Überblick liefert eine empirisch fundierte Planungs- und Entscheidungshilfe für die Verantwortlichen in Bildung, Politik und Wirtschaft. Das MINT Nachwuchsbarometer wird von der Körber-Stiftung und acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gemeinsam herausgegeben und vom IPN – Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik erstellt.

    

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