Arbeitswelt 4.0: Digitalisierung und Automatisierung erfordern neue Bildungsstrategien
Hochschul-Bildungs-Report bestätigt Stagnation beim Thema Weiterbildung und Lehrerbildung * Digitalisierung und Automatisierung erfordern neue Bildungsstrategien
Weiterbildung und Lehrerbildung an deutschen Hochschulen stagnieren und sind zu wenig auf die Zukunft ausgerichtet. Im Weiterbildungsbereich etablieren sich mittlerweile immer mehr so genannte Education-Start-ups und Online-Plattformen auf dem Markt, von denen Hochschulen viel lernen können. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Hochschul-Bildungs-Report von Stifterverband und McKinsey&Company.
Eine Umfrage unter 600 Unternehmen für den Report hat ergeben: Der deutschen Wirtschaft fehlen etwa 700.000 Tech-Spezialisten bereits in den kommenden fünf Jahren. Und: Jeder vierte Erwerbstätige aus der Wirtschaft hat (Nach-)Schulungsbedarf in digitalen und nicht-digitalen Schlüsselqualifikationen. In diesen Markt drängen aktuell Education-Start-ups und Online-Plattformen mit attraktiven Angeboten.
Hochschulen können von Education-Start-ups lernen
Der Hochschul-Bildungs-Report untersucht erstmals genauer den Erfolg von Education-Start-ups und zeigt die Faktoren auf, die Hochschulen bei ihrer Entwicklung von neuen Weiterbildungsangeboten beachten sollten: Neben Ausbildung und Forschung sollten Hochschulen Weiterbildung als dritte Säule ihrer Aufgaben strategisch weiterentwickeln. Dafür ist auch die verstärkte Kooperation mit Education-Start-ups sinnvoll. Diese punkten vor allem durch eine hohe Anwendungsorientierung und durch innovative Erlösmodelle. Das Lernen ist projektbasiert, individualisiert und praxisnah. Die Erlösmodelle halten die monetäre Hemmschwelle meist niedrig und reichen von Freemium-Modellen (Bezahlen nur für Premium-Inhalte) über Abonnements bis hin zur Bezahlung nach Kurserfolg.
Weiterbildungslandschaft öffnen und digital vernetzen
Angesichts der politischen Debatte, digitale Bildungsplattformen zu etablieren, analysiert der Report verschiedene Plattform-Szenarien. Fazit: Einzelne private und öffentliche Online-Weiterbildungsangebote – von Unternehmen oder Bundesländern initiiert – werden den neuen Anforderungen der Arbeitswelt nicht gerecht. Anschlussfähige Plattformen für digitale Hochschulbildung, die ein Zusammenwirken aller Insellösungen ermöglichen, sollten entwickelt werden. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass durch solche Plattformen die einzelnen fragmentierten Bildungsangebote leicht auffindbar und intelligent miteinander vernetzt sind. In diesem Sinne sind nationale Vorhaben auch mit entsprechenden europäischen Initiativen zu verzahnen.
Wenige Fortschritte beim Hochschul-Bildungs-Index
Auf seiner Skala von 0 bis 100 Punkten erreicht der Hochschul-Bildungs-Index 2017 lediglich 46 Punkte. Das ist im Jahresvergleich ein Plus von fünf Punkten. Das Ziel von 70 Punkten, das für sechs Handlungsfelder für das Jahr 2017 gesetzt wurde, wird damit verfehlt. Diese Zahl erreicht nur ein Handlungsfeld: die internationale Bildung mit 75 Punkten.
Mit 47 beziehungsweise 40 Punkten liegen die Indikatoren für ein chancengerechtes und durchlässiges Bildungssystem im Mittelfeld. Der Bereich der MINT-Bildung konnte mit einem Plus von 6 Punkten zwar etwas überdurchschnittlich zulegen, bleibt mit 41 Punkten aber ebenfalls weit hinter der Zielsetzung von 70 Punkten zurück.
Schlusslichter: Lehrer-Bildung und Weiterbildung
Schlusslichter bilden die Handlungsfelder Lehrer-Bildung (30 Punkte) und Weiterbildung/Quartäre Bildung (31 Punkte). Im Bereich Lehrer-Bildung lag der Anteil der Studienanfänger in den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) im Jahr 2017 bei 26,8 Prozent und somit unter dem Basiswert von 29,0 Prozent in 2010. Der geringe Anteil der Informatik-Studierenden an allen Lehramtsanfängern ist rückläufig, weitere zentrale Indikatoren stagnieren: Das Grundschullehramt bleibt weiblich, das Lehramt insgesamt ist wenig divers.
Im Bereich Weiterbildung hat sich fast kein Indikator groß bewegt. Der Anteil der Studierenden im Teilzeit-, Fern- oder Weiterbildungsstudium verharrt auf niedrigem Niveau. Der Anteil der berufsbegleitenden Masterstudiengänge hat sich seit 2013 fast verdoppelt. Dagegen ist der Anteil an weiterbildenden Masterstudiengängen rückläufig. Diese Entwicklung ist unzureichend, zumal die Nachfrage von Arbeitnehmern nach akademischen Weiterbildungsmöglichkeiten und nach Möglichkeiten, berufsbegleitend zu studieren, in den nächsten Jahren stark zunehmen wird.
Hintergrund
Der Hochschul-Bildungs-Report erscheint seit 2013 jährlich. Er liefert messbare Ziele für das Jahr 2020, die im Dialog mit Experten aus den Stifterverbands-Mitgliedsunternehmen, Wissenschaftsorganisationen und Vertretern der Zivilgesellschaft formuliert wurden. Er gibt Empfehlungen, wie diese Ziele zu erreichen sind. Dazu wird jedes Jahr der Status quo des Hochschulsystems in sechs Handlungsfeldern – Chancengerechte Bildung, Internationalität, Beruflich-akademische Bildung, Quartäre Bildung, MINT Bildung, Lehrer-Bildung – anhand von 70 Indikatoren analysiert.
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