OECD-Studie zu Fachkräften in der frühkindlichen Bildung
Deutschlands Kita-Fachkräfte sind zwar gut ausgebildet, haben aber dennoch einen hohen Weiterbildungsbedarf
Deutschlands Fachkräfte in der Kinderbetreuung sind vergleichsweise gut für ihre Arbeit ausgebildet, sehen aber Bedarf für mehr Weiterbildung, um besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehört etwa der Umgang mit Kindern mit besonderem Förderbedarf oder mit Kindern, die zu Hause kein oder kaum Deutsch sprechen. Zudem wünschen sie sich mehr gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit. Leitungskräfte üben häufig ihre anspruchsvolle Tätigkeit aus, ohne für die Verwaltung oder Teamleitung in einer Kinderbetreuungseinrichtung ausgebildet zu sein. Dies zeigt eine neue OECD-Studie zur frühkindlichen Bildung, die heute veröffentlicht wurde.
Der Studie »Providing Quality Early Childhood Education and Care« liegt die erste internationale Erhebung in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung aus Sicht der Fachkräfte zugrunde (»TALIS Starting Strong«). Für die Studie wurden 15.000 pädagogische Fachkräfte sowie 3.000 Leitungskräfte in Deutschland, Chile, Dänemark, Island, Israel, Japan, Korea, Norwegen und der Türkei befragt.
»Qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und Erziehung ist für die Kinder, ihre Familien und die Gesellschaft immens wichtig. Gleichzeitig wussten wir bisher nur wenig über die hier tätigen Fachkräfte und ihre tagtäglichen Erfahrungen«, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher.
Während in Deutschland 97 Prozent der Ü3-Fachkräfte (für Kinder über drei Jahren) und 95 Prozent der U3-Fachkräfte (für Kinder unter drei Jahren) speziell für die Arbeit mit Kindern ausgebildet sind, ist dieser Anteil in allen anderen untersuchten Ländern geringer – mit 64 Prozent am geringsten in Island.
Wer speziell für die Arbeit mit Kindern ausgebildet ist und ein höheres Bildungsniveau hat, wendet eine größere Bandbreite von Methoden an, die die kindliche Entwicklung fördern. Deshalb spielt die Ausbildung, aber auch die Weiterbildung für die Qualität der frühkindlichen Bildung eine wichtige Rolle. Gerade in Bezug auf die Weiterbildung sehen viele deutsche Fachkräfte aber noch Nachholbedarf. Eine Mehrheit wünscht sich vor allem Weiterbildungsmaßnahmen für den Umgang mit Kindern, die einen fremdsprachlichen Hintergrund haben, sowie für den Umgang mit Kindern, die besonderen Förderbedarf haben. In über 40 Prozent der Kindertagesstätten in Deutschland haben mindestens elf Prozent der Kinder einen fremdsprachlichen Hintergrund – das ist der höchste Wert im Vergleich der neun untersuchten Länder.
Unter den Leiter*innen von Kitas und Kindergärten (Ü3) haben nur 79 Prozent einen Bildungsabschluss auf Fachschul- bzw. Bachelor-Niveau oder darüber und nur ein Drittel von ihnen ist nach eigener Aussage für die Verwaltung und pädagogische Leitung einer Kinderbetreuungseinrichtung speziell ausgebildet worden.
Deutschlands Kita-Personal fehlt die soziale Anerkennung
Gemein ist allen untersuchten Ländern, dass frühkindliche Bildung noch immer eine Frauendomäne ist. Über 95 Prozent der Fachkräfte sind Frauen – diese Zahl gilt auch für Deutschland. Ein ebenfalls länderübergreifendes Merkmal ist die hohe Berufszufriedenheit unter den Fachkräften. In Deutschland sagen 93 Prozent der Ü3-Fachkräfte, sie seien insgesamt zufrieden. Gleichzeitig ist nur rund ein Viertel der deutschen Fachkräfte mit seinem Gehalt zufrieden und nur 36 Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer Rolle gesellschaftlich anerkannt. Dass sich die mangelnde Anerkennung auf die Qualität der Betreuung auswirken kann, zeigt ein weiteres Ergebnis der Studie: Diejenigen, die sich in ihrer Rolle anerkannt fühlen, wenden nach eigener Aussage häufiger individuell auf die Kinder zugeschnittene Lern- und Fördermaßnahmen an.
Deutsche Fachkräfte berichten nicht nur besonders häufig von mangelnder Anerkennung, sondern auch häufiger als in den anderen untersuchten Ländern von erhöhter Arbeitsbelastung durch Aufgaben, die ihnen zugeteilt werden, weil Kolleginnen oder Kollegen abwesend sind.
Die starke Belastung zeigt sich auch bei den Leitungskräften. Sie tragen in Deutschland ein hohes Maß an Verantwortung – sowohl für die Beschäftigten als auch für die Finanzen ihrer Einrichtung. Über 60 Prozent der Leitungskräfte nennen Abwesenheiten und Personalmangel als Belastung für ihre Arbeit. In Bezug auf die Qualitätssicherung berichtet nur knapp die Hälfte, dass mindestens einmal jährlich externe Evaluationen vorgenommen worden, um Inhalt der Aktivitäten und Qualität im Umgang mit den Kindern zu beurteilen. Damit gehört Deutschland zu den Schlusslichtern.
Die pädagogische Arbeit der Fachkräfte ist zentral für die Qualität, die Kinder in den Einrichtungen erfahren. Angesichts des Fachkräftemangels gehört es deshalb zu den politischen Empfehlungen des Berichts, die Attraktivität des Berufes durch eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen zu erhöhen. Fachkräfte sollten außerdem intensiver für die pädagogische Arbeit mit vielfältigen Gruppen geschult werden, insbesondere für die Betreuung von Kindern unterschiedlicher kultureller und sprachlicher Herkunft und Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten.
Hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen und erhalten
Deutschland gehört zu den teilnehmenden Ländern mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Fachkräften im vorschulischen Bereich, die mit ihrem Beruf zufrieden sind (93%), sich in der Gesellschaft wertgeschätzt fühlen (36%) und mit ihrem Gehalt zufrieden sind (26%). Die gleichen Ergebnisse sind für Fachkräfte in Einrichtungen für Kinder unter 3 Jahren und für Leiter*innen auf beiden FBBE-Ebenen relevant.
Deutschland hat den größten Anteil an Fachkräften, die die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben aufgrund abwesender Fachkräfte als Ursache von Stress ansieht. Dementsprechend nennen Fachkräfte bessere Gehälter bei gleichzeitiger Reduzierung der Gruppengröße als oberste Ausgabenpriorität.Fort- und Weiterbildungen können die Motivation der Fachkräfte fördern und die berufliche Entwicklung erleichtern. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland geringer, dass Fachkräfte mit den in der Erhebung genannten Hindernissen für die berufliche Entwicklung einverstanden sind. Trotz anderer Hinweise auf Personalengpässe geben FBBE-Fachkräfte beispielsweise mit geringerer Wahrscheinlichkeit als in jedem anderen teilnehmenden Land an, dass für die Kompensation abwesender Fachkräftenicht ausreichende Fachkräfte ein Hindernis für die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen darstellt (38%).
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