Lebenslang lernen – wer soll das bezahlen?

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)
Artikel-Bild

Reformvorschläge zur öffentlichen Finanzierung von Weiterbildung 

Berufliche Weiterbildung wird immer wichtiger. Um in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung mithalten zu können, werden wir alle lebenslang lernen, Qualifikationen immer wieder auffrischen oder sogar einen neuen Beruf erlernen müssen. Aber wer zahlt die Kosten? Jede*r für sich – weil anschließend mehr zu verdienen ist? Oder der Staat – weil ein öffentliches Interesse besteht, kostenträchtige Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, Fachkräftemangel zu beheben oder Strukturkrisen zu heilen?

Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hat Reformvorschläge zur öffentlichen Finanzierung von Weiterbildung ausgearbeitet.

Dafür hat er Stärken und Schwächen unterschiedlicher Förderinstrumente an Hand der Erfahrungen in Schweden, Frankreich und Österreich und ihre Anschlussfähigkeit an die deutsche Förderkulisse untersucht. Bosch plädiert dafür, an bestehende Strukturen anzuknüpfen und diese weiterzuentwickeln: Für Weiterbildung gibt es hier Leistungen einerseits nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), auch »Meister-BAföG« genannt, und andererseits durch die Arbeitsmarktpolitik, also die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter. Mit diesen beiden »großen Tankern« verfüge Deutschland über in der Bevölkerung bereits gut bekannte und etablierte Systeme.

Allerdings gebe es noch große Förderungslücken: »Die starre Altersgrenze von 30 Jahren im BAföG wirkt altersdiskriminierend«, kritisiert Bosch. Wer aus eigener Initiative als Erwachsener über dieser Altersgrenze einen Berufs- oder Schulabschluss nachholen will, wird nicht gefördert. Zudem sei die Wende in der deutschen Arbeitsmarktpolitik hin zu einer investiven Weiterbildungsförderung noch nicht abgeschlossen. Für die Weiterbildung im Rahmen des zu erwartenden massiven Strukturwandels infolge der Digitalisierung, der Energiewende und dem Ausbau der Elektromobilität fehlten noch Konzepte. Diese Lücken gelte es vorrangig zu schließen.

Mit einer überschaubaren Anzahl von Stellschrauben ließen sich die beiden BAföG-Systeme und die Arbeitsmarktpolitik zu einem schlüssigen öffentlichen Fördersystem für lebenslanges Lernen ausbauen, schlägt Bosch vor. Dazu sollten u.a. die Altersgrenzen im BAföG aufgehoben und die Förderzwecke um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen erweitert werden. Zudem sollte eine zweite Berufsausbildung unterstützt werden, wenn der erlernte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, und eine Weiterbildungs-Teilzeit ermöglicht werden. Wer arbeitslos ist und sich qualifiziert, müsse ein Weiterbildungsgeld erhalten, das deutlich über dem Arbeitslosengeld liegt.

Weiter schlägt Bosch ein Fachkräftestipendium nach österreichischem Vorbild für eine Berufsausbildung in Mangelberufen vor, einen Weiterbildungsfonds in der Leiharbeitsbranche, ein Transformationskurzarbeitergeld sowie das Recht auf Freistellung für Vollzeit- oder Teilzeitmaßnahmen.

Bibliographie
Bosch, Gerhard 2019
Öffentliche Finanzierung von Weiterbildung im Strukturwandel: Vorschläge zu einem stimmigen Gesamtsystem. Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 158.
Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung

 

 

Weiterbildungsprämien ohne großen Einfluss auf Teilnehmerzahlen
Entwicklung der Zugangszahlen von Arbeitslosen in abschlussorientierte geförderte Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung Die Bundesregierung hat detaillierte Daten zur Entwicklung der Eintritte von Arbeitslosen in geförderte abschlussorientierte...
EU fördert Projekte zur »Öffnung von Hochschulen« mit 3,2 Millionen Euro
Im Förderzeitraum 2021 bis 2027 stellt die Europäische Union 3,2 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung, die beruflich qualifizierten Weiterbildungsinteressierten den Zugang zu Hochschulen erleichtern sollen. Dabei liegt ein besonderer Fokus...
Neue Regelungen des Aufstiegs-BAföG ab Januar 2025
AFBG 2025: Finanzielle Anreize für eine stärkere berufliche Qualifikation Die Reform des AFBG (»Aufstiegs-BAföG«), die ab Januar 2025 in Kraft treten soll, bringt wesentliche Änderungen zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung in Deutschland....

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • »Mein Bildungsraum« in der Kritik

    Kurzbesprechung des Artikels »Digitalisierung: Großprojekt des Bundes "Mein Bildungsraum" in der Kritik« von Dorothee Wiegand Der Artikel von Dorothee Wiegand (veröffentlicht auf heise.de) bietet einen umfassenden Überblick zum BMBF-Projekt »Mein...

  • Informatikunterricht in Deutschland: Große Fortschritte, aber noch viel zu tun

    Informatik-Monitor 2024/25: Fortschritte und Herausforderungen  Im Schuljahr 2024/25 werden fast drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler Informatik als Pflichtfach belegen. Das geht aus dem aktuellen Informatik-Monitor 2024/25 hervor, den die...

  • Bildungsplattform »Mein NOW«: Potenzial ungenutzt

    Portal »mein NOW«: Kritik an Usability und Zielgruppenansprache Die Bildungsjournalistin Gudrun Porath hat in einer Kolumne auf Haufe.de das Online-Portal »mein NOW« kritisch beleuchtet und kommt zu dem Schluss, dass die Weiterbildungsplattform »hinter den...

  • Anhörung zum AFBG: Experten für die Förderung beruflicher Weiterbildung

    Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG), der insbesondere der Stärkung der beruflichen Weiterbildung und Fachkräftesicherung dienen soll, ist bei einer öffentlichen...

  • Fünf Wege zu mehr Flexibilität: Empfehlungen für die nachschulische Bildung

    Übergänge in Ausbildung und Studium - Wie die Politik in Zeiten des Fachkräftemangels nachschulische Bildung gestalten muss Expert*innen plädieren für mehr Flexibilität in der nachschulischen Bildung Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einer großen...

 

 

.