Mehr Studien- und Ausbildungsplätze zur Fachkräftesicherung notwendig!
Stellt man den Bedarf an Hochqualifizierten bis 2030 den zu erwartenden Absolventenzahlen der Hochschulen gegenüber, zeigt sich ein deutlicher und zunehmender Akademikermangel von insgesamt 700.000 Personen. Dieser Fachkräftelücke, die sich aus den jüngsten Berechnungen des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) ergibt, kann nur durch einen umgehenden weiteren Ausbau des Hochschulsystems begegnet werden. »Die aktuellen Fachkräfteprognosen zeigen, dass wir mehr statt weniger Akademiker und Akademikerinnen brauchen«, meint Dr. Dieter Dohmen, der Direktor des Forschungsinstituts. »Die Weichen müssen möglichst schnell gestellt werden, da selbst die aktuell hohen Studienanfängerzahlen nicht ausreichen werden, um den Einstellungsbedarf der Unternehmen ab dem Jahr 2020 zu decken. Mehr Studienberechtigte müssen zum Studium motiviert und unterstützt werden«, erklärt der Bildungsökonom. Hatten im vergangenen Jahr knapp 500.000 junge Menschen ein Studium aufgenommen, so müsste die Zahl der Studienanfänger und -anfängerinnen bereits 2015 auf rund 575.000 ansteigen und in den kommenden Jahren noch etwas höher liegen, um die absehbare Fachkräftelücke vollständig zu schließen. Das ist umso problematischer, als nach den vorliegenden Prognosen zur Entwicklung der Studierendenzahlen für die kommenden Jahre mit einem Rückgang der Studienanfängerzahlen gerechnet wird, und dies nicht der einzige Bildungsbereich ist, der dringend politisches Handeln erfordert.
Auch das Angebot an Ausbildungsplätzen im dualen System muss erhöht werden. Zwar ist zukünftig mit einem geringeren Bedarf an beruflich qualifizierten Fachkräften zu rechnen, doch müssen die ausscheidenden Fachkräfte aus der geburtenstarken Baby-Boomer-Generation zumindest annähernd ersetzt werden. Die Zahl an neuen Ausbildungsverträgen, die laut vorliegender Berufsbildungsprognosen weiter sinken wird, reicht aber dafür bei weitem nicht aus. Angesichts von gut 520.000 Ausbildungsverträgen im vergangenen Jahr müssten nach den Berechnungen des FiBS 2015 über 560.000 Ausbildungsverträge und mittelfristig bis zu 675.000 geschlossen werden. »Hier sind auch alle Arbeitgeber gefordert, schon jetzt für die eigene Fachkräftesicherung vorzusorgen«, so Dohmen. »Mehr Ausbildungsplätze sollten geschaffen, das Ausbildungsmarketing verbessert und zugleich stärker auf die Bedürfnisse der jungen Generation eingegangen werden«.
Außerdem zeigt die Studie des FiBS, dass weder die demografische Entwicklung noch, wie gerne behauptet wird, die angeblich zu hohe Studierneigung dazu führen, dass Auszubildende fehlen. Vielmehr gibt es noch immer eine zu große Zahl an Schulabgängern und -abgängerinnen, die von Arbeitgebern zum Teil, zum Beispiel aufgrund ihres Migrationshintergrunds, benachteiligt werden oder nicht über die erforderlichen Basiskompetenzen verfügen: In den kommenden Jahren wird der Anteil der Migrantinnen und Migranten an der ausbildungsrelevanten Altersgruppe von 25 auf 35 Prozent und langfristig auf bis zu 45 Prozent ansteigen, und fast jeder fünfte Jugendliche versteht selbst einfachste Texte nicht oder kann nicht richtig schreiben und rechnen. Der Bildungsökonom fordert, dass die vorhandenen Bemühungen, alle Jugendlichen wahrzunehmen und für einen Beruf fit zu machen, intensiviert und gemeinsam von öffentlicher und privater Seite angegangen werden; auch die Schulbildung sollte in die Maßnahmen einbezogen werden. Die notwendigen Aufgaben kann keine Seite alleine leisten.
»Unsere Zahlen machen sehr deutlich, dass wir mehr Ausbildungs- und Studienplätze brauchen«, erläutert der Direktor des FiBS. »Politische Eitelkeiten und Rivalitäten um den Stellenwert dualer Ausbildung und Hochschulstudium in Deutschland, um die Verantwortung für Problemlagen und die Zuständigkeit für Lösungen sind daher absolut unnötig, vielmehr kontraproduktiv, denn sie behindern dringend notwendige Maßnahmen. Eine Konkurrenz zwischen beiden Bereichen führt nur dazu, dass der absehbare Fachkräftemangel entweder bei den Akademikern oder bei den beruflich Qualifizierten erhöht wird. Sie trägt aber nicht dazu bei, dass er insgesamt soweit wie möglich verringert wird - geschweige denn, dass dem Nachwuchs geholfen wird. Vielmehr sollte die Energie endlich dafür verwendet werden, die Bildungsbereiche den bekannten Anforderungen anzupassen und auf der anderen Seite alle jungen Menschen entsprechend ihren Kompetenzen zu fördern. Sie sollten individuell im Bildungssystem gestärkt und verlässlich beim Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf begleitet werden«. Das heißt auch, die Zusammenarbeit über föderale und Ressortgrenzen hinweg, zwischen allen, die das Thema betrifft, sach- und zielorientiert zu verbessern. »Wir müssen alle Bildungspotenziale für den Wirtschaftsstandort Deutschland nutzen und vor allem eine Bildungskatastrophe vermeiden, denn das wäre ein echtes Problem für unsere Gesellschaft und nicht zuletzt eine menschliche Katastrophe«.
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