Chancen von Lernortkooperationen
Experten aus Bildung und Wirtschaft sehen in der Digitalisierung eine große Chance für eine intensivere Zusammenarbeit von Betrieben, überbetrieblichen Bildungsstätten und Berufsschulen.
In einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« am 25. Mai 2020 zum Thema »Optimierung der Lernortkooperation zwischen Betrieb, überbetrieblicher Bildungsstätten und Berufsschulen bezüglich der Herausforderungen durch die Digitalisierung« standen neben den Potenzialen der Digitalisierung auch praktische Herausforderungen und Hemmnisse für die Lernortkooperationen im Fokus.
So betonte Eugen Straubinger, Bundesvorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V., zunächst die grundsätzliche Bedeutung von Lernortkooperationen. Betriebe und Berufsschulen eine das gemeinsame Ziel, »eine qualitativ hochwertige Ausbildung« anzubieten. »Hierzu können und müssen Lernortkooperationen einen wichtigen Beitrag leisten.« Gerade in einer Zeit der digitalen Transformation biete sich eine enge Kooperation geradezu an. Der Verbandsvorsitzende wies auch auf das Hemmnis unterschiedlicher Voraussetzungen bei den Betrieben hin: Größere Unternehmen verfügten über größere finanzielle und personelle Ressourcen als kleinere Betriebe wie etwa Handwerksfirmen, um Lernortkooperationen zu gestalten. Allerdings habe die Corona-Krise auch gezeigt, dass es gelingen könne, in kurzer Zeit Lernplattformen aufzusetzen und Schüler »virtuell zu unterrichten«. Als Voraussetzung für den Erfolg von Lernortkooperationen nannte Straubinger unter anderem die Sicherung des Lehrkräftenachwuchses und insbesondere eine moderne, digitale Ausstattung von Berufsschulen.
Bernhard Wagner, Schulleiter an der Technischen Schule in Aalen, die mit der Carl Zeiss AG im Rahmen des Kooperationsprojektes »Industrie 4.0.-Lernstation« zusammenarbeitet, betonte die Bedeutung einer engen Abstimmung zwischen Ausbildungsbetrieben und Schule nicht nur über zeitliche Abläufe, sondern auch über Ausbildungsinhalte und geplante Anschaffungen. »Wir informieren regelmäßig auch über Beschaffungen von Maschinen, Geräten und EDC-Programmen«, berichtete Wagner. Dies griffen vor allem größere Firmen auf, um nachzurüsten. Damit Lernortkooperationen von der Digitalisierung profitierten, brauche es in erster Linie »eine funktionierende, umfassende Bildungsplattform«, die datenschutzrechtlich unbedenklich sei, so der Schulleiter. Auch der Urheberschutz und die Finanzierung sollte im Vorfeld geklärt sein. Die IT-Ausstattung von Schulen und Betrieb müsse kompatibel sein, sagte Wagner und drang auf die Entwicklung allgemeiner Standards. Hinsichtlich der Nutzung digitaler Endgeräte sprach sich Wagner eine »browserbasierte, herstellerunabhängige Lösung« aus.
Udo Martin Schlickenrieder, Ausbildungsleiter bei der Carl Zeiss AG in Oberkochen, unterstrich in seinem Statement die Möglichkeit, die die IT-Techniks biete, um Lernorte enger zu vernetzen und Lerninhalte besser zu verzahnen. Im Rahmen des Kooperationsprojekts »Industrie 4.0-Lernstation« profitierten die Auszubildenden ganz praktisch von einer gemeinsam von Schule und Unternehmen entwickelten Cloud-Lösung, über die zwei Lernfabriken in Schule und im Betrieb miteinander verbunden seien. Die Plattform werde zudem erfolgreich für die Vermittlung theoretischer Kenntnisse in Form sogenannter »hybrider Trainings«, darunter Videos und Webinare, genutzt, erklärte Schlickenrieder.
Florian Mezger, Head of Talent Attraction der Zeiss-Gruppe, bekräftigte, Lernortkooperationen böten »enorme Chancen«, neben Schulen und größeren Unternehmen auch kleinere Betriebe zu integrieren. Sie ermöglichten es zudem, »komplexe Inhalte sehr praxisnah zu vermitteln« und so einen hohen Lernerfolg zu zielen, so Mezger. Das unterstütze nicht nur die Vorbereitung auf das Berufsleben, sondern fördere auch »lebenslanges Lernen«. Eine Hürde zur Nutzung digitaler Technik für Lernortkooperationen sah der Experte jedoch auch im Fehlen von Standards bei der technischen Infrastruktur. Diese brauche es aber, so Wagner, damit auch »kleinere Betriebe« teilnehmen könnten. Die nötige Qualifikation auf Seiten von Schulen und Betrieben sei eine weitere Herausforderung für erfolgreiche Lernkooperationen.
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