Empfehlungen für eine breite Qualifizierungsoffensive

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Hightech-Forum sieht die Gesellschaft als Ganzes in der Pflicht und spricht sich für eine Modernisierung des Aus- und Weiterbildungssystems aus 

Das Hightech-Forum hat heute Empfehlungen für die Bundesregierung veröffentlicht, wie das deutsche Aus- und Weiterbildungssystem modernisiert werden sollte, um mehr Chancengerechtigkeit und Teilhabe am Innovationsgeschehen zu ermöglichen. Immer kürzere Wissenszyklen sowie neue technologische und gesellschaftliche Entwicklungen erfordern, dass kontinuierliches Lernen für alle zum Normalzustand wird. Das Papier stellt fest, dass es bereits ein erhebliches Gefälle bei wichtigen Zukunftskompetenzen gibt und die Qualifizierungsschere über die Lebensdauer weiter auseinandergeht – mit großen gesellschaftlichen Konsequenzen.

Ein Schwerpunkt der Beratungen war die Frage, wie Zukunftskompetenzen frühzeitig erkannt und in der Breite vermittelt werden können. Eine Kernempfehlung ist die Gleichstellung der Digitalkompetenzen mit den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen. Daher spricht sich das Gremium unter anderem für eine allgemeine digitale Lernmittelfreiheit in der Ausbildung und eine umfassende Förderung der digitalen Lehrkompetenzen in allen Bildungsbereichen aus.

Das Hightech-Forum attestiert der deutschen Arbeits- und Lernkultur insgesamt eine unzureichende Ausrichtung auf lebenslanges Lernen. Der Grundstein für den notwendigen Kulturwandel muss bereits in der Erstausbildung gelegt werden. Wichtige Signale könnten von einem individuellem Recht auf Weiterbildung ausgehen. In der Erwachsenenbildung müssten mehr zielgruppenorientierte Beratungen und Anreizsysteme geboten werden. Vorgeschlagen werden ein individuelles Weiterbildungsbudget, die Gewährung von Rentenpunkten und der Ausbau der bereits genutzten Prüfungsprämien.

Für den Weiterbildungsmarkt wird u.a. eine erhöhte Transparenz gefordert, um das Interesse an Weiterbildung insgesamt zu erhöhen. Obwohl dies in Form des InfoWeb Weiterbildung (IWWB) in ähnlicher Form bereits existiert, schlägt das Forum hierzu den Aufbau einer Weiterbildungsplattform, unter Einbeziehung wichtiger Akteure, vor:

Ähnlich wie beim Hochschulkompass könnten dort die Angebote mit dem Ziel einer erhöhten Transparenz und Vergleichbarkeit gebündelt werden. Wichtig wäre, dass sowohl klassische, formelle Qualifizierungsmaßnahmen als auch eher informelle Trainings wie Webinare und Onlinekurse (MOOCs) aufgenommen werden. Perspektivisch wäre die Weiterentwicklung zu einer datengetriebenen Plattform sinnvoll. Idealerweise würden so bei jedem Benutzerkonto regelmäßig die Kompetenzen mit den Entwicklungen in der derzeitigen Beschäftigung abgeglichen und würde frühzeitig das richtige Weiterbildungsangebot vorgeschlagen. Diese Idee müsste in Anbetracht der Komplexität eines solchen Vorhabens und der notwendigen Berücksichtigung von Datenschutzaspekten und Kontrollrechten jedoch längerfristig und eher schrittweise entwickelt werden.

Zur Qualitätssicherung und Vertrauensbildung wäre es zudem wichtig, dass die zentralen Akteure aus Weiterbildungsträgern, Kammern, Gewerkschaften und der Arbeitsagentur die Entwicklung eines einheitlichen Zertifizierungssystems anvisieren, wie es beispielsweise auch Hochschulen und Universitäten über den Akkreditierungsrat nutzen. Ein solches Verfahren kann bestehende Systeme, wie beispielsweise den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) und die Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV), berücksichtigen. Vorstellbar wäre die Verstetigung über ein Gremium, welches das Verfahren entwickelt und kontinuierlich evaluiert und anpasst.

Dr. Marion Jung, Geschäftsführerin der ChromoTek GmbH und Sprecherin des Thementeams »Innovation und Qualifikation« im Hightech-Forum, betont: »Gut ausgebildete Menschen können besser mit Veränderungen und Unsicherheiten umgehen. Sie machen unsere Unternehmen innovativ und fit für den globalen Wettbewerb. Wenn der Strukturwandel zu mehr und nachhaltiger Innovation in der Gesellschaft und Wirtschaft gelingen soll, muss das deutsche Aus- und Weiterbildungssystem so modernisiert werden, dass es alle Menschen mitnimmt und auf lebenslanges Lernen vorbereitet.«

Die Empfehlungen des Hightech-Forums werden am 28. Oktober 2020 in der Runde der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre aller Bundesressorts zur Hightech-Strategie 2025 vorgestellt. Das Hightech-Forum lädt ausdrücklich zur Kommentierung des Impulspapiers ein.

Federführende Autor*innen des Impulspapiers sind die Hightech-Forum-Mitglieder Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), Prof. Dr. Anke Hassel, Professorin für Public Policy an der Hertie School of Governance, Dr. Marion Jung, Geschäftsführerin der ChromoTek GmbH, Prof. Dr. Manfred Prenzel, Professor für Empirische Bildungsforschung mit Bezug zur LehrerInnenbildung an der Universität Wien, Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture DACH und Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Über das Hightech-Forum
Das Hightech-Forum ist das zentrale Beratungsgremium der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie 2025. Seine Aufgabe ist es, die Forschungspolitik der Bundesregierung mit konkreten Umsetzungs- und Handlungsempfehlungen zu begleiten. Es veröffentlicht fortlaufend Impulspapiere zu den Schwerpunktthemen 3,5-Prozent-Ziel, Offene Wissenschaft und Innovation, Soziale Innovationen, Agilität des Innovationssystems, Innovation und Qualifikation, Nachhaltigkeit im Innovationssystem, Zukunft der Wertschöpfung sowie Biologie und Digitalisierung.

Das Hightech-Forum setzt sich aus 21 Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. Den Vorsitz teilen sich Christian Luft, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, und Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Das Hightech-Forum tagt drei bis vier Mal pro Jahr. Der Beratungsauftrag ist zeitlich an die aktuelle Legislaturperiode gekoppelt.

Über die Hightech-Strategie
Die Hightech-Strategie 2025 bündelt die Förderung der Bundesregierung zu Forschung und Innovation. Ihr Ziel ist es, spürbare Fortschritte in der Lebensqualität aller Bürger*innen zu erreichen: etwa im Kampf gegen Krebs, gegen Plastikmüll in der Umwelt oder für nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen. Sie soll eine Vielzahl von Akteuren ermutigen, den Fortschritt aktiv mitzugestalten.

 

 

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