Corona hat dem digitalen Lernen und Arbeiten den Weg geebnet...
... doch Profiteure sind vor allem Hochgebildete
Durch die temporären Schulschließungen zwischen März und Mai standen Lehrkräfte und Eltern ohne Vorlauf vor der Herausforderung, Kindern das selbstständige Lernen von zuhause aus zu ermöglichen. Erwerbstätige arbeiteten im Homeoffice, gingen in Kurzarbeit und mussten zusätzlich oftmals die Kinderbetreuung alleine stemmen.
Die ersten Auswertungen der Corona-Zusatzbefragung im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS - National Educational Panel Study), der größten Langzeit-Bildungsstudie in Deutschland, zeigen jetzt, wie gut Eltern ihre Kinder beim Homeschooling wirklich unterstützen konnten und welche Erwerbstätigen von der Flexibilisierung bei Arbeitszeiten und Arbeitsorten tatsächlich profitiert haben.
In der NEPS-Zusatzbefragung wurden unter anderem 1.452 Eltern von Schülerinnen und Schülern der 8. Klasse zu ihrer Selbsteinschätzung darüber befragt, wie gut sie ihren Kindern beim Lernen zuhause helfen konnten. Auch wenn die meisten Eltern sich dieser Aufgabe gewachsen fühlten, traten Unterschiede in Abhängigkeit vom Bildungshintergrund zutage. So gaben fast ein Drittel der Eltern ohne akademischen Hintergrund an, sie hätten ihre Kinder schlecht oder gar nicht unterstützen können. Zudem hatten rund 13 Prozent der Kinder einen unzureichenden oder gar keinen Zugang zu der für die digitale Lehre notwendigen Technik, wobei der Bildungshintergrund hier keine Rolle spielte.
Bildungsunterschiede spielten auch im Arbeitsleben während der Zeit der Corona-Beschränkungen eine große Rolle. Für die Zusatzerhebung wurden Erwerbstätige aus unterschiedlichen Beschäftigten- und Altersgruppen befragt. Unter anderem zeigte sich, dass der Zugang zum Homeoffice stark vom Bildungsniveau abhängt: Je niedriger das Bildungsniveau, desto seltener konnten sie von zuhause aus arbeiten. Junge Erwerbstätige mit niedriger Bildung bilden hier das Schlusslicht. Gleichzeitig fühlte sich die Mehrheit der Befragten gut von ihren Arbeitgebenden unterstützt. Dennoch zeigt sich über alle Gruppen hinweg, dass die Corona-Pandemie bestehende Bildungsungleichheiten im Arbeitsleben bereits kurzfristig verstärkt hat. Es ist zu befürchten, dass sich die sozialen Ungleichheiten in Beschäftigungssicherheit und bei den Arbeitsbedingungen auch langfristig verschärfen.
Diese und weitere Ergebnisse der Auswertung finden sich in den Berichten »Corona-bedingte Schulschließungen... - und nun funktioniert alles digital?« und »Erwerbsleben in der Corona-Krise: Welche Rolle spielen Bildungsunterschiede?«, die über den Link unten mit weiteren Hintergrundinformationen zum Download bereit stehen.
Durch die Zusatzbefragung im Mai und Juni haben die Forscherinnen und Forscher die aktuellen Erlebnisse und Eindrücke der NEPS-Teilnehmenden in der Zeit zwischen dem Beginn der Beschränkungen und den ersten Lockerungen während der Corona-Krise ermittelt und so für die Bildungsforschung nutzbar gemacht. Die Daten wurden gewichtet und poststratifiziert, so dass die Aussagen verallgemeinerbar sind. Im NEPS werden rund 100.000 Teilnehmende und deren Umfeld aus ganz Deutschland regelmäßig befragt.
Über das NEPS und die Corona-Zusatzbefragungen
Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs großen Teilstudien, den sogenannten Startkohorten. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zusätzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und pädagogisches Fachpersonal. Die Stichproben der Startkohorten wurden repräsentativ für ganz Deutschland gezogen.
Das NEPS wird getragen von einem interdisziplinär zusammengesetzten, deutschlandweiten Exzellenznetzwerk, in dem zwölf renommierte Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Geleitet wird das NEPS von Prof. Dr. Cordula Artelt vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg. Wie bei allen im Rahmen des NEPS durchgeführten Befragungen üblich, werden auch die Daten der Corona-Zusatzbefragungen sorgfältig anonymisiert und durch das LIfBi Bildungsforschenden weltweit zugänglich gemacht.
Durch die im Nationalen Bildungspanel erhobenen Daten stehen Forscherinnen und Forschern international einzigartige Langzeitdaten zur Verfügung, die nicht nur eine Momentaufnahme während der Corona-Pandemie ermöglichen. Damit liefern die für Deutschland repräsentativen Studien des NEPS einen wichtigen Beitrag für die Aufarbeitung der Krise und können genutzt werden, um das Bildungssystem langfristig zu stärken und auf zukünftige Krisen vorzubereiten. Auch die Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Digitalisierung des Lernens, die Entwicklung sozialer Bildungsungleichheit und die Folgen für verschiedenste Bildungsergebnisse können mithilfe der Längsschnittinformationen des NEPS untersucht werden.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Flüchtlingsstudie ReGES, das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE, die Förderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE oder die regionale Studie zu Bildung in Oberfranken BiLO.
Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.
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