Studie: Chancengerechtigkeit in der Bildung hat sich verbessert
Die Chancengerechtigkeit in der Bildung in Deutschland hat sich für Kinder aus Nichtakademikerfamilien in den letzten Jahren über alle Bildungsstufen verbessert. Gelingt ihnen der Wechsel an eine Hochschule, dann sind sie sogar ähnlich erfolgreich wie Akademikerkinder. Trotz dieser positiven Entwicklung gilt aber: Nach wie vor entscheidet in Deutschland die soziale Herkunft über den Bildungserfolg. Größte Hürde bleibt der Übergang von der weiterführenden Schule zur Hochschule.
Das sind Ergebnisse der gemeinsamen Studie von Stifterverband und McKinsey & Company mit dem Titel »Vom Arbeiterkind zum Doktor – Der Hürdenlauf auf dem Bildungsweg der Erststudierenden«. Für die Studie wurde systematisch analysiert, wie genau sich in Deutschland die Bildungswege von Nichtakademiker- und Akademikerkindern unterscheiden. Die aktuellen Zahlen wurden dann mit einer identischen Erhebung aus dem Jahr 2017/18 verglichen.
Obwohl die meisten Kinder in einer Grundschulklasse aus einem nichtakademischen Haushalt kommen, bewältigen im Vergleich mit Kindern aus Akademikerhaushalten immer noch vergleichsweise wenige von ihnen die mentalen, kulturellen und finanziellen Hürden der Bildungslaufbahn. Die Studie zeigt: Von 100 Arbeiterkindern, die eine Grundschule besuchen, sitzen später nur 27 (+5 im Vergleich 2017/2018) in einem Hörsaal. Von den 100 Akademikerkindern schreiben sich hingegen später 79 (–4) an einer Hochschule ein. Die COVID-19-Pandemie könnte den aktuell tendenziell positiven Trend allerdings wieder temporär verschlechtern: Besonders Kinder aus Nichtakademikerhaushalten hatten geringere digitale Möglichkeiten, um zu lernen.
»Deutschland verschenkt nach wie vor zu viel Bildungspotenzial«, stellt McKinsey-Partnerin Julia Klier mit Blick in deutsche Grundschulklassen fest. Die meisten Kinder kommen dort aus nichtakademischen Haushalten (71 Prozent). Doch nur 46 Prozent von ihnen wechseln später auf eine Schule, die den Hochschulzugang ermöglicht. Zwar hat sich der Wert seit der letzten Erhebung von Stifterverband und McKinsey um 2 Prozentpunkte verbessert. Aber bei den Akademikerkinder sind es mit 83 Prozent fast doppelt so viele. Die größte Hürde ist nach wie vor der Übergang vom Klassenzimmer in den Hörsaal.
Obwohl sich die Quote hier deutlich um elf Prozentpunkte verbessert hat, liegt sie bei nur 59 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Akademikerkindern gehen fast alle (95 Prozent) von einer weiterführenden Schule an die Uni. Julia Klier: »Um Hürden für Nichtakademikerkinder zu überwinden, sollte es beispielsweise mehr Werbeaktionen der Hochschulen in den Schulen geben und bereits erfolgreiche Initiativen wie Talent-Scouting-Programmen sowie Buddy- und Tandemprogramme für Erstsemester ausgebaut werden, um mentale Barrieren abzubauen.«
Wenige Erfahrungen im Umfeld, unzureichende mentale und finanzielle Hilfe von den Eltern, aber auch Informationsdefizite sind der Studie zufolge oft die Gründe, warum nur wenige Nichtakademikerkinder den Schritt von der weiterführenden Schule in den Hörsaal wagen. »Die neue Bundesregierung muss alles daran setzen, die Chancengerechtigkeit in der Bildung weiter massiv auszubauen. Deutschland braucht jedes einzelne Talent«, sagt Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes. »Finanzielle Hürden sollten durch eine umfassende BaföG-Reform abgebaut werden. Nur 15 Prozent der jungen Menschen aus Arbeiterfamilien können sich bei der Studienfinanzierung gänzlich auf ihre Eltern verlassen.«
Um den Zugang zur Hochschule zu erleichtern, sollten deshalb unter anderem ein höherer und ortsabhängiger Wohnzuschuss berücksichtigt werden, eine Förderung über die minimale Regelstudienzeit hinaus möglich sein und aktuelle Einkommensbescheide unkomplizierter berücksichtigt werden. Die Antragsstellung sollte bundesweit einheitlich und digitalisiert werden. »Darüber hinaus brauchen Schulen moderne Lehrpläne, die gut auf die gesellschaftlichen Herausforderungen und die Anforderung der Hochschulen vorbereiten«, so Meyer-Guckel.
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