Baden-Württemberg startet Kampagne für Alphabetisierung
Das baden-württembergische Kultusministerium startet eine neue Kampagne, um die rund eine Million Erwachsenen im Land mit Lese- und Schreibschwierigkeiten stärker dabei zu unterstützen, aus ihrer Anonymität herauszufinden und sich weiterzubilden.
»Gemeinsam wollen wir erreichen, dass Menschen ihre Ängste überwinden und besser schreiben, lesen und rechnen lernen. Und wir wollen in Wirtschaft und Gesellschaft dafür werben, diese Menschen zu unterstützen«, erklärte hierzu Staatssekretärin Marion v. Wartenberg. Die Kampagne umfasst drei Bestandteile: Erstens werden die Lernangebote und Kurse ausgebaut. Zweitens wird durch eine Fachstelle beim Volkshochschulverband die Kompetenz für Alphabetisierung und Grundbildung in Baden-Württemberg gebündelt. Drittens soll die Kampagne die Öffentlichkeit sowie insbesondere Arbeitgeber in Wirtschaft und Verwaltung stärker für die Thematik sensibilisieren. Mit dieser Kampagne beteiligt sich das Land auch an der neuen Nationalen Dekade des Bundes zur Alphabetisierung und Grundbildung.
Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück wird sich als neuer »Botschafter« für Alphabetisierung einbringen. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass funktionale Analphabeten, also Menschen, die aus vielerlei Gründen und Schicksalen nur schlecht lesen, schreiben oder rechnen können, nicht weniger intelligent sind. Sie haben meist aus einem Schicksal heraus nie lesen und schreiben gelernt. Wir müssen sie aus der sozialen Isolation holen. Sie brauchen eine Chance, man muss ihnen Mut machen und das führt zu Intelligenz«, betonte Uwe Hück anlässlich des Kampagnenstarts.
Um die Kampagne umsetzen zu können, stehen in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium rund 1,2 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung. Damit können eine Vielzahl neuer Kurs- und Lernangebote bei zwölf Weiterbildungsträgern finanziert werden. Die Weiterbildungsträger beteiligen sich zur Hälfte an den Kosten. Der größte Anteil fließt mit rund 296.000 Euro in die Fachstelle für Alphabetisierung und Grundbildung, die beim Volkshochschulverband Baden-Württemberg in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten eingerichtet wird. Die Technische Akademie Schwäbisch Gmünd erhält eine Förderung von rund 213.300 Euro für neue Lernangebote (siehe Seite 4). Die vier größten Städte im Land sind über öffentliche Weiterbildungsträger einbezogen (Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg). Private Weiterbildungsträger kommen aus Schwäbisch Gmünd, Ulm und Kuppenheim (Baden).
Erwerbstätige sind die Zielgruppe
Die neue Fachstelle ist zentrale Anlaufstelle, vermittelt die Erfahrungen der Projektträger und ist zuständig für den Aufbau landesweiter sowie regionaler und lokaler Netzwerke. Über die ESF-Förderung hinaus finanziert das Land 50 Prozent der Personalkosten für zwei Stellen aus dem Landeslehrerprogramm. »Wir freuen uns, dass die erfolgreiche Kooperation des Landes mit dem Volkshochschulverband ausgebaut und auf eine weitere Grundlage gestellt werden kann«, sagte die Staatssekretärin. Das Land hat die Alphabetisierungsmöglichkeiten seit 2012 durch eine Aufstockung der Grundförderung für die Weiterbildungsträger verbessert. 2013 und 2014 wurden diese Lernangebote durch zwei Impulsprogramme direkt gefördert.
Zielgruppe der neuen Kurse sind vor allem Beschäftigte. Im Zentrum steht unter anderem die arbeitsplatzorientierte Grundbildung, bei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt im Betrieb Kurse absolvieren können. Dabei soll es nicht allein um Lesen, Schreiben und Rechnen gehen. Die Unternehmen können darüber hinaus eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen. Beschäftigte sollen etwa die Fachsprache erlernen, Dokumentationen erstellen, Führerscheine für Maschinen absolvieren, digitale Werkzeuge bedienen oder schriftlich kommunizieren können. So steigt nicht nur die Motivation. Auch die Unternehmen profitieren davon, ihren Beschäftigten wichtige Fähigkeiten zu vermitteln und so auch den Fachkräftemangel anzugehen. »Die Voraussetzung für einen Erfolg ist, dass es uns gelingt, den Betroffenen die Angst vor einer Stigmatisierung zu nehmen. Wichtig ist dabei, dass Wirtschaft und Verwaltung mitziehen«, so von Wartenberg. Hier sei insbesondere die Vermittlung durch Vertrauenspersonen in den Betrieben wichtig.
Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch »Botschafter« Uwe Hück
Die Staatssekretärin freut sich besonders über die Bereitschaft von Uwe Hück, als »Botschafter« für die Alphabetisierung mitzuwirken. Der Betriebsratschef wird sich bei unterschiedlichen Veranstaltungen engagieren. »Uwe Hück kann Menschen besonders glaubwürdig erläutern, welche Chancen sie haben, wenn sie besser lesen und schreiben lernen. Und er kann eine Brücke zu den Unternehmen schlagen. Seine Mitarbeit ist ein großer Gewinn für unsere Arbeit«, betonte v. Wartenberg. Laut Level-One-Studie der Universität Hamburg (2011) liegt die Zahl der funktionalen Analphabeten unter der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland bei rund 7,5 Millionen Menschen. Der Volkshochschulverband Baden-Württemberg geht in Baden-Württemberg von einer Million Betroffenen aus.
Das Kultusministerium will sich besonders bei der Öffentlichkeitsarbeit für das Thema engagieren, um die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren.
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