Bildung in Schleswig-Holstein
In den vergangenen zehn Jahren hat das Land Schleswig-Holstein die Grundlagen für ein zukunftsfähiges Schulsystem aufgebaut.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des DIPF. Demnach haben durch die Umstellung auf ein zweigliedriges Schulsystem mehr Schüler*innen als je zuvor die Möglichkeit, an ihrem Schulstandort jeden Schulabschluss zu erreichen. Nachholbedarf sieht der Bericht insbesondere bei den Schulleistungen in der Sekundarstufe.
Der im Auftrag des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur erstellte Bericht beleuchtet die Situation in dem Bundesland vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen auf Bundesebene und im Ländervergleich. Er geht von den Auswertungen von amtlichen Statistiken und sozialwissenschaftlichen Studien aus dem aktuellen nationalen Bildungsbericht aus und wurde um umfassende zusätzliche Recherchen und Analysen ergänzt.
»Im gesamtdeutschen Vergleich ist in Schleswig-Holstein die Situation im Grundschulbereich ausgesprochen gut«, unterstreicht Dr. Stefan Kühne, der Leiter des verantwortlichen wissenschaftlichen Teams. »Dazu noch sind die Leistungen der Kinder nur in geringem Maße an ihre soziale Herkunft gekoppelt. Auffällig ist jedoch, dass diese gute Ausgangslage in den älteren Jahrgängen insbesondere an den Gemeinschaftsschulen nicht gefestigt wird. Im Gegenteil, hier beobachten wir im Vergleich mit früheren Erhebungen eine negative Entwicklung der Schulleistungen.«
Eine Auswahl zentraler Befunde
Im Primarbereich sind die Lesekompetenzen der Schüler*innen in Schleswig-Holstein im Vergleich besonders hoch. Zudem haben sie sich im Laufe der Zeit positiv entwickelt – im Gegensatz zu den Leistungsständen auf Bundesebene, die sich zwischen 2011 und 2016 eher verschlechtert haben. In der Sekundarstufe I allerdings zeigten die schleswig-holsteinischen Gemeinschaftsschüler*innen im Bundesvergleich insbesondere im Fach Mathematik deutlich schlechtere Leistungen. Die Schulleistungen der Gymnasiast*innen wichen dagegen kaum vom Bundesniveau ab. Auch die Kopplung von Leistungen an den sozioökonomischen Hintergrund fiel in Schleswig-Holstein in den neunten Klassen stärker aus als noch in den vierten Klassen.
Positiv bewerteten die Autor*innen, dass die einstigen Haupt- und Realschulen zu Gemeinschaftsschulen zusammengelegt worden sind. Diese hatte die Landesregierung angesichts rückläufiger Schüler*innenzahlen eingeführt und somit den Schüler*innen die Möglichkeit eröffnet, möglichst wohnortnah unterschiedliche Abschlüsse zu erzielen. An vielen Standorten führen diese Gemeinschaftsschulen mit einer eigenen gymnasialen Oberstufe sogar bis zum Abitur. Zudem ist es an berufsbildenden Schulen möglich, bis hin zur Hochschulreife sämtliche allgemeinbildenden Schulabschlüsse zu erlangen. In einigen Landkreisen wird diese Option sehr rege genutzt. Allerdings sind die Möglichkeiten, das Abitur zu machen, regional nicht gleichmäßig verteilt: Im Nordwesten des Landes gibt es weniger Schulstandorte mit gymnasialem Zweig oder alternativ mit beruflichen Schulen als im Südosten. Die Autor*innen des DIPF empfehlen darum der Politik, die regionale Versorgung mit Schulangeboten im Blick zu behalten, zumal die Bevölkerung des Landes nach langjährigem Rückgang allmählich wieder anwächst.
Als besorgniserregend stuften die Autor*innen des Berichts ein, dass der Anteil derer, die die Schule ohne Abschluss verlassen, bei zehn Prozent liegt. Entsprechende Bedeutung hat hier der berufsvorbereitende Übergangssektor, der in Schleswig-Holstein stärker ausgebaut ist als im übrigen Bundesgebiet, bei einer allerdings recht geringen Erfolgsquote: Nur etwa einem Drittel der Jugendlichen gelingt es dort, nachträglich einen ersten allgemeinbildenden oder mittleren Schulabschluss zu erreichen.
Zugleich ist der Trend zu höherer Bildung in Schleswig-Holstein anders als in den meisten anderen Bundesländern bislang noch nicht zum Stillstand gekommen. Jede*r zweite*r Jugendliche erwirbt die Studienberechtigung (2019: 43 % allgemeine Hochschulreife, 7 % Fachhochschulreife). Im Jahr 2008 hatte der Anteil der Schulabgänger*innen mit allgemeiner Hochschulreife noch bei 31 Prozent gelegen.
Auch der Bildungsstand der jungen Erwachsenen zwischen 30 und 35 Jahren wurde in den Blick genommen. Hier liegt der Bevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss (22 %) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (28 %), der Anteil von Menschen mit Berufsausbildung (49 %) dagegen deutlich darüber (Bund: 44 %). 18 Prozent der jungen Erwachsenen in Schleswig-Holstein verfügen über keine berufliche Qualifikation (Bund: 17 %).
Bei der Digitalisierung hat Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren nachgelegt. Teilten sich 2014 noch neun Kinder ein Endgerät, waren es 2021 nur noch vier. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Schulen mit einem Breitbandanschluss mit mindestens 50 Mbit/s von 15 auf 79 Prozent. Auch der Ausbau der Ganztagsschulen wurde vorangetrieben. Deren Anteil stieg von 30 Prozent im Jahr 2005 (Bund: 28 %) auf 66 Prozent im Jahr 2019 (Bund: 71 %).
In dem Bericht, in dem insbesondere Statistiken ausgewertet wurden, konnte die Wirksamkeit der im Land vielfältig vorhandenen Programme zur Lehr-Lern-Qualität nicht untersucht werden. Hierfür müssten weitere vertiefende Analysen und Evaluationsstudien durchgeführt werden.
Über den nationalen Bildungsbericht:
Der Bericht »Bildung in Deutschland« wird von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftler*innen erstellt, die folgende Einrichtungen vertreten: Das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Federführung), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für lebenslanges Lernen (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) sowie die Statistischen Ämter des Bundes (Destatis) und der Länder. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördern die Erarbeitung des Berichts.
Hintergrund
Das DIPF ist das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation mit Standorten in Frankfurt am Main und in Berlin. Es will dazu beitragen, Herausforderungen für Bildung und das Erforschen von Bildung zu bewältigen. Dafür unterstützt das Institut Schulen, Kindertagesstätten, Wissenschaft, Verwaltung und Politik mit Forschung, Informationsinfrastrukturen und Wissenstransfer.
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