UNESCO-Weltbildungsbericht in Deutschland vorgestellt
UNESCO ruft zu Regulierung des nichtstaatlichen Bildungssektors auf
Heute haben das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Deutsche UNESCO-Kommission die deutschsprachige Kurzfassung des aktuellen UNESCO-Weltbildungsberichts vorgestellt. Die Studie beleuchtet die Rolle nichtstaatlicher Akteure in der Bildung. In einer Online-Veranstaltung diskutierten Politikerinnen und Bildungsexperten die Bedeutung des Berichts für Deutschland und die Welt.
Der Weltbildungsbericht 2021/2022 wurde von der UNESCO im Dezember letzten Jahres vorgelegt. Er warnt vor zunehmender Ungleichheit durch hohe Kosten, unzureichende staatliche Aufsicht und mangelnde Regulierung privater Bildungseinrichtungen in vielen Ländern. Der Bericht präsentiert fünf Empfehlungen für qualitativ hochwertige Bildung für alle Menschen.
Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, stellt fest: »Bildung ist eine Frage von Gerechtigkeit und Wohlstand für jeden einzelnen Menschen, aber auch für uns als globale Gemeinschaft. Sie ist die Basis für das Erreichen fast aller Nachhaltigkeitsziele. Deshalb ist es wichtig, dass staatliche und nichtstaatliche Akteure so zusammenarbeiten, dass die Schülerinnen und Schüler davon profitieren und mehr Bildungsgerechtigkeit entsteht. Wie das gelingen kann, dafür gibt der diesjährige Weltbildungsbericht der UNESCO zahlreiche Anregungen. Als Auswärtiges Amt unterstützen wir die internationale Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft, um den gleichberechtigten Zugang zu Aus- und Fortbildung weltweit voranzubringen.«
Weltweit besuchen 350 Millionen Kinder und Jugendliche nicht-staatliche Schulen. Allerdings fehlen in vielen Ländern Vorschriften für den privaten Bildungssektor oder die Fähigkeit, solche Vorschriften umzusetzen. Laut des UNESCO-Berichts wirkt sich das negativ auf die Bildungsqualität aus und verschärft die Ungleichheit zwischen Arm und Reich.
Insbesondere Haushalte in den am wenigsten entwickelten Ländern wenden einen großen Anteil ihres Einkommens für die Bildung ihrer Kinder auf. Beträgt der Anteil privater Ausgaben an den Bildungskosten in Staaten mit hohem Einkommen nur 16 Prozent, sind es in ärmeren Ländern bis zu 39 Prozent. Dies führt dazu, dass viele Familien auf Kredite angewiesen sind, um ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.
Niels Annen, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, betont: »Bildung ist der Schlüssel für Millionen Menschen, um den Kreislauf der Armut nachhaltig zu durchbrechen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat sich die Situation weltweit dramatisch zugespitzt. 500 Millionen Schülerinnen und Schüler hatten während der Schulschließungen keine Möglichkeit, am Fernunterricht teilzunehmen. Dazu kommen Millionen Kinder in Krisenregionen und auf der Flucht, die nicht zur Schule gehen können. Wir müssen unsere Anstrengungen daher weltweit verstärken.«
Im Grundgesetz ist das Recht auf Gründung einer privaten Schule festgeschrieben. Eine Anerkennung setzt jedoch voraus, dass sie Schülerinnen und Schülern unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern offenstehen. In Deutschland besuchten vergangenes Schuljahr mehr als eine Million Kinder und Jugendliche Privatschulen. Ihre Zahl wächst seit Jahren.
Aber auch in anderen Bereichen des deutschen Bildungssystems spielen nichtstaatliche Akteure eine Rolle. So befanden sich 2021 zwei Drittel aller Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft. Die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als versiebenfacht, auch wenn sie mit rund 340.000 von insgesamt 2,9 Millionen Studierenden zum Wintersemester 2020/2021 vergleichsweise gering ausfällt.
Den Bedeutungsgewinn privater Akteure beobachtet auch Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung: »Wir sind froh, dass sich in Deutschland auch viele private Akteure für bessere Bildung einsetzen. Sie sind eine enorme Bereicherung für unser Bildungssystem. Sie bringen neue Impulse aus der Gesellschaft oder der Wirtschaft ein. Und sie sorgen für Vielfalt und Wettbewerb. Damit das gelingt, braucht es jedoch klare Regeln. Das macht der Weltbildungsbericht der UNESCO deutlich. Bildungsanbieter benötigen Gestaltungsfreiheit und dürfen nicht bürokratisch eingeengt werden. Gleichzeitig muss ein fairer Zugang zu privaten Bildungsangeboten gewährleistet sein: Alle müssen die Chance haben, das für sie am besten passende Bildungsangebot wahrnehmen zu können, unabhängig vom Geldbeutel oder vom Bildungsstand der Eltern.«
Die UNESCO fordert in ihrem Bericht, Chancengerechtigkeit bei der Finanzierung von Bildung konsequent mitzudenken, eine effektive staatliche Aufsicht für nichtstaatliche Akteure, die Schaffung von Qualitätsstandards und Monitoring, den Austausch von guter und innovativer Praxis im Bildungsbereich sowie den Schutz des Bildungssystems vor Partikularinteressen.
Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer unterstreicht: »Bildung ist ein Menschenrecht! Deshalb sind die Empfehlungen der UNESCO so wichtig. Wenn Chancengerechtigkeit sichergestellt ist, können nichtstaatliche Akteurinnen und Akteure einen wichtigen Beitrag zur Bildungsqualität leisten. Ein richtungsweisendes Beispiel dafür ist Bildung für nachhaltige Entwicklung. Hier arbeiten in Deutschland Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eng zusammen, um dieses wichtige Prinzip in allen Bereichen der Gesellschaft zu verankern.«
Hintergrund
Mit der Verabschiedung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicherzustellen. Die UNESCO koordiniert die Umsetzung dieses Ziels, evaluiert die Fortschritte und veröffentlicht jährlich den Weltbildungsbericht. Die Deutsche UNESCO-Kommission gibt eine deutsche Kurzfassung heraus
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