Die Zukunft der Arbeit in der digitalen Transformation
Die digitale Transformation stellt den deutschen Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen.
Insbesondere ist mit Mismatch zu rechnen, also einer Koexistenz von Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit in unterschiedlichen Segmenten des Arbeitsmarktes. Um dem zu begegnen, ist eine umfassende Reform der betrieblichen Weiterbildung erforderlich. Außerdem muss Deutschland einen Aufholprozess starten, um bei maßgeblichen digitalen Technologien wieder Anschluss zur Weltspitze zu finden. Das schlägt der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in seinem neuen Gutachten vor.
Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Sie wird sich in den kommenden Jahren in erheblichem Ausmaß auf dem deutschen Arbeitsmarkt auswirken. »Grund zur Sorge vor einer technologisch bedingten Massenarbeitslosigkeit besteht allerdings nicht«, sagt Professor Klaus Schmidt (LMU München), Vorsitzender des Beirats anlässlich der Vorlage des Gutachtens. Dagegen sprechen allein die zeitgleich stattfindende demografische Entwicklung. Zudem ersetze technologischer Fortschritt nicht bloß menschliche Arbeit, sondern habe immer auch zu einer Weiterentwicklung existierender und zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten geführt.
»Deutschland verfügt über eine institutionelle Struktur, die schon in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, schwere Strukturbrüche am Arbeitsmarkt vergleichsweise gut zu meistern«, betont Professor Jens Südekum (Universität Düsseldorf), der das Gutachten federführend betreut hat.
Gleichwohl werde die digitale Transformation zu einer verschärften Diskrepanz der angebotenen und nachgefragten Qualifikationsprofile am Arbeitsmarkt (sog. Mismatch) führen. Disruptive Arbeitsplatzverlusten könnten die Folge sein, wenn vormals von Menschen ausgeübte Tätigkeiten fortan durch den Einsatz neuer Technologien erledigt werden. Wenn die Qualifikationsprofile der Betroffenen nicht zu den freiwerdenden oder neu entstehenden Stellen in anderen Segmenten des Arbeitsmarkts passen, die auch regional anderswo in Deutschland verortet sein können, ist eine Koexistenz von Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit möglich, die bestenfalls mittelfristig aufzulösen ist. Dadurch ist auch mit einer Verschärfung der Ungleichheit bei Löhnen und Einkommen zu rechnen, die in den sozialen Sicherungssystemen zu zusätzlichen Belastungen führen.
Um diesen großen Herausforderungen zu begegnen, muss die Bundesregierung schon heute entsprechende Weichenstellungen vornehmen. Ein zentrales Element ist dabei eine umfassende Reform der beruflichen Weiterbildung. Dies betrifft nicht nur
betriebsinterne Weiterbildungen (»on the job«), sondern auch Umschulungen für einen Berufswechsel über Branchengrenzen.
Hierfür sollte ein an das duale Ausbildungssystem angelehntes Weiterbildungssystem aufgebaut werden. In einem solchen System für lebenslanges Lernen lassen sich die Vorteile der dualen Ausbildung auf die Weiterbildung übertragen. Es sollte Menschen ermöglicht werden, auch im höheren Alter noch neue und signalstarke Bildungszertifikate erlangen zu können.
Zur Förderung einer flächendeckenden betriebsinternen Weiterbildung regt der Beirat zudem die Vereinfachung des teils unübersichtlichen Fördersystems sowie die Prüfung einer gesetzlichen Verankerung eines Rechtsanspruchs auf Weiterbildung an.
Daneben ist ein digitaler Aufholprozess erforderlich, denn positive Lohn- und Beschäftigungseffekte sind in Deutschland umso wahrscheinlicher, je stärker die heimischen Unternehmen bei der Erzeugung und Anwendung neuer digitaler Technologien aufgestellt sind. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind aber erhebliche Defizite und Handlungsbedarfe zu konstatieren.
Um dem zu begegnen, müssen die kooperative Nutzung großer Datenmengen über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglicht und Institutionen des Technologietransfers gestärkt werden. Eine staatliche Förderung von Wagniskapital sowie eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung sind ebenfalls voranzutreiben.
In der internationalen Diskussion werden bisweilen noch viel weitergehende Instrumente vorgeschlagen, so etwa die Einführung von »Robotersteuern« zur Lenkung des technischen Fortschritts im Zuge der digitalen Transformation. Der Beirat regt an, diese sich entwickelnde Forschungsliteratur ernst zu nehmen und ihre weitere Entwicklung zu beobachten. Für eine unmittelbare Ableitung spezifischer Politikempfehlungen ist es aber noch zu früh.
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