Ganztagesschulen fördern soziale Fähigkeiten von Grundschüler*innen
Studie untersucht Effekte des Ausbaus von Ganztagsangeboten in Westdeutschland seit 2003
Kinder, die im Grundschulalter eine Ganztagsschule besuchen, haben bessere soziale Fähigkeiten und sind mental gesünder als andere Kinder – zumindest, wenn der Besuch freiwillig ist.
Mit Blick auf die Schulnoten hingegen sind bisher überwiegend keine statistisch signifikanten Effekte eines Ganztagsschulbesuchs feststellbar. Lediglich Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen profitieren auch in Form einer besseren Deutschnote vom Besuch einer Ganztagsschule.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie von Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Demnach nutzen insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Migrationshintergrund und sozioökonomisch benachteiligte Kinder, die beispielsweise in einem Haushalt mit geringem Einkommen aufwachsen oder Eltern mit niedrigem Bildungsstand haben, besonders häufig Ganztagsangebote. Und: Sie profitieren tendenziell auch eher von diesen Angeboten. »Ganztagsschulen helfen dabei, Ungleichheiten im Bildungssystem abzubauen«, so Schmitz. »Das zeigt, dass der Ausbau hin zu einem flächendeckenden Ganztagsangebot für Grundschüler*innen seit dem Jahr 2003 offenbar der richtige Weg ist.«
Für die Studie hat Schmitz Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2002 bis 2018 ausgewertet. Insgesamt nahm sie mehr als 4 000 Schüler*innen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern unter die Lupe.
Damit sind die Ergebnisse repräsentativ für große Teile Westdeutschlands. Ostdeutschland wurde in der Analyse ausgespart, da der Anteil von Kindern in Ganztagsschulen dort bereits vor Beginn des Untersuchungszeitraums sehr hoch war. Die Ergebnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund des im vergangenen Jahr beschlossenen Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter relevant. Dieser soll ab dem Jahr 2026 gelten. Im Schuljahr 2020/2021 boten in Westdeutschland knapp drei Viertel aller Grundschulen Ganztagsangebote an.
Kinder aus benachteiligten Familien sollten in Ganztagsangeboten nicht unter sich bleiben
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Ganztagsangeboten ist der Studie zufolge, ob Kinder freiwillig oder unfreiwillig Ganztagsangebote wahrnehmen. Möchten sie die Nachmittage eigentlich nicht in der Schule verbringen, profitieren sie in der Regel auch nicht davon.
Im Jahr 2020 waren 74 Prozent aller Ganztagsschulen in Westdeutschland offen organisiert, die Teilnahme also freiwillig. Gebundene und teilgebundene Ganztagsschulen, an denen das Nachmittagsprogramm zumindest teilweise verpflichtend ist, sind klar in der Minderheit. Angesichts der Studienergebnisse sollte dies auch so bleiben, so Schmitz.
Vor dem Hintergrund der bisher ausbleibenden Effekte auf die Schulleistungen müsste Schmitz zufolge die pädagogische Qualität der Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen noch deutlich verbessert werden.
»Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht«, sagt Schmitz. Deshalb brauche es bessere und einheitlichere Qualitätsstandards.
»Angesicht des ohnehin schon bestehenden Mangels an pädagogischem Personal ist das natürlich eine große Herausforderung und nicht von heute auf morgen umsetzbar, aber langfristig steht und fällt der Erfolg von Ganztagsschulen vor allem auch damit«, so Schmitz. Wichtig sei zudem, dass Ganztagsangebote für alle Kinder interessant seien, also auch für solche aus besser gestellten Familien.
»Wenn am Ende in der Ganztagsbetreuung Kinder aus benachteiligten Familien unter sich blieben, wäre das keine gute Entwicklung«, befürchtet Schmitz.