Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss sind besonders armutsgefährdet

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)
 Kind Junge isst eine Scheibe Brot

Wie stark Kinder und Jugendliche von Armut bedroht sind, hängt auch von der Bildung ihrer Eltern ab.

Die Armutsgefährdungsquote von unter 18-Jährigen, deren Eltern über einen niedrigen Bildungsabschluss wie etwa einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss als höchsten Abschluss verfügten, lag 2022 in Deutschland bei 37,6 %.

Unter Kindern und Jugendlichen von Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss waren 14,5 % armutsgefährdet, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand von Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) mitteilt.

Zu den mittleren Bildungsabschlüssen zählen beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung oder das Abitur. Hatten die Eltern einen höheren Bildungsabschluss wie etwa einen Meistertitel oder ein abgeschlossenes Studium als höchsten Abschluss, waren 6,7 % der Kinder und Jugendlichen von Armut bedroht. Zum Vergleich: Insgesamt waren in Deutschland im vergangenen Jahr knapp 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren armutsgefährdet. Das entspricht einer Armutsgefährdungsquote von 14,8 %.

20230726 armutsgefaehrdungsquote unter 18

Nach EU-SILC gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2022 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1.250 Euro netto im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren es 2.625 Euro netto im Monat. Dieses Haushaltseinkommen wird auf die Personen des Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel (Äquivalenzskala) verteilt, der unterschiedliche Haushaltsstrukturen berücksichtigt sowie den Umstand, dass Personen in einem Haushalt durch das Zusammenleben Einspareffekte bei den laufenden Kosten erzielen. Um das Einkommen vollständig zu erfassen, wird das Jahreseinkommen erfragt. Dadurch beziehen sich die Fragen zum Einkommen auf das Vorjahr der Erhebung, in diesem Fall also auf das Jahr 2021.

Knapp ein Viertel der Kinder und Jugendlichen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht

Armut ist ein mehrdimensionales Phänomen und kann sich nicht nur in finanziellen, sondern auch in sozialen Faktoren niederschlagen. Im Jahr 2022 war knapp jede oder jeder vierte (24,0 %) unter 18-Jährige in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Armut oder soziale Ausgrenzung sind bei einer Person gemäß Definition dann gegeben, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: Ihr verfügbares Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

EU-weit 24,7 Prozent aller unter 18-Jährigen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht

Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) lag das Risiko für Armut oder soziale Ausgrenzung für Kinder und Jugendliche in Deutschland 2022 mit 24,0 % nur knapp unter dem Durchschnitt: EU-weit waren im vergangenen Jahr 24,7 % der unter 18-Jährigen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dennoch war der Anteil der armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Kinder und Jugendlichen in gut zwei Drittel aller EU-Staaten niedriger als hierzulande. Kinder und Jugendliche in Slowenien (10,3 %; Armutsgefährdungsgrenze für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1.737 Euro netto im Monat), Tschechien (13,4 %; 1.275 Euro) und Dänemark (13,8 %; 3.492 Euro) waren am wenigsten einem Risiko für Armut oder soziale Ausgrenzung ausgesetzt. In Rumänien (41,5 %; 579 Euro), Bulgarien (33,9 %; 565 Euro) und Spanien (32,2 %; 1.765 Euro) war ihr Anteil am höchsten. Insgesamt waren im Jahr 2022 EU-weit rund 20 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

20230726 armut soziale ausgrenzung europa

 

Methodische Hinweise

Zur Berech­nung der Armutsgefährdungsquote wird das von allen Haushaltsmitgliedern tatsächlich erzielte Haushaltseinkommen des Vorjahres herangezogen. Dieses Haushaltseinkommen wird auf die Personen des Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel (Äquivalenzskala) verteilt, der unterschiedliche Haushaltsstrukturen berücksichtigt sowie den Umstand, dass Personen in einem Haushalt durch das Zusammenleben Einspareffekte bei den laufenden Kosten erzielen. Die Äquivalenzskala weist jeder Person im Haushalt ein Gewicht zu. Nach der modifizierten OECD-Skala, die bei EU-SILC angewendet wird, erhält die erste erwachsene Person stets das Gewicht 1. Jede weitere Person erhält ein Gewicht, das die Größenordnung des Mehrbedarfs berücksichtigen soll, der durch diese Person entsteht: Weitere Erwachsene und Kinder ab 14 Jahren erhalten das Gewicht 0,5, Kinder unter 14 Jahren das Gewicht 0,3. So ergibt sich bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren beispielsweise das Gesamtgewicht 2,1. Das verfügbare Haushaltseinkommen wird nun durch die Summe der Gewichte dividiert. Das so ermittelte Einkommen der Personen wird als »bedarfsgewichtetes Äquivalenzeinkommen« bezeichnet und jeder Person im Haushalt als persönli­ches Äquivalenzeinkommen zugeschrieben.

Die Ergebnisse entstammen der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC). EU-SILC ist die amtliche Hauptdatenquelle für die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU. In Deutschland ist die Erhebung seit dem Jahr 2020 als Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert. Aufgrund der damit verbundenen umfangreichen methodischen Änderungen ist ein Vergleich der Ergebnisse ab 2020 mit den Vorjahren nicht möglich. Damit zwischen dem Ende des Erhebungsjahres und der Ergebnisbereitstellung möglichst wenig Zeit vergeht, werden seit dem Erhebungsjahr 2020 zunächst Erstergebnisse und mit einigem zeitlichen Abstand Endergebnisse veröffentlicht. Bei den hier angegebenen Ergebnissen für 2022 handelt es sich um Erstergebnisse.


  VERWEISE  

  •  ...

Sozialbericht 2024: Wachsende Vermögen und soziale Ungleichheit in Deutschland
Ungleichheit und Armutsrisiko kaum verändert – trotz steigender Vermögen und Löhne In Deutschland sind die Vermögen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, aber die Verteilung ist nach wie vor sehr ungleich, insbesondere zwischen Ost- und...
Bildung und Qualifikationen in Deutschland: Ergebnisse des Zensus 2022
Zensus 2022: Bildungsstand in Deutschland Die Ergebnisse des Zensus 2022 geben u.a. interessante Einblicke über den Bildungsstand der Bevölkerung in Deutschland. Rund 20 Prozent der Personen ab 15 Jahren hatten einen Hochschulabschluss. In...
IAB: Jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht
Auf was armutsgefährdete Kinder in Deutschland verzichten müssen Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass im Jahr 2022 rund 18,8 Prozent der Kinder in Deutschland armutsgefährdet waren. Besonders...

  • Empfehlung(en) zum Artikel:
    Wer nichts hat, glaubt nicht an seine Talente
    Sozioökonomische Herkunft wirkt sich auf die Selbstwahrnehmung und damit verbundene Erfolgschancen von Menschen aus Menschen mit niedriger sozioökonomischer Herkunft halten sich für weniger tale...
    Mehr Geld für Schulen in den ärmsten Nachbarschaften
    Mittel aus dem Startchancenprogramm könnten über die Armutsquote fairer verteilt werden Kinderarmut verteilt sich in Deutschland sehr ungleich. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Ber...

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • »Mein Bildungsraum« in der Kritik

    Kurzbesprechung des Artikels »Digitalisierung: Großprojekt des Bundes "Mein Bildungsraum" in der Kritik« von Dorothee Wiegand Der Artikel von Dorothee Wiegand (veröffentlicht auf heise.de) bietet einen umfassenden Überblick zum BMBF-Projekt »Mein...

  • Informatikunterricht in Deutschland: Große Fortschritte, aber noch viel zu tun

    Informatik-Monitor 2024/25: Fortschritte und Herausforderungen  Im Schuljahr 2024/25 werden fast drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler Informatik als Pflichtfach belegen. Das geht aus dem aktuellen Informatik-Monitor 2024/25 hervor, den die...

  • Bildungsplattform »Mein NOW«: Potenzial ungenutzt

    Portal »mein NOW«: Kritik an Usability und Zielgruppenansprache Die Bildungsjournalistin Gudrun Porath hat in einer Kolumne auf Haufe.de das Online-Portal »mein NOW« kritisch beleuchtet und kommt zu dem Schluss, dass die Weiterbildungsplattform »hinter den...

  • Anhörung zum AFBG: Experten für die Förderung beruflicher Weiterbildung

    Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG), der insbesondere der Stärkung der beruflichen Weiterbildung und Fachkräftesicherung dienen soll, ist bei einer öffentlichen...

  • Fünf Wege zu mehr Flexibilität: Empfehlungen für die nachschulische Bildung

    Übergänge in Ausbildung und Studium - Wie die Politik in Zeiten des Fachkräftemangels nachschulische Bildung gestalten muss Expert*innen plädieren für mehr Flexibilität in der nachschulischen Bildung Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einer großen...

 

 

.