Herausforderungen und Chancen der Weiterbildung
Qualifizierung braucht Struktur, Vorbilder, kommunizierte Ziele und die Bereitschaft aller, sich weiterzuentwickeln
Weiterbildung gilt als Schlüssel, um den demografischen Wandel und die wirtschaftliche Transformation zu meistern. Doch welche Fähigkeiten benötigen Betriebe in Zukunft und wie beeinflusst das Angebot von Weiterbildung die Geschwindigkeit der Veränderung?
Zentrale Fragen und aktuelle Herausforderungen
Birthe Kretschmer, Vorstandsvorsitzende von Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn) und Geschäftsführerin der ZEIT Akademie, setzt sich in einer Erklärung kritisch damit auseinander, welche Skills bereits vorhanden sind und welche die Unternehmen hierzulande in Zukunft brauchen.
Die Autorin kritisiert, dass derzeit keine ausreichenden, strukturierten Antworten auf die Fragen zu Anforderungen und Voraussetzungen vorliegen. Sie weist auf Widersprüche hin: Unternehmen beklagen einen Fachkräftemangel, schränken aber gleichzeitig die Weiterbildung für ältere Beschäftigte stark ein.
Eine genaue Analyse, welche Fähigkeiten bereits vorhanden sind und welche künftig benötigt werden, sei notwendig. Oft fehlen noch strukturierte Daten, und Betriebe müssen ihre Lernangebote sinnvoll in ihre Unternehmensstrategien einbinden. Weiterbildung werde nur dann wirksam, wenn es Vorbilder, feste zeitliche Budgets und kommunizierte Ziele gebe.
Nachholbedarf in Deutschland
Deutschland hat offensichtlich noch Nachholbedarf bei der Weiterbildung. Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes vom Oktober 2023 nahmen 2022 nur rund acht Prozent der 25- bis 64-Jährigen an einer Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahme teil. Im EU-Durchschnitt waren es zwölf Prozent. Besonders hoch lag die Teilnahmequote in skandinavischen Ländern wie Schweden, wo 36 Prozent der 25- bis 64-Jährigen an Weiterbildungen teilnahmen.
Weiterbildung für ältere Beschäftigte
Vor allem jüngere Generationen nehmen in Deutschland an Weiterbildungen teil. Das bedeutet jedoch nicht, dass Ältere sich nicht weiterbilden wollen. Laut dem Pulse Survey des Randstad Arbeitsbarometers (Q3/2023) erhalten vor allem ältere Beschäftigte weniger Fortbildungsangebote. Im Schnitt bekommt jeder vierte Arbeitnehmer unter 50 Jahren eine Weiterbildung angeboten, aber nur jeder sechste über 50 und jeder zehnte über 60. Dabei nehmen gerade Beschäftigte über 60 Jahre ein ihnen angebotenes Fortbildungsangebot überproportional häufig an.
Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wunsch und Wirklichkeit bezüglich Weiterbildung decken sich bei den Beschäftigten oft nicht. Laut dem Survey haben nur 63 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in den letzten zwölf Monaten ein Weiterbildungsangebot von ihrem Arbeitgeber erhalten, während sich 84 Prozent ein solches Angebot gewünscht hätten.
Potenzial gut ausgebildeter Frauen ungenutzt
Das Potenzial gut ausgebildeter Frauen wird in Deutschland ebenfalls nicht ausreichend ausgeschöpft. Laut einer weiteren Randstad-Studie vom Mai 2024 geben 55,3 Prozent der Frauen an, von ihren Arbeitgebern nicht bei Weiterbildungen unterstützt zu werden. Bei den männlichen Kollegen sind es 49,8 Prozent. Kretschmer fordert hier eine Veränderung im Interesse aller.
Anpassung an die Bedürfnisse jüngerer Generationen
Unternehmen sollten die Ansprüche und Ziele der verschiedenen Gruppen berücksichtigen, um attraktiv zu bleiben. Die Generationen Z und Alpha lernen anders: Sie bevorzugen multimediales, audiovisuelles, kollaboratives sowie orts- und zeitunabhängiges Lernen. Präsenz-Fortbildungen, die dem Teambuilding dienen, sollten mehr der Vernetzung und weniger der reinen Wissensvermittlung dienen. Diese Generationen haben zudem einen digitalen Wissensvorsprung.
Gesellschaftliche Weiterentwicklung notwendig
Die Gesellschaft muss sich ebenfalls weiterentwickeln. Kretschmer fordert ein Umdenken bei konservativen Familienbildern und die Schaffung ausreichender Betreuungsmöglichkeiten, um Frauen zu ermöglichen, ihre Arbeitsstunden zu erhöhen.
Weiterbildung ist essenziell für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Gesellschaft. Es bedarf struktureller Änderungen und gezielter Angebote, um das volle Potenzial auszuschöpfen und den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht zu werden.