IAB-Stellungnahme »Chancengleichheit und berufliche Bildung«

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Stellungnahme des IAB zur Anhörung der Enquetekommission I »Chancengleichheit in der Bildung« des Landtags Nordrhein-Westfalen am 28.6.2024

Übergangssektor und Berufsorientierung im Fokus: IAB analysiert Bildungsungleichheiten

Die Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu Chancengleichheit und beruflicher Bildung in Nordrhein-Westfalen (NRW) bietet eine umfassende Analyse der aktuellen Herausforderungen und Chancen im Bildungsbereich. Sie wurde im Rahmen einer Anhörung der Enquete-Kommission des Landtags NRW erstellt und enthält wichtige Empfehlungen zur Förderung der Chancengleichheit in der Bildung.

Der vorliegende Artikel beleuchtet die zentralen Inhalte, bewertet die vorgeschlagenen Maßnahmen und diskutiert die Relevanz der Stellungnahme für die Bildungspolitik in NRW.

Hintergrund und Ziele der Stellungnahme

Die IAB-Stellungnahme ist eine Reaktion auf die Initiative des Landtags Nordrhein-Westfalen zur Priorisierung von Bildung und zur Schaffung von Chancengleichheit für alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.

Der Landtag folgte einem Antrag der SPD-Fraktion, eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten, die Lösungen zur Förderung der Chancengleichheit erarbeiten soll.

Ziel der Stellungnahme des IAB ist es, wissenschaftlich fundierte Vorschläge zur Verbesserung der Bildungslandschaft zu liefern und damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Entscheidungsfindung zu leisten.

KERNTHEMEN DER STELLUNGNAHME

Berufsorientierung und -vorbereitung verbessern

Ein zentrales Anliegen des IAB-Textes ist die Verbesserung der schulischen Berufsorientierung und -vorbereitung. Das IAB betont die Bedeutung zielgerichteter Informations- und Beratungsangebote, insbesondere für Jugendliche, die ein hohes Risiko haben, den Übergang in eine Berufsausbildung nicht zu schaffen.

In der Stellungnahme wird auf die »CoDu«-Studie verwiesen, die gezeigt hat, dass vielen Schüler*innen relevante Berufsorientierungsangebote fehlen. Diese Lücke zu schließen, ist laut IAB unerlässlich, um den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung erfolgreicher zu gestalten.

Das Gutachten plädiert für eine bessere Strukturierung der vorhandenen Informationsquellen und die Einführung eines Kerndatensystems zur Erfassung von Schülerinnen am Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt.

Reform des Übergangssektors

Ein weiterer Schwerpunkt der Stellungnahme ist die Reform des Übergangssektors, der derzeit ineffizient und überdimensioniert ist.

Das IAB betont, dass der Übergangssektor ursprünglich geschaffen wurde, um Jugendlichen ohne direkten Zugang zur Berufsausbildung eine Alternative zu bieten. Heute sei die Struktur dieses Sektors jedoch zu komplex und oft unübersichtlich, was es den Jugendlichen erschwere, den richtigen Weg zu finden.

Die Stellungnahme fordert daher eine systematische Bestandsaufnahme und eine bedarfsgerechte Zuweisung der Jugendlichen zu den verschiedenen Maßnahmen. Besonders hervorgehoben wird die Rolle betrieblicher Praktika, die nachweislich die Chancen auf eine erfolgreiche Integration in Ausbildung erhöhen.

Fehlanreize abbauen

Das Gutachten benennt auch monetäre Fehlanreize, die Jugendliche von der Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung abhalten. Insbesondere Jugendliche aus SGB-II-Bedarfsgemeinschaften stehen häufig vor dem Dilemma, dass ihre Ausbildungsvergütung auf die Sozialleistungen ihrer Familie angerechnet wird, was den finanziellen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung mindert.

Das IAB weist darauf hin, dass die Reform des Bürgergeldes zwar Verbesserungen gebracht hat, es aber weiterhin Abzüge gibt, die die Attraktivität einer Ausbildung mindern. Diese Fehlanreize gilt es durch gezielte Reformen weiter abzubauen, um den Zugang zur beruflichen Ausbildung für diese Zielgruppe zu erleichtern.

Integration von Migranten und Flüchtlingen

Ein wesentlicher Teil der Stellungnahme widmet sich der Frage, wie die Potenziale der beruflichen Bildung für die Integration von Zugewanderten und Flüchtlingen besser genutzt werden können.

Das IAB betont die Bedeutung von Sprachkursen, Beratungsangeboten und der Verbesserung des Zugangs zu Bildungsangeboten. Besonders hervorgehoben werden die spezifischen Herausforderungen von geflüchteten Frauen und Müttern, die häufig vor zusätzlichen Hürden wie der Vereinbarkeit von Ausbildung und Kinderbetreuung stehen. Hier schlägt das IAB vor, gezielte Unterstützungsmaßnahmen einzuführen, um diesen Gruppen den Zugang zu Ausbildung zu erleichtern.

Bewertung der Maßnahmenvorschläge

Die Vorschläge des IAB sind umfassend und basieren auf einer breiten Datenbasis sowie wissenschaftlichen Studien. Besonders positiv hervorzuheben ist die differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Zielgruppen und ihrer spezifischen Bedarfe.

Das Gutachten zeigt praxisnahe Ansätze zur Verbesserung der Chancengleichheit in der beruflichen Bildung auf und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik in NRW.

Bedeutung für die Bildungspolitik in NRW

Die IAB-Stellungnahme ist ein wertvoller Beitrag zur Diskussion um Chancengleichheit und berufliche Bildung in NRW. Sie bietet der Bildungspolitik fundierte und differenzierte Einblicke in die bestehenden Herausforderungen und zeigt konkrete Lösungswege auf.

Insbesondere die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung und zur Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen sind für die zukünftige Gestaltung des Bildungssystems in NRW von großer Bedeutung.

Die Stellungnahme unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Bildungssystems, um allen Jugendlichen - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft - gleiche Chancen auf eine erfolgreiche berufliche Zukunft zu eröffnen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen können dazu beitragen, Bildungsungleichheiten in NRW nachhaltig abzubauen und das Bildungssystem insgesamt effizienter und inklusiver zu gestalten.

Hintergrund
Zur schriftlichen Anhörung der Enquetekommission I »Chancengleichheit in der Bildung« des Landtags Nordrhein-Westfalen hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seine Stellungnahme abgegeben. Darin werden Herausforderungen und Lösungen (praxistaugliche Ansätze zur Unterstützung erfolgreicher Maßnahmen) folgender Themenfelder behandelt: Verbesserung der Berufsorientierung und -vorbereitung in Schulen, der Übergänge aus der Schule in berufliche (Aus-)Bildung sowie den Übergangssektor, Verringerung von Ausbildungsabbrüchen, Erschließung der Potenziale der Berufsbildung für die Integration von Zugewanderten und Geflüchteten, Bedeutung von Rollenvorbildern, bildungspolitische Hebel für mehr Chancengleichheit, Bildungsforschung am IAB sowie Verringerung der Unterrepräsentation von Frauen in Handwerksberufen

Bibliographie:
Anger, Silke, Laura Goßner, Pascal Heß, Philipp Jaschke, Ute Leber, Brigitte Schels, Franziska Schreyer & Carina Toussaint (2024): Chancengleichheit und berufliche Bildung. Stellungnahme des IAB zur Anhörung der Enquetekommission I »Chancengleichheit in der Bildung« des Landtags Nordrhein-Westfalen am 28.6.2024. (IAB-Stellungnahme 02/2024), Nürnberg, 27 S. DOI:10.48720/IAB.SN.2402


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