Sprachliche Bildung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher fördern

SWK

SWK empfiehlt Maßnahmen zur Stärkung der Zielsprache Deutsch

Sprachliche Bildung ist eine Kernaufgabe des Bildungssystems und für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zentral. Dies gilt in besonderer Weise für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche, die über geringe Deutschkenntnisse verfügen. Sie sind auf professionelle Sprachförderung angewiesen, die ihren heterogenen Sprach- und Lernvoraussetzungen gerecht wird. Für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sind qualifizierte Lehrkräfte und klare Rahmenvorgaben erforderlich.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) empfiehlt, Verfahren der Diagnostik zu etablieren, ein Maßnahmepaket zur sprachlichen Bildung zentral zu entwickeln und evidenzbasierte Qualifizierungsangebote für Lehrkräfte zu schaffen.

Die SWK hat am 29.01.2024 die Stellungnahme »Sprachliche Bildung für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gestalten – Maßnahmen zur Förderung der Zielsprache Deutsch« veröffentlicht. Die Integration von Kindern und Jugendlichen aus zugewanderten Familien gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Bildungssystems. Inwieweit die Förderung dieser Kinder und Jugendlichen gelingt, ist nicht nur für ihre eigenen Bildungschancen, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland von Bedeutung.

Simone Oldenburg, Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und Präsidentin der Bildungsministerkonferenz 2025: »Das Beherrschen der deutschen Sprache ist die Grundlage für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in all seinen Facetten. Sprachkenntnisse sind eine wesentliche Voraussetzung für den Schulerfolg und für den Einstieg ins Berufsleben. Unser Ziel ist es, dass alle Kinder und Jugendlichen selbstsicher sprechen und einander verstehen können. Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft. Unser Blick richtet sich dabei insbesondere auf neu zugewanderte Kinder und Jugendliche mit geringen Deutschkenntnissen. Eine professionelle Sprachförderung sicherzustellen, ist eine zentrale Aufgabe. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem. In den Ländern bestehen bereits zahlreiche Maßnahmen und Programme zur Sprachförderung. Ich bin der SWK außerordentlich dankbar für ihre Stellungnahme und die damit verbundenen Empfehlungen, über die wir in der Bildungsministerkonferenz beraten werden.«

Die SWK leitet aus nationalen und internationalen Erfahrungen und Analyseergebnissen in ihrer Stellungnahme Kriterien für Rahmenvorgaben und konkrete Maßnahmen ab. Der Fokus liegt auf einer systematischen Diagnostik und Förderung der Zielsprache Deutsch in der Schule, deren Beherrschung eine Schlüsselrolle für die Bildungsintegration in Deutschland, den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Teilhabe spielt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich neu zugewanderte Kinder und Jugendliche erheblich in ihren sprachlichen und fachlichen Lernvoraussetzungen unterscheiden. Manche können in ihren Herkunftssprachen bereits anspruchsvolle Texte lesen und haben zum Teil auch schon eine Fremdsprache gelernt, andere sind aufgrund einer unterbrochenen Schullaufbahn noch nicht alphabetisiert und bringen allgemein kaum schulbezogenes Vorwissen mit. Um angesichts der unterschiedlichen Bedürfnisse eine effektive Sprachförderung zu ermöglichen, empfiehlt die SWK eine verbindliche Diagnostik der Lernausgangslage und -entwicklung.

Prof. Dr. Petra Stanat, SWK-Mitglied und Wissenschaftlicher Vorstand des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität Berlin: »Die Förderung von Deutsch als Zweitsprache ist äußerst anspruchsvoll. Wir brauchen Lehrkräfte, die hierfür ausgebildet sind und durch die Bereitstellung von Rahmenvorgaben, diagnostischen Instrumenten und Fördermaterial unterstützt werden. Leitend sollte ein Modell sein, bei dem neu zugewanderte Kinder und Jugendliche zunächst eine intensive Sprachförderung erhalten, in zunehmendem Umfang am Regelunterricht ihrer Klasse teilnehmen und die Sprachförderung auch nach vollständigem Übergang in die Regelklasse weitergeführt wird. Denn mit einer intensiven Sprachförderung in den ersten ein bis zwei Jahren ist es in der Regel nicht getan. Wer selbst schon einmal eine Sprache gelernt hat, weiß: Man braucht etwa fünf bis sieben Jahre, um sie wirklich zu beherrschen. Dies zeigt auch der Forschungsstand.«

Die SWK hält die Einrichtung einer zentralen Stelle für wesentlich, der die Zuständigkeit für die Diagnostik übertragen wird, um mit einer verbindlichen Lernausgangslagendiagnostik bereits vorhandene Deutschkenntnisse, den Grad der Alphabetisierung und andere relevante Vorkenntnisse zu erfassen, damit Schulen passgenaue Maßnahmen ergreifen können.

Die empfohlenen Maßnahmen zielen darauf ab, am Wissensstand der Kinder und Jugendlichen anzusetzen und ihnen möglichst zügig und schrittweise eine Integration in die Regelklasse zu ermöglichen. Anhand von Rahmenvorgaben für Sprachklassen, additive Sprachförderung und sprachsensiblen Unterricht, die an die Bedingungen in der jeweiligen Schule anzupassen sind, sollten die Schülerinnen und Schüler adaptiv gefördert werden. Auch für Jugendliche, die nach Verlassen einer Sprachförderklasse in eine Ausbildung wechseln, ist eine additive Sprachförderung sicherzustellen. Es wird zudem empfohlen, die Wirksamkeit der Förderung im Rahmen datengestützter Qualitätsentwicklung in Schulen und in Bildungsmonitorings nachzuverfolgen.

Die SWK empfiehlt weiterhin, evidenzbasierte Angebote zur Qualifizierung von Lehrkräften für sprachliche Bildung zu schaffen. Hierzu gehören Möglichkeiten der Spezialisierung in Deutsch als Zweitsprache in der Aus- und Weiterbildung sowie Module für alle Lehramtsstudierenden zu sprachsensiblem Fachunterricht.

An der Stellungnahme haben neben der SWK maßgeblich auch Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek (Mitglied der SWK bis Juni 2024 und Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe für die Stellungnahme, ehemals Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, Universität zu Köln) und Prof. Dr. Beate Lütke (Professorin für Didaktik der deutschen Sprache/Deutsch als Zweitsprache an der Humboldt-Universität Berlin) mitgewirkt.

Die Empfehlungen auf einen Blick

  • Empfehlung 1
    Verfahren der Diagnostik etablieren, die für Entscheidungen über Maßnahmen der sprachlichen Bildung von Kindern und Jugendlichen grundlegend sind.
  • Empfehlung 2
    Ein Maßnahmepaket zur sprachlichen Bildung zentral entwickeln, das von den Schulen adaptiert und umgesetzt wird.
  • Empfehlung 3
    Evidenzbasierte Angebote der Qualifizierung von Lehrkräften für sprachliche Bildung schaffen.

Kontakt
Dr. Judith Schulte
Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK)
Geschäftsstelle
0228. 501 701
judith.schulte@swk.kmk.org 


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