Studie deckt soziale Ungleichheiten in beruflicher Weiterbildung auf

(Geschätzte Lesezeit: 2 - 3 Minuten)
Uni LeipzigBeim Zugang zu beruflichen Weiterbildungen gibt es nach einer aktuellen Studie noch immer gravierende soziale Ungleichheiten. Dr. Alexander Yendell, Soziologe an der Universität Leipzig, kommt zu dem Ergebnis, dass Geschlecht, Bildung und die Stellung in der Betriebshierarchie einen wesentlichen Einfluss auf die Chance haben, sich weiterzubilden.
 
Für seine Studie wertete er Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer repräsentativen Wiederholungsbefragung von über 12.000 Privathaushalten in Deutschland, aus. Die Ergebnisse seiner Analysen wurden jetzt im Springer VS Verlag veröffentlicht.

Um den Zugang zu Weiterbildungen in seiner Entwicklung quantitativ erfassen zu können, analysierte Yendell Datensätze des SOEP von 1989 bis 2008, in denen Fragen zu Weiterbildungen vorkommen. Yendells Forschungen ergaben, dass Ungleichheiten unter anderem im Zusammenhang mit dem Geschlecht auftreten, wobei Frauen etwas weniger an Weiterbildungen teilnehmen als Männer. Allerdings habe es über die Jahre hinweg eine Angleichung gegeben: Frauen näherten sich in der Weiterbildungshäufigkeit Männern im untersuchten Zeitraum an. Ungleichheiten seien von Faktoren beeinflusst worden, die mit der Lebens- und Berufssituation von Frauen in Zusammenhang stehen.

»Sobald Kinder ins Spiel kommen, sind Frauen benachteiligt, weil sie dann kaum Zeit dafür haben und Unternehmen seltener in Weiterbildungen von Frauen investieren. Männer mit Kindern haben dieses Problem eher nicht«, stellte der Wissenschaftler fest. Allerdings nehmen in Vollzeit arbeitende Frauen Yendell zufolge mittlerweile mehr an beruflichen Weiterbildungen Teil als in Vollzeit tätige Männer. Einen größeren Einfluss noch als das Geschlecht hat der Studie zufolge die Bildung. Seit 1989 liegt die Weiterbildungsquote bei Menschen mit Hauptschulabschluss bei nur 15 Prozent, bei Menschen mit Abitur bei 45 Prozent.

Weiterbildungen würden gar nicht so rational verteilt wie anzunehmen wäre. »Im Grunde genommen wissen wir gar nicht genügend über die Entscheidungsprozesse hinsichtlich Weiterbildung in Unternehmen. Vermutlich spielen hier Machtspiele zwischen Personen und Abteilungen in Betrieben eine entscheidende Rolle«, sagt Yendell. Auch der Status in der Firmenhierarchie beeinflusse die Verteilung von Weiterbildungskursen. So hat eine Führungskraft eine 4,2-mal so hohe Chance auf eine Weiterbildung als ein Erwerbstätiger mit einfacher Aufgabe, Fachkräfte eine 1,9-mal so hohe.

»An beruflicher Weiterbildung nehmen trotz des Postulats vom lebenslangen Lernen viele Menschen nicht teil. Über den gesamten Zeitraum zwischen 1989 und 2008 sind die Ungleichheiten sehr robust. Es gilt das Matthäus-Prinzip, wer da hat, dem wird gegeben. Wer beispielsweise Führungskraft ist, der bekommt auch Zugang zur beruflichen Weiterbildung und muss nur selten dafür bezahlen. Umgekehrt gilt: Wer in der Betriebshierarchie unten steht, der bekommt auch weniger Weiterbildung und muss sich häufiger selbst um Fortbildung kümmern, wenn er daran teilnehmen möchte«, resümiert Yendell.

Die zunehmende Automatisierung und der Einsatz von Robotern dürfte seiner Ansicht nach vor allem die Menschen mit einfachen Tätigkeiten ohne besondere berufliche Qualifikation hart treffen, auch weil sie nur selten an Weiterbildung teilnehmen und das aufgrund mangelnder eigener finanzieller Ressourcen meist nicht können. »Dadurch verschärft sich die ohnehin schon schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt immens«, betont er. Hier bestehe, so Yendell, dringender politischer Handlungsbedarf. Aus seiner Sicht wäre es in diesem Zusammenhang wichtig, wenn sich die Bildungspolitik künftig Strategien entwickle, um mehr Adressaten den Zugang zur beruflichen Weiterbildung zu ermöglichen.

 

  LINKS  

  •  ...

 

Weiterbildungsmentoring: Schlüssel zur Stärkung der Weiterbildungskultur
Qualifizierung von Weiterbildungsmentorinnen und –mentoren Mehr als 460 Weiterbildungsmentor*innen engagieren sich bundesweit in rund 170 Unternehmen und Verwaltungen. Sie unterstützen insbesondere Geringqualifizierte und Menschen mit negativen...
Sozialbericht 2024: Wachsende Vermögen und soziale Ungleichheit in Deutschland
Ungleichheit und Armutsrisiko kaum verändert – trotz steigender Vermögen und Löhne In Deutschland sind die Vermögen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, aber die Verteilung ist nach wie vor sehr ungleich, insbesondere zwischen Ost- und...
Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Gute Arbeitsmarktintegration trotz bürokratischer Hürden und Diskriminierung
Arbeitsmigration nach Deutschland: Anteil von Frauen und jungen Menschen steigt Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) 2020 hat sich die Erwerbsmigration nach Deutschland deutlich verändert: Es kommen immer mehr junge...

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

  • »Mein Bildungsraum« in der Kritik

    Kurzbesprechung des Artikels »Digitalisierung: Großprojekt des Bundes "Mein Bildungsraum" in der Kritik« von Dorothee Wiegand Der Artikel von Dorothee Wiegand (veröffentlicht auf heise.de) bietet einen umfassenden Überblick zum BMBF-Projekt »Mein...

  • Informatikunterricht in Deutschland: Große Fortschritte, aber noch viel zu tun

    Informatik-Monitor 2024/25: Fortschritte und Herausforderungen  Im Schuljahr 2024/25 werden fast drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler Informatik als Pflichtfach belegen. Das geht aus dem aktuellen Informatik-Monitor 2024/25 hervor, den die...

  • Bildungsplattform »Mein NOW«: Potenzial ungenutzt

    Portal »mein NOW«: Kritik an Usability und Zielgruppenansprache Die Bildungsjournalistin Gudrun Porath hat in einer Kolumne auf Haufe.de das Online-Portal »mein NOW« kritisch beleuchtet und kommt zu dem Schluss, dass die Weiterbildungsplattform »hinter den...

  • Anhörung zum AFBG: Experten für die Förderung beruflicher Weiterbildung

    Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG), der insbesondere der Stärkung der beruflichen Weiterbildung und Fachkräftesicherung dienen soll, ist bei einer öffentlichen...

  • Fünf Wege zu mehr Flexibilität: Empfehlungen für die nachschulische Bildung

    Übergänge in Ausbildung und Studium - Wie die Politik in Zeiten des Fachkräftemangels nachschulische Bildung gestalten muss Expert*innen plädieren für mehr Flexibilität in der nachschulischen Bildung Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einer großen...

 

 

.