DGWF: »Unser Ziel ist ein Miteinander in der Weiterbildung, kein Nebeneinander«
Interview mit Dr. Beate Hörr, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) e.V. und Leiterin des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz über das Engagement der DGWF beim Deutschen Weiterbildungstag 2016.
Frau Dr. Hörr, die Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) beteiligt sich in diesem Jahr erstmals als offizieller Mit-Veranstalter am Deutschen Weiterbildungstag. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Das waren mehrere Gründe, genau genommen vier. Zum ersten wollten wir als DGWF ein bildungspolitisches Signal setzen: berufliche, wissenschaftliche und alle anderen Formen von Weiterbildung gehören zusammen! Alle Bereiche der Fort- und Weiterbildung sind eng miteinander verzahnt und wir – die wissenschaftliche Weiterbildung – sind Teil dieser Bildungslandschaft. Dieses Signal ist uns vor allem deshalb wichtig, weil wir mit Sorge eine zunehmende Versäulung des Weiterbildungssystems beobachten. Zum zweiten passte das diesjährige Thema »Weiterbildung 4.0« oder »Weiterbildung digital« einfach sehr gut zu uns. Das »F« in DGWF steht schließlich für Fernstudium – und das schon seit 45 Jahren. Daher wollten wir uns hier gerne einbringen.
Zum dritten möchten wir als Netzwerk der wissenschaftlichen Weiterbildung in der Öffentlichkeit präsenter werden. Wir wollen in der »Branche« und darüber hinaus besser wahrgenommen werden. Und da scheint uns eine gemeinsame, an die Öffentlichkeit gerichtete Kampagne wie der Deutsche Weiterbildungstag gut geeignet. Last but not least, und das ist der vierte Grund, ist es uns schon länger ein Anliegen, mit weiteren Vertretern der Weiterbildung intensiver ins Gespräch zu kommen. Wir wollen in der Öffentlichkeit und auf politischen Feldern mehr bewegen und die Rahmenbedingungen für Weiterbildung im nationalen wie auch europäischen Rahmen verbessern. Das geht nur gemeinsam und daher möchten wir Teil einer solchen Gemeinschaft sein.
Willkommen! Ihre Ziele decken sich ziemlich genau mit dem, was der Deutsche Weiterbildungstag als Zusammenschluss vieler Träger der beruflichen, politischen, kulturellen und allgemeinen Weiterbildung will. Bitte stellen Sie doch den Bereich wissenschaftliche Weiterbildung einmal genauer vor. Was verbirgt sich überhaupt dahinter?
Definieren würde ich wissenschaftliche Weiterbildung als »berufliche, politische und allgemeine Weiterbildung an Hochschulen, die sich durch Praxisrelevanz, Problemorientierung und Methodenkompetenz auszeichnet«. Jenseits dieser Definition ist wissenschaftliche Weiterbildung ein weites Feld. Sie ist in jedem Bundesland anders verortet, nach Bologna ist das sogar noch komplexer geworden.
Kann man nicht einfach sagen: wissenschaftliche Weiterbildung ist die, die an Universitäten angesiedelt ist ...
Das wäre zu einfach. Damit würden wir zum Beispiel Institutionen wie das Fraunhofer-Institut oder andere An-Institute mit verschiedenen Rechtsformen ausschließen, die ebenfalls wissenschaftliche Weiterbildung anbieten. Vielleicht hilft ein Blick auf unsere Mitgliederstruktur. Von den derzeit 322 Mitgliedern repräsentieren 203 Hochschulen. Das ist ungefähr die Hälfte der registrierten Hochschulen in Deutschland. Die restlichen 119 Mitglieder unseres Verbandes sind persönliche Mitglieder, die zum Beispiel an Forschungs- und An-Instituten wie eben Fraunhofer arbeiten.
Und wie viele Menschen bilden Sie jährlich etwa weiter?
Auch das ist nicht einfach zu sagen, denn die Angebote reichen vom Seminar über den Tageskurs bis zum mehrjährigen Kontaktstudiengang. Nach einer eher konservativen Schätzung haben »unsere« 200 Einrichtungen etwa 500.000 Teilnahmen pro Jahr. Vermutlich liegt die Zahl sogar noch höher.
Das sind beeindruckende Dimensionen, die Sie als Verband vertreten. Welche politischen Ziele stehen für die DGWF derzeit ganz oben auf der Agenda?
Was uns im Moment ganz besonders beschäftigt ist das Thema Diversifizierung. Wir erleben ja eine unglaubliche Ausdifferenzierung der Zielgruppen des lebenslangen Lernens und eine damit einhergehende Diversifizierung der Strukturen. Es wird immer unterschiedlicher, was die Zielgruppen wollen, was sie mitbringen und wie demzufolge unsere Angebote aussehen müssen. Neben den Formaten müssen hier auch die Finanzierungsmodelle angepasst werden, das ist ein wichtiges Thema. Ganz konkret geht es auch um das Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung »Aufstieg durch Bildung«. Das Programm hat zu einer großen Öffnung der Hochschulen und ihrer Bildungsangebote für nicht-traditionelle Studierende geführt. Aber die große Frage ist für uns: Was bleibt, wenn das Programm endet? Wie nachhaltig ist die Finanzierung? Und wie verzahnen wir uns mit Projekten so, dass auch über Projektförderungen hinaus etwas bestehen bleibt? Hier geht es also um die bildungspolitische Forderung nach auskömmlicher Finanzierung, die wir auf Bundesebene einbringen und mit der wir zugleich unsere Landesgruppen unterstützen, die dies auf Landesebene politisch durchsetzen müssen. Weitere aktuelle Themen sind Angebote für Flüchtlinge an Universitäten, Angleichung von Anerkennungsverfahren, wenn ich von einer zur anderen Hochschule wechseln will und immer wieder das zentrale Thema Vernetzung und Verzahnung mit anderen Bereichen der Weiterbildung. Unser Ziel ist ein Miteinander, nicht nur ein Nebeneinander in der Weiterbildung.
Und damit wären wir wieder beim Deutschen Weiterbildungstag. Eine letzte Frage dazu: Welche konkreten Aktionen haben Sie sich zum Thema »Weiterbildung 4.0 - fit für die digitale Welt« überlegt? Was ist von der DGWF und ihren Mitgliedern zu erwarten?
Wir sind derzeit dabei, breit über den Weiterbildungstag zu informieren und haben schon einige Rückläufer. Ich denke, unsere Mitglieder werden ganz unterschiedlich vor Ort Formate umsetzen, zum Beispiel kleine Online-Lerneinheiten zum Testen, Angebote für Trainer im Sinne von »Train the Trainer«, Infostände oder öffentliche Beratungsangebote sowie Podiumsdiskussionen mit Vertretern aus Politik und Wissenschaft. Auch unsere AG Weiterbildung für Ältere will aktiv werden. Und das DIE wird das Projekt GRETA vorstellen (Grundlagen zur Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen-/Weiterbildung), bei dem u.a. die DGWF als Kooperationspartner mitwirkt. In jedem Fall wird die wissenschaftliche Weiterbildung beim Deutschen Weiterbildungstag zu erleben sein – das ist uns ein Anliegen.
Vielen Dank für das informative Gespräch!
Interview
Petra Hennicke, Büro Deutscher Weiterbildungstag
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