Betriebliche Weiterbildung mit Nachholbedarf
Gebrauchsanweisung fürs lebenslange Lernen: Eine Studie zeigt Erkenntnisse zur Weiterbildung und wie Betriebe sowie Mitarbeiter sie einsetzen können
Eine aktuelle Befragung von mehr als 10.000 Mitarbeitern aus Betrieben unterschiedlicher Größen und Branchen in ganz Deutschland, durchgeführt von der Hochschule für angewandtes Management mit Unterstützung der Vodafone Stiftung und Prof. Dr. Michael Heister vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), zeigt, dass die meisten Beschäftigten sich nicht so effektiv weiterbilden können, wie sie es gerne möchten. Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist sich bewusst, dass sie im Berufsleben Neues hinzulernen müssen, und fast 80 Prozent befürchten sogar negative Auswirkungen, wenn sie sich nicht fortbilden. Doch nur die Wenigsten fühlen sich dabei von ihrem Arbeitgeber ausreichend unterstützt: lediglich acht Prozent sehen die Lernkultur in ihrem Unternehmen als gut oder sehr gut an, und noch nicht einmal jeder Zehnte fühlt sich von seinem Vorgesetzten gut bis sehr gut beim Lernen unterstützt.
»Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt grundlegend verändern, während wir alle immer länger arbeiten werden«, so Dr. Mark Speich von der Vodafone Stiftung. Umso wichtiger ist es, laut Speich, »dass diejenigen, die im Berufsleben stehen, sich kontinuierlich weiterqualifizieren und dabei bestmöglich unterstützt werden, damit auch in späteren Lebensphasen der berufliche und soziale Aufstieg gelingen kann«. Hierfür müssten Führungskräfte ihre Rolle neu definieren und als Lern-Coaches Mitarbeiter in ihren Lernprozessen begleiten, so Studienleiterin Prof. Dr. Nele Graf, die Untersuchung biete konkrete Erkenntnisse über das Lern-Verhalten im Erwachsenenalter, an denen die Weiterbildung der Zukunft ausgerichtet werden sollte.
Erwachsene zeigen drei Arten des Lern-Verhaltens, die bei der Weiterbildung berücksichtigt werden sollten Laut der Studie zeigen sich im Erwachsenenalter drei unterschiedliche Lern-Stile. Unternehmen können ihren Mitarbeitern vor allem den Einstieg ins Lernen erleichtern, wenn sie ihnen Fortbildungs- und Weiterqualifizierungsmaßnahmen entsprechend ihres bevorzugten Lern-Stils zur Verfügung stellen:
- Aktivisten sind neugierig, praktisch orientiert und experimentieren gerne. Sie lernen am liebsten durch eigene Erfahrung, wie z.B. das Bearbeiten von Fallstudien oder das Hantieren mit Lerngegenständen.
- Beobachter sind zurückhaltend, vorsichtig und bevorzugen es, anderen erst einmal bei Übungen zuzusehen. Hospitationen und Mentoring sind ihre präferierten Lernmethoden.
- Nachdenker zeichnen sich durch analytisches und logisches Denken aus. Sie möchten verstehen, wie Dinge funktionieren und sammeln dazu gerne erst Fakten und Informationen, um sich neuen Lerngegenständen zunächst gedanklich zu nähern.
Diese Lern-Stile sind jedoch keine feste Charaktereigenschaft und können sich im Laufe des Berufslebens ändern. Vor allem Jüngere lernen häufig durch Beobachtungen. Ab 21 Jahren geht der Anteil der Beobachter jedoch deutlich zurück und die Lernstile des Nachdenkers und des Aktivisten werden wichtiger. Während unter Männern vor allem der Lern-Stil des Nachdenkers verbreitet (61 Prozent) ist, kann für Frauen kein präferierter Lern-Stil ausgewiesen werden. Der Lern-Stil des Nachdenkers wird mit steigender Schulbildung bzw. dem beruflichem Bildungsgrad zunehmend bevorzugt. Befragte ohne Schulabschluss lernen hingegen bevorzugt als Aktivisten.
Digitalisierung: Jüngere Mitarbeiter sind besser im Umgang mit der Technik, ältere sind besser im kritischen Einordnen von Inhalten aus dem Internet
Entgegen landläufiger Vorurteile herrscht bei der Nutzung von Computern und neuen Medien große Aufgeschlossenheit über alle Altersgrenzen hinweg: fast drei Viertel aller Befragten (71 Prozent) empfinden dies als eine wesentliche Bereicherung ihrer beruflichen Lern-Prozesse. Allerdings zeigen sich dabei je nach Altersgruppe unterschiedliche digitale Kompetenzen: vor allem die 21-35-Jährigen (47 Prozent) fühlen sich sehr sicher in der Nutzung von Computern und neuen Medien, bei den über 60-Jährigen sind es nur noch 25 Prozent. Hier könnten also die älteren Beschäftigten von ihren jüngeren Kollegen profitieren. Umgekehrt ist es dagegen bei einer anderen entscheidenden Fähigkeit in der digitalen Wissensgesellschaft: die kritische Auseinandersetzung mit online-basierten Lern- und Informationsquellen steigt mit dem Alter deutlich an. Von den bis zu 21-Jährigen hinterfragt lediglich rund ein Drittel (34 Prozent) digitale Lern-Informationen während es bei den über 60-Jährigen mehr als die Hälfte (53 Prozent) sind.
Beschäftigte schätzen eigenes Lern-Verhalten selbstkritisch ein Die meisten der befragten Mitarbeiter sehen jedoch nicht nur die Unternehmen, sondern auch sich selbst in der Verantwortung für die Weiterbildung. Dabei erkennen sie auch ihre eigenen Lern-Schwächen offen an: Vor allem jüngeren Mitarbeitern fällt der Einstieg ins Lernen schwer und sie lassen sich leicht vom Lernen ablenken oder bei schwierigen Lerninhalten entmutigen. Insgesamt gibt nicht einmal ein Viertel der Befragten (23 Prozent) an, ein gutes Durchhaltevermögen beim Lernen zu haben. Und schließlich schätzen lediglich 27 Prozent von ihnen, dass sie das neu Gelernte erfolgreich in den Arbeitsalltag übersetzen können. Deshalb ist es so wichtig, dass Mitarbeiter ihre eigenen Lernkompetenzen kennenlernen, damit sie selbst ihre Weiterbildung daraufhin ausrichten und von ihren Arbeitgebern dabei zielgerichtet unterstützt werden können.
VERWEISE