Statusakrobatik: »Zumindest hab ich mal wieder 'n Job«
Neue Studie zu prekären Erwerbsbiografien
Natalie Grimm (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen) untersucht in ihrer Studie »Statusakrobatik« die individuellen und sozialen Folgen neuer erwerbsbiografischer Unsicherheiten, die durch den Anstieg prekärer Beschäftigung und den Umbau des Sozialstaats entstanden sind. Über fünf Jahre hat sie instabil beschäftigte Personen unterschiedlicher sozialer Herkunft begleitet und mit ihnen über ihren Erwerbsverlauf, ihre Lebens- und Arbeitssituation, ihre Sorgen und Zukunftspläne gesprochen. Trotz unterschiedlicher Ressourcen und Handlungsstrategien zeichnen sich alle Befragten durch eine besonders hohe Motivation und Aktivität am Arbeitsmarkt aus.
Prekarität betrifft mittlerweile alle Berufsbereiche. Natalie Grimms Studie verdeutlicht, dass Statusinkonsistenzen und Brüche im Erwerbsverlauf mit dem Anstieg atypischer Beschäftigung und der Einführung des SGB II (umgangssprachlich »Hartz IV«) für viele zu einer Alltagserfahrung geworden sind. Die Göttinger Soziologin konstatiert: »Immer mehr Frauen und Männer mit unterschiedlichen sozialen und beruflichen Hintergründen können ihren sozialen Status über Erwerbsarbeit nicht auf Dauer absichern. Sie finden keine dauerhafte, existenzsichernde Beschäftigung und pendeln zwischen Erwerbsarbeit und Erwerbslosigkeit hin und her. Oder sie verdienen so wenig, dass sie zusätzlich staatliche Grundsicherung beantragen müssen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Andere finden trotz guter Ausbildungs- oder Hochschulabschlüsse keinen Arbeitsplatz, der ihren Qualifikationen entspricht und sind unterhalb ihres Ausbildungsniveaus beschäftigt. Über Praktika oder Leiharbeit versuchen sie viele Jahre, einen adäquaten Einstieg in ihren Beruf zu finden«.
Die Untersuchung zeigt, dass alle interviewten Personen in Reaktion auf ihre erlebten ‚Statusturbulenzen‘ spezifische Formen von Statusarbeit leisten. Mit dem Ziel der Statusoptimierung investieren sie z.B. viel in ihre Bildung. Zur Stabilisierung ihres Status passen sie sich an, indem sie für mögliche Arbeitsstellen umziehen oder immer schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen. Einige protestieren öffentlich oder vor Gericht im Kampf um Anerkennung. Andere orientieren sich beruflich permanent neu, um Teil der Erwerbsarbeitsgesellschaft zu bleiben. Denn trotz starker subjektiver Verunsicherungen bleibt Erwerbsarbeit für die von Grimm so genannten ‚Statusakrobaten‘ die zentrale Instanz, die ihnen ihren Platz in der Gesellschaft zuweist.
Ein wesentliches Ergebnis der Langzeitstudie ist, dass alle Befragten hochmotiviert sind und nach jeder Erwerbsunterbrechung darauf drängen, durch einen neuen Job wieder in den ‚Kampf‘ um Statusverbesserung zu ziehen. Ein Leben in der Grundsicherung wird von ihnen als soziale Degradierung erlebt. Die neue Aktivierungspolitik wirkt indirekt, da die Befragten mit der Zeit immer größere Abstriche hinsichtlich neuer Arbeitsstellen in Kauf nehmen, um den Bezug von Arbeitslosengeld II zu vermeiden.
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