Umfrage: Bürokratie an den Universitäten schadet der Lehre
Hochschullehrerumfrage zeigt große Unzufriedenheit mit Reformen
Fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit sind Universitätsprofessoren heute nicht mehr mit Forschung und Lehre beschäftigt, sondern mit der akademischen Selbstverwaltung, Gutachten, Anträgen und anderen Tätigkeiten. Dies zeigen die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 1.000 Professoren und anderen Wissenschaftlern, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Deutschen Hochschulverbandes durchgeführt hat.
Die Umfrage knüpft dabei an eine ähnliche Befragung aus dem Jahr 1976 an und ermöglicht damit einen Vergleich über vier Jahrzehnte hinweg. Dieser lässt deutlich erkennen, wie sehr die Bürokratie an den Universitäten in der Zwischenzeit zugenommen hat. So wurden die Hochschullehrer gebeten zu schätzen, einen wie großen Teil ihrer Arbeitszeit sie für verschiedene Tätigkeiten aufwenden müssen. Danach entfielen 1976 im Durchschnitt 12 Prozent der Zeit auf die akademische Selbstverwaltung und 16 Prozent auf andere Arbeiten. Heute ist der Aufwand für die akademische Selbstverwaltung auf 16 Prozent der Arbeitszeit gestiegen, andere Arbeiten, darunter größtenteils das Schreiben von Gutachten und Anträgen, auf 25 Prozent. Diese Entwicklung geht fast ausschließlich auf Kosten der Lehre. Während vor vier Jahrzehnten 42 Prozent der Arbeitszeit für Lehre und Studienberatung aufgewendet wurden, sind es im Jahr 2016 noch 28 Prozent. Der Anteil der Forschung ist mit 22 gegenüber 23 Prozent dagegen praktisch gleich geblieben.
Passend zu diesem Ergebnis hat auch die Zahl der Professoren, die darüber klagen, dass die Einflussnahme der Hochschulverwaltung die Arbeit hemme, von 33 auf 47 Prozent zugenommen. Ein besonderes Problem ist in diesem Zusammenhang die große Zahl von befristeten Mitarbeiterstellen. 45 Prozent der befragten Professoren sagten in der aktuellen Umfrage, man bekomme kaum gute Leute für die Forschung, weil die Stellen auf zu kurze Zeit befristet seien. Vor 40 Jahren hatten nur 33 Prozent auf diesen Punkt verwiesen.
Die Reformen der letzten eineinhalb Jahrzehnte werden von den Hochschullehrern überwiegend negativ beurteilt. Geradezu vernichtend ist das Urteil über den Bologna-Prozess. 79 Prozent der Professoren sind der Ansicht, der Bologna-Prozess habe zu mehr Bürokratie an den Hochschulen geführt, 72 Prozent sagen, die Lehre sei unflexibler geworden, 62 Prozent, er führe dazu, dass die Studenten kein selbständiges Denken ausbilden könnten. Dass Bologna Auslandsaufenthalte erleichtere, meinen dagegen nur 25 Prozent, eine bessere internationale Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse stellen gerade 18 Prozent fest, dass die Absolventen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können, glauben 11 Prozent. Es ist offensichtlich, dass die Bologna-Reform aus Sicht der großen Mehrheit der Hochschullehrer - zumindest gemessen an ihren eigenen Ansprüchen »krachend« gescheitert ist.
Wesentlich günstiger eingeschätzt werden heute dagegen die Berufschancen der Absolventen. Während vor 40 Jahren noch 55 Prozent der Professoren fürchteten, die Absolventen stünden vor schlechten Berufsaussichten, sind es heute nur noch 13 Prozent. Auch die Chancen auf eine akademische Karriere werden als günstiger eingestuft: 50 Prozent glaubten im Jahr 1976, die Hochschulen seien für begabte Nachwuchswissenschaftler verstopft, im Jahr 2016 sind nur noch 15 Prozent dieser Ansicht, wobei sich nach Einschätzung der Professoren vor allem die Chancen der Frauen erheblich verbessert haben: Auf die Frage »Haben Ihrem Eindruck nach weibliche Nachwuchswissenschaftlerinnen geringere oder größere Chancen, eine Anstellung an der Hochschule zu bekommen, als gleich begabte männliche Kollegen?« antworteten 1976 37 Prozent der Professoren, Frauen hätten geringere Chancen als Männer. Lediglich 1 Prozent hielten sie für bevorzugt, die übrigen sagten, sie hätten gleiche Chancen oder äußerten sich unentschieden. Dieses Bild hat sich heute umgekehrt: 2016 antworteten noch 10 Prozent der befragten Professoren, Frauen hätten geringere Chancen, während 44 Prozent ihnen bessere Chancen zuschrieben. Bei dieser Frage gibt es naheliegenderweise große Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Befragten, doch auch die befragten Frauen sagten mit einer knappen relativen Mehrheit von 48 zu 44 Prozent, ihrer Ansicht nach hätten Frauen mindestens die gleichen Chancen auf eine Anstellung an der Universität wie Männer.
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