Mädchen können besser lesen, Jungen besser rechnen?

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DIPF3

So einfach ist es nicht! 

Forscherinnen und Forscher des DIPF haben herausgefunden, dass der Einfluss des Geschlechts auf die Leistungen von Schulkindern je nach sozialer Herkunft unterschiedlich ausfällt. Verallgemeinernde Aussagen über den Bildungserfolg DER Jungen oder DER Mädchen greifen also zu kurz, da deren Leistungsunterschiede sozial bedingt variieren. Jungen bleiben häufiger sitzen und machen seltener Abitur. Mädchen zeigen wiederum schlechtere Schulleistungen in Mathematik.

Das geht aus aktuellen Daten hervor, etwa vom Statistischen Bundesamt oder aus der PISA-Studie. Die Kennzahlen scheinen eine deutliche Sprache zu sprechen, weswegen in der öffentlichen Diskussion oft ein schnelles Urteil gefällt wird: Von den »Jungen als Bildungsverlierern« oder davon, dass Mathematik »kein Mädchenfach« sei, ist immer wieder die Rede. »Dabei wird jedoch übersehen, dass Jungen und Mädchen keine homogenen sozialen Gruppen sind«, gibt Josefine Lühe zu bedenken. In einer Studie hat die Bildungsforscherin gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) herausgefunden, dass sich der Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit auf die Schulleistungen je nach sozialem Hintergrund unterscheidet. Sie empfiehlt daher, mit generalisierenden Aussagen zum Bildungserfolg nur aufgrund des Geschlechts vorsichtig zu sein.

Über die wechselseitige Wirkung von sozialem Hintergrund und Geschlechtszugehörigkeit auf die Schulleistungen ist bislang nur wenig systematisches Wissen vorhanden. An diese Forschungslücke knüpfen Lühe und ihre Kollegen Dr. Michael Becker, Dr. Marko Neumann und Professor Dr. Kai Maaz an. Sie untersuchten Daten zu 3935 Schülerinnen und Schülern aus der sechsten Klasse von knapp 90 öffentlichen Berliner Grundschulen. Die Daten waren im Rahmen der BERLIN-Studie, der langjährigen Begleituntersuchung der Berliner Schulstrukturreform, erhoben worden. Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich auf die Ergebnisse von Leistungstests in Lesen, Mathematik und Englisch sowie auf die Angaben der Eltern zu ihrem sozio-ökonomischen Status in Fragebögen. Das Team errechnete anschließend mittels statistischer Regressionsanalysen die Beziehung zwischen den Variablen.

Die Ergebnisse bestätigen zunächst die bekannten Befunde, dass Mädchen im Lesen und in Englisch, Jungen in Mathematik besser abschneiden. »Der Effekt der Geschlechtszugehörigkeit wird jedoch durch den sozio-ökonomischen Status der Jungen und Mädchen moderiert«, so Lühe. Das bedeutet, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern je nach sozialem Hintergrund unterschiedlich ausfallen – in allen drei getesteten fachlichen Bereichen. Ein weiterer Befund: Im Vergleich mit den Mädchen ist bei den Jungen der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Leistung größer. Ihre Leistungen steigen also bei einem höheren sozio-ökonomischen Status stärker an und fallen umgekehrt bei einem niedrigeren Status deutlicher ab.

Weiterführende Erklärungen für die Effekte können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand dieser Untersuchungen noch nicht geben. Sie verweisen aber darauf, dass sich möglicherweise gesellschaftliche Stereotypen auswirken. In Familien mit einem niedrigeren sozio-ökonomischen Status könnte beispielsweise die Vorstellung verbreiteter sein, dass es unmännlich sei, fleißig für die Schule zu lernen. Die Analysen könnten nun erweitert werden, etwa auf Kinder im ländlichen Raum oder auf andere Altersgruppen, Schulsysteme und Bundesländer. Als praktische Implikation hält Josefine Lühe aber schon jetzt fest: »Wenn es zum Beispiel um die Entwicklung und Anwendung von pädagogischen Fördermaßnahmen für Kinder geht, sollte man von stereotypen Vorstellungen von DEN Jungen oder DEN Mädchen besser abrücken«.

 

 

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