Wissenschaftsrat: »Gemeinsame Verantwortung für die Lehre«
Wissenschaftsrat nimmt Hochschulen und Wissenschaftspolitik in die Verantwortung für langfristige Strategien
In seinem neuen Positionspapier »Strategien für die Lehre« betrachtet der Wissenschaftsrat systemisch die bisherigen Entwicklungen und Ansätze zur Stärkung der Hochschullehre und leitet daraus zentrale strategische Handlungsfelder ab. Ausschlaggebend war für ihn die Frage, wie sich Wertschätzung und Sichtbarkeit der Lehre an den deutschen Hochschulen erhöhen lassen. Beim Blick auf die Rahmenbedingungen, Anreize und Strukturen an den Hochschulen stellt er fest, dass in den letzten Jahren insbesondere durch zahlreiche Förderprogramme viel in Bewegung gekommen ist und zahlreiche innovative Lehrprojekte entstanden sind. Allerdings ist an vielen Hochschulen noch keine übergeordnete Strategie für den Bereich der Lehre entwickelt worden, mit der die vielen Einzelerfolge inhaltlich verknüpft und langfristig die Erfolge stabilisiert werden könnten. Die Hochschulen sind für ihre Kernaufgaben Forschung und Lehre gleichermaßen institutionell verantwortlich.
»Um die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten zu stärken, muss man sich zunächst auf die Ziele von Lehre verständigen und diese Lehrziele klar und differenziert beschreiben. Hier sehen wir noch Verbesserungsbedarf«, erläutert Professorin Martina Brockmeier, Vorsitzende des Wissenschaftsrates. Diese inhaltliche Zielorientierung der Studiengänge soll in Einklang stehen mit einer umfassenden Lehrstrategie. Damit können wirkungsvoll die vielen Aufgaben der Lehre verzahnt werden: von der Curriculumsentwicklung einzelner Studiengänge über passende didaktische Qualifizierungsangebote bis hin zum Umgang mit der Heterogenität der Studierenden oder der Digitalisierung in der Lehre. »Die Bedeutung der Lehrleistung und ihre Professionalisierung sollte sich auch in Berufungsverfahren zeigen«, so Brockmeier.
In der Mitverantwortung für eine wirksame Umsetzung der Strategien stehen nach Ansicht des Wissenschaftsrates auch die Länder und der Bund. Um Anreize für die gemeinsame Gestaltung der Lehre zu setzen, müssten sämtliche Lehraufgaben in die Berechnung des Lehrdeputats und die Regellehrverpflichtung der Länder eingehen. Erprobte wirkungsvolle Strukturen zur Verbesserung der Lehre sollten durch die Grundausstattung der Hochschulen und nicht durch temporäre Fördermittel finanziert werden können, dafür ist eine angemessene Grundfinanzierung nötig. Die Dynamik der Fördermaßnahmen sollte unbedingt erhalten werden – darum braucht es wirksame Anschlüsse an den Qualitätspakt Lehre nach 2020. Die entstandene Expertise sollte vernetzt werden, um wirkungsvolle Maßnahmen zu übertragen und auszubreiten.
Zu prüfen wäre, ob eine neue bundesweite eigenständige Organisation diese Aufgaben bündeln und dauerhaft Fördermittel für lehrbezogene Vorhaben auf Antrag vergeben könnte, sowohl für neue innovative Lehrprojekte und übergeordnete Programme an Hochschulen als auch für die Ausbreitung erfolgreicher Maßnahmen. Eine weitere Aufgabe dieser Organisation könnte es sein, die Expertise in der Lehre systematisch zu vernetzen und Bewertungsverfahren und –kriterien in der Lehre zu entwickeln. Eine eigene Organisation gäbe der Lehre insgesamt mehr Gewicht und Sichtbarkeit, so Brockmeier: »Auch die Lehre braucht in Deutschland eine eigene Stimme«.
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