Wie wirkt ästhetische Bildung?

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Uni Wuerzburg2

Spezielle Angebote für junge Flüchtlinge und benachteiligte Kinder und Jugendliche stehen im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts an der Universität Würzburg. Dort arbeiten Sonder- und Kunstpädagogen zusammen.

Sie machen Kunst am Bau, gestalten ihre ganz persönliche Heldenfigur, schreiben Theaterstücke und studieren diese ein; sie malen, tanzen, fotografieren, entwickeln Collagen am Computer, trommeln, komponieren oder jonglieren: Projekte ästhetischer Bildung für Kinder und Jugendliche gibt es jede Menge.

Was solche Projekte mit ihren Teilnehmern machen, untersuchen Wissenschaftler der Universität Würzburg in den kommenden zweieinhalb Jahren am Beispiel zweier Gruppen: junge Geflüchtete und Jugendliche aus schwierigen sozialen Konstellationen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das Vorhaben mit gut 380.000 Euro. Die Leitung liegt bei Oliver M. Reuter, Professor für Kunstpädagogik am Institut für Pädagogik, und bei Professor Roland Stein, Inhaber des Lehrstuhls für Sonderpädagogik V - Pädagogik bei Verhaltensstörungen.

Zugang zu Kunst ermöglichen

Dass ein Kunstpädagoge sich mit solch einer Frage beschäftigt, liegt auf der Hand. Oliver M. Reuter arbeitet beispielsweise schon seit vielen Jahren mit einem Projekt im Allgäu zusammen. Dort können Kinder und Jugendliche, die sonst keinen Zugang zu Kultur haben, in einem Sommer-Camp schauspielern, malen, jonglieren oder auch mal ein Museum besuchen – kurz: »einen Zugang zu Kultur erhalten, wie sie ihn aus ihrem normalen Umfeld nicht kennen«, so Reuter. Diese Kinder kommen häufig aus zerrütteten Familien, leben in Pflegeeinrichtungen und wissen, was es heißt arm zu sein.

»Auch für verhaltensauffällige Kinder gibt es schon seit langem kunsttherapeutische und kunstpädagogische Angebote«, sagt Roland Stein. Er selbst habe in den vergangenen Jahren zwei Projekte an Berufsschulen betreut, in denen Verhaltensauffälligkeiten und Fragen der Förderung in den Vordergrund traten. Dabei hatte er zuletzt erlebt, dass an diesen Schulen immer mehr Jugendliche in den Klassenzimmern saßen, die aus ihrer Heimat geflüchtet waren und nun – ohne ihre Familien – in Deutschland ein neues Leben aufbauen sollten. Viele von ihnen mussten in ihrer Heimat oder auf der Flucht Dinge erleben, die sie traumatisiert hatten.

»Da lag es auf der Hand, dass wir uns überlegt haben, mit welchen Angeboten man dafür sorgen kann, dass diese Menschen sich in Deutschland einleben und ihre Traumata verarbeiten«, sagt Stein. Kulturelle Bildung könne dabei ein wichtiger Baustein sein, so der Sonderpädagoge.

Das Forschungsprojekt

Wie solche Projekte arbeiten, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen, welche Methoden bei ihnen zur Anwendung kommen: Das untersucht das neue Forschungsprojekt in ganz Deutschland. Die Leitung teilen sich Reuter und Stein; für die konkrete Arbeit sind die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Tanja Wilkeneit und Sabine Wolz zuständig, die im Rahmen des Projekts promovieren.

Momentan läuft die erste Phase des Forschungsvorhabens: Bundesweit suchen die Wissenschaftler nach kunstpädagogisch orientierten Projekten, die mit Flüchtlingen und sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen arbeiten. »Viele von denen sind sehr kurzlebig. Wir suchen deshalb nach tragfähigen Angeboten«, sagt Oliver M. Reuter. Anschließend geht es um die Details: Wie groß sind die jeweiligen Gruppen, nach welchem pädagogischen Konzept richten sich die Leiter, welche Methoden kommen zum Einsatz? Eine Vielzahl von Parametern wollen Tanja Wilkeneit und Sabine Wolz erfassen, um im Idealfall am Ende diejenigen zu identifizieren, die den gewünschten Erfolg versprechen.

Die Wirkung auf Identität und Selbstkonzept

Neben diesen Rahmenbedingungen erfassen die Wissenschaftler auch die Veränderungen, die diese Angebote bei den Kindern und Jugendlichen in Gang setzen. Tauschen sie sich untereinander verstärkt aus, reden sie mehr miteinander? – Punkte, die in der Sprache der Wissenschaft unter sozialer Interaktion und Kommunikation eingeordnet werden. Noch interessanter sei allerdings die Frage, wie sich die Teilnahme an solchen Projekten auf Identität und Selbstkonzept auswirken.

»Bei Flüchtlingen liegt es auf der Hand, dass sie eine Identitätskrise durchmachen, die in der Regel zu einer starken Verunsicherung führt«, erklärt Roland Stein. Und Kinder aus prekären Familienverhältnissen verfügen häufig über eine gescheiterte Bildungsbiographie. Ob es mit Hilfe der Kunstpädagogik gelingt, diese Gruppen zu stabilisieren, ihr Selbstkonzept zu stärken, wollen die Wissenschaftler herausfinden.

Warum gerade Projekte ästhetischer Bildung solche Veränderungen bewirken sollen, liegt nach Oliver M. Reuters Worten auf der Hand: »Ästhetische Bildung hat immer mit Kommunikation zu tun«, sagt er. Und ohne eine gewisse Selbstbetrachtung sei sie auch nicht denkbar. Für alle, die daran teilnehmen, bedeute dies in der Regel »eine wahnsinnige Erfahrung«. Und speziell Flüchtlingen könnten solche Angebote dabei helfen, einen Ausgleich zwischen ihrer alten und neuen Identität zu schaffen, sich selbst zu verorten und damit eine stabilere Identität zu gewinnen.

Gelingensbedingungen identifizieren

Die Projekte untereinander vernetzen, eine Datenbank mit den wichtigsten Informationen über sie anlegen, ihre Arbeit nach außen kommunizieren und die Ergebnisse der Untersuchungen wissenschaftlich aufbereiten: Diese Aufgaben warten auf die Forschergruppe in den kommenden Jahren. Welche Informationen sie damit transportieren wollen, sagt der Name des Forschungsprojekts: »Pädagogische Gelingensbedingungen und Wirkung ästhetischer Bildung bei Menschen in sozial schwierigen Konstellationen – WaeBi«.

 

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