Förderatlas 2015: Wo und wie Spitzenforschung und -förderung Früchte tragen

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Foerderatlas 2015

Umfassende Kennzahlen zur öffentlichen Forschungsfinanzierung • Fokus Exzellenzinitiative: Weitere Profilschärfung – keine wachsende Ungleichverteilung. 

Worin liegen die Stärken des Forschungssystems in Deutschland – und wo? Welche Bedeutung haben Drittmittel für die Finanzierung von Forschungsprojekten – und wie nutzen die Universitäten und Forschungsinstitute diese Mittel? Welche Effekte haben besondere Förderprogramme – etwa die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Stärkung der Spitzenforschung? Wie ist es um die Zusammenarbeit zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung bestellt – oder um die internationale Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland? Umfassende Zahlen, Daten und grafische Darstellungen zu diesen und zahlreichen anderen Themen enthält der »Förderatlas 2015« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), den die DFG Anfang September 2015, mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Berlin vorgestellt hat.

Der neue DFG-Förderatlas ist der inzwischen siebte Berichtsband, mit dem die größte Forschungsförderorganisation in Deutschland seit 1997 alle drei Jahre – so der Untertitel – »Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland« vorlegt. Die Zahlen- und Datenbasis wurde dabei ebenso kontinuierlich erweitert wie die betrachteten Themen und Fragestellungen: »Was vor fast 20 Jahren als Förder-Ranking mit einer Rangliste der Hochschulen mit den meisten DFG-Fördermitteln begann, bietet heute auf Basis von Zehntausenden Daten aller großen öffentlichen Forschungsförderer in Deutschland und der EU die vielleicht detailliertesten und vielfältigsten Einblicke, wo und wie Spitzenforschung und -förderung in Deutschland Früchte tragen«, sagte dazu in Berlin die Generalsekretärin der DFG, Dorothee Dzwonnek, die den neuen Förderatlas zusammen mit Professor Dr. Ulrich Rüdiger, dem HRK-Vizepräsidenten für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs und Rektor der Universität Konstanz, präsentierte.

Ein thematischer Schwerpunkt des Förderatlas 2015 ist die Exzellenzinitiative, die weit umfassender und detaillierter betrachtet wird als im Vorgängerband von 2012. »Damit trägt auch der Förderatlas zu einer Art Zwischenbilanz dieses so wichtigen Programms bei«, sagte Dzwonnek.

Dabei erweisen sich die in der Exzellenzinitiative geförderten Universitäten und Einrichtungen aus zahlreichen Blickwinkeln als besonders forschungsstark und attraktiv. Dies gilt zunächst allgemein für die Einwerbung von Fördergeldern: So erhielten die insgesamt 427 Hochschulen in Deutschland im Jahr 2012 Drittmittel in einer Gesamthöhe von rund 6,76 Milliarden Euro. Davon entfielen auf die insgesamt 110 Universitäten rund 6,27 Milliarden Euro (93 Prozent aller Drittmittel) und auf die anderen 317 Hochschulen rund 491 Millionen Euro (sieben Prozent). Die 45 an der Exzellenzinitiative beteiligten Universitäten konnten alleine insgesamt 5,14 Milliarden Euro einwerben – dies waren 82 Prozent aller Drittmittel für Universitäten und 76 Prozent der Drittmittel für alle Hochschulen. Die 65 nicht an der Exzellenzinitiative beteiligten Universitäten erhielten demgegenüber 1,13 Milliarden Euro – 18 Prozent der Drittmittel für Universitäten und 17 Prozent aller Drittmittel. Dieses Bild bestätigt auch der Blick auf einzelne Förderquellen: Sowohl bei den DFG-Bewilligungen (2011-2013: 87 Prozent aller Mittel für Hochschulen) als auch bei der direkten Projektförderung durch den Bund (73 Prozent aller Mittel im Hochschulsektor) und im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU (86 Prozent aller Mittel an deutsche Hochschulen) erzielten die Universitäten der Exzellenzinitiative jeweils die weitaus größten Anteile.

Auch international haben die Universitäten der Exzellenzinitiative eine hohe Anziehungskraft. So waren sie das Wunschziel der weitaus meisten ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zwischen 2009 und 2013 von der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) oder vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wurden. Eine besonders enge Verbindung gibt es zu den hoch kompetitiven Programmen des European Research Council (ERC): 93 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Hochschulen, die beim ERC bis 2014 einen Starting Grant, Consolidator Grant oder Advanced Grant einwerben konnten, haben sich für eine der 45 Exzellenz-Universitäten entschieden.

Die hohe Attraktivität der Exzellenzinitiative zeigt auch ein Blick auf die internationale Rekrutierung in den beiden von der DFG betreuten Förderlinien Graduiertenschulen und Exzellenzcluster – eine von mehreren Analysen, mit denen der Förderatlas direkten Effekten des Förderprogramms nachgeht. Danach sind bis 2014 rund 4.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland in das deutsche Wissenschaftssystem gekommen – oder als deutsche Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland zurückgekehrt –, um in einer Graduiertenschule (rund 2.400) oder einem Exzellenzcluster (rund 1.600) mitzuwirken. Insgesamt sind 23 Prozent aller Beteiligten an Graduiertenschulen und Exzellenzclustern ausländischer Herkunft.

Auch für andere Bereiche stellt der Förderatlas positive Effekte der Exzellenzinitiative fest – etwa für die regionale Zusammenarbeit. Rund ein Viertel der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist an Hochschulen oder außeruniversitären Einrichtungen außerhalb der Graduiertenschulen und Exzellenzcluster tätig. Besonders enge Verbindungen gibt es zu benachbarten Hochschulen und Max-Planck-Instituten in den jeweiligen Regionen. »Die Potenziale für Zusammenarbeit werden also genutzt«, unterstrich hierzu DFG-Generalsekretärin Dzwonnek.

Schließlich setzen die Exzellenz-Einrichtungen auch fachliche Impulse. So haben beispielsweise die Graduiertenschulen in den Geistes- und Sozialwissenschaften dichte Fächerkooperationen initiiert, die über die in anderen Förderprogrammen der DFG hinausgehen.

Messbaren Einfluss hat die Exzellenzinitiative zudem auf die Zahl wissenschaftlicher Publikationen, wie eine bibliometrische Analyse für die beiden Fächer Physik und Chemie belegt: Hier stieg die Zahl der Veröffentlichungen zwischen 2002 und 2013 an den Universitäten der Exzellenzinitiative deutlich stärker als für Deutschland insgesamt (43 gegenüber 25 Prozent).

»So ergeben sich aus dem Förderatlas eine ganze Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass und wie die Exzellenzinitiative erfolgreich zu einer weiteren Profilschärfung insbesondere der forschungsstarken Universitäten beiträgt«, resümierte DFG-Generalsekretärin Dzwonnek. Keine Anzeichen gibt es hingegen für eine wachsende Ungleichverteilung von Fördermitteln unter den einzelnen Hochschulen oder Fächern im Zuge der Exzellenzinitiative, die von Kritikern oftmals als mögliche Folge des Förderprogramms befürchtet wird.

Der neue Förderatlas lässt hier im Gegenteil mehrere Entwicklungen erkennen, die Dzwonnek bei der Präsentation auch insgesamt herausstellte: Zum einen hat sich die Zahl der Hochschulen, die Drittmittel von der DFG erhielten, deutlich erhöht. Zwischen 2011 und 2013 hat die DFG Forschung an insgesamt 210 Hochschulen – und damit an rund jeder zweiten Hochschule – gefördert. Zum Vergleich: Zwischen 2008 und 2010 hatten 186 Hochschulen DFG-Mittel erhalten, zwischen 1991 und 1995 nur 89. »Noch nie also haben so viele Hochschulen von DFG-Bewilligungen profitiert, und der gleiche Trend zeigt sich auch bei den Fächern. Die weitaus meisten Hochschulen erhalten inzwischen in mehr Fächern DFG-Mittel als vor zehn oder 15 Jahren«, sagte Dzwonnek.

Zugleich sind die Abstände zwischen Hochschulen erneut geringer geworden: So warb von den 40 bewilligungsstärksten Hochschulen die Nummer eins zwischen 2011 und 2013 insgesamt 4,06 mal so viele Drittmittel ein wie die Nummer 40. Zwischen 2008 und 2010 waren es noch 4,52, zwischen 2005 und 2007 sogar 4,92 mal so viele Mittel gewesen.

In der Rangliste der 40 bewilligungsstärksten Hochschulen ergab sich für die Jahre 2011 bis 2013 vor allem eine Veränderung: Seit dem ersten DFG-Förder-Ranking 1997 hatten stets die LMU München oder die RWTH Aachen die meisten DFG-Mittel eingeworben. Zu ihnen hat nun die Universität Heidelberg aufgeschlossen. Sie belegt im neuen Förderatlas nach der LMU (277,8 Millionen Euro an DFG-Mitteln) Platz zwei (274,7 Millionen Euro) und liegt damit vor der RWTH Aachen (mit 272,5 Millionen Euro). Es folgen die TU München, die FU Berlin, die Universitäten Göttingen und Freiburg, das Karlsruher KIT und die HU Berlin. Auf Rang zehn liegt die TU Dresden, die so ihren Aufstieg (1991-1995: Rang 35, 2008-2010: Rang 13) fortsetzte. Deutlich verbessern konnten sich auch die TU Berlin (plus fünf Plätze auf jetzt Rang 21) sowie die Universitäten Marburg (plus sechs Plätze auf Rang 30) und Leipzig (plus sieben Plätze auf Rang 31).

Aufgeschlüsselt nach den Wissenschaftsbereichen warben in den Geistes- und Sozialwissenschaften die FU und die HU Berlin die meisten DFG-Mittel ein, gefolgt von den Universitäten Heidelberg, Frankfurt/Main und Münster. In den Lebenswissenschaften lagen die LMU München sowie die Universitäten Heidelberg, Göttingen und Freiburg vorne, in den Naturwissenschaften und der Mathematik die Universitäten Bonn und Hamburg, die LMU München und das KIT. In den Ingenieurwissenschaften gingen die meisten DFG-Mittel an die RWTH Aachen, gefolgt von der TU Darmstadt, den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Stuttgart, dem KIT und der TU München.

Bezogen auf die Zahl ihrer Professorinnen und Professoren erweisen sich auch mittlere und fachlich fokussierte Universitäten als besonders forschungsstark. So betrachtet erhielt die Universität Konstanz die meisten DFG-Mittel, auf Platz drei liegt die Medizinische Hochschule Hannover, auf Platz acht die vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften profilierte Universität Bielefeld.

Als besonderes Kennzeichen des Forschungssystems in Deutschland stellt der Förderatlas 2015 die zahlreichen starken Forschungsregionen heraus. In der aktuellen Ausgabe wird dafür ein neuer methodischer Zugang angewandt. Früheren Analysen lagen mehr als 400 Kreise, kreisfreie Städte und Ballungszentren als Betrachtungseinheiten zugrunde. Der neue Förderatlas übernimmt das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) entwickelte Konzept der Raumordnungsregionen (ROR), von denen insgesamt 96 ausgewiesen werden. Mit diesem großräumigeren Zugang lassen sich statistische Aussagen zu Förderprofilen und -effekten besser auf Gebiete beziehen, die dem Alltagsverständnis von »Region« nahekommen. Auf der Basis von über 28.000 Adressen von Instituten an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zeigt der Förderatlas zunächst, welche Regionen durch eine besonders dichte Ansiedlung von Forschungseinrichtungen geprägt sind. Über eine solche verfügen insbesondere die Regionen Berlin, München und Hamburg, ebenso das Rhein-Ruhr-Gebiet (inklusive auch der Regionen Köln und Bonn) sowie die Regionen Stuttgart, Neckar-Alb, Unterer Neckar (mit Heidelberg und Mannheim) und Oberes Elbtal/Osterzgebirge (rund um Dresden).

Bei der Einwerbung von Fördergeldern lag in den Jahren 2011 bis 2013 bei den DFG-Mitteln die Region Berlin mit 724 Millionen Euro an der Spitze, gefolgt von der Region München mit 644 Millionen Euro. Bei der Projektförderung des Bundes rangierten beide Regionen fast gleichauf an der Spitze (Berlin 807, München 804 Millionen Euro), bei den EU-Mitteln München deutlich vor Berlin (887 zu 565 Millionen Euro). Je nach Fachgebiet spielen auch andere Regionen eine erhebliche Rolle, so etwa in der Medizin die Regionen Hannover, Würzburg und Neckar-Alb (mit Tübingen) oder in den Geowissenschaften die Regionen Bremen, Schleswig-Holstein Mitte (mit Kiel) und Havelland-Flämig (mit Potsdam). »Die Vielfalt der Forschungsregionen macht schon immer eine besondere Stärke des deutschen Forschungssystems aus. Unser neuer methodischer Zugang lässt diesen polyzentrischen Charakter noch greifbarer werden«, sagte dazu die DFG-Generalsekretärin.

Insgesamt ist die Bedeutung von Drittmitteln für die Finanzierung von Forschungsprojekten weiter gestiegen. So erhielten die Hochschulen in Deutschland im Jahr 2012 insgesamt 17,5 Milliarden Euro an laufenden Grundmitteln und 6,8 Milliarden Euro an Drittmitteln. Die »Drittmittelquote«, also der Anteil der Drittmittel an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen ohne Verwaltungseinnahmen, betrug damit 28 Prozent; 2010 lag sie noch bei 26 Prozent, 2003 erst bei 19 Prozent. Den größten Anteil, nämlich gut ein Drittel, erhielten die Hochschulen von der DFG, die damit erneut wichtigster Drittmittelgeber in Deutschland war. Der Anteil des Bundes hat sich auf 25 Prozent erhöht, 20 Prozent kommen von Industrie und Wirtschaft, zehn Prozent von der EU.

Mit diesen und seinen zahlreichen weiteren Kennzahlen und Analysen versteht sich auch der DFG-Förderatlas 2015 zum einen als ein Service-, Planungs- und Entscheidungsinstrument für die Wissenschaft und hier speziell für die Hochschulen sowie die Wissenschaftspolitik, zum anderen als umfassendes Informationswerk für Öffentlichkeit und Medien. Alle Zahlen und Daten werden bei den fördernden Institutionen erhoben und nicht bei den geförderten Hochschulen und Einrichtungen. Auch die aktuelle Ausgabe entstand mit finanzieller Unterstützung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und erscheint, jeweils gedruckt und online, in einer deutschen und zudem – Anfang 2016 – in einer zusammenfassenden englischsprachigen Fassung.

 

 

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