Forschungs- & Innovationspolitik: Freie Fahrt für mehr Innovationen!
Leitlinien der Expertenkommission für die künftige Regierungsarbeit
Im neuen Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde, erkennen die Wissenschaftler an, dass es »in den letzten Jahren eine positive Dynamik der Forschungs- und Innovationspolitik (F&I) gegeben hat«. Vor dem Hintergrund der verzögerten Regierungsbildung allerdings sollte die künftige Bundesregierung zügig daran anknüpfen und die deutsche F&I-Politik konsequent weiterentwickeln. »Angesichts der internationalen Herausforderungen und des digitalen Wandels müssen wir in der Innovationspolitik Gas geben«, so der Vorsitzende der Kommission, Prof. Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.
Die sechsköpfige Expertenkommission sieht insgesamt vier wesentliche Aufgaben:
1. Die Chancen der Digitalisierung nutzen
Bildungssystem:
Die Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien, so die EFI, sind in allen Ausbildungsbereichen breit zu fördern, die digitale Bildung an deutschen Schulen ist dringend zu stärken. Der seit geraumer Zeit geplante »DigitalPakt Schule« sollte endlich auf den Weg gebracht werden. An Hochschulen, fordern die Wissenschaftler, sind über alle Fächer hinweg neben Programmierkompetenzen und Kenntnissen der Software- und Web-Entwicklung auch Datenwissenschaften und Methoden des maschinellen Lernens zu vermitteln.
Rahmenbedingungen:
Internet und internetbasierte Technologien erfordern eine Anpassung von rechtlichen Rahmenbedingungen – möglichst auf europäischer Ebene – mit dem Ziel, den Zugang neuer Marktteilnehmer mit innovativen Angeboten zu erleichtern und nicht zu erschweren.
Breitbandausbau:
Die Breitbandinfrastruktur Deutschlands ist gemäß EFI nicht wettbewerbsfähig. Diese Schwäche bedrohe schon kurz- und mittelfristig die Innovationsfähigkeit des Landes. Hier erwartet die Kommission ambitionierte Ausbauziele und deren baldige Umsetzung.
E-Government:
Durch Änderung des Grundgesetzes 2016 seien wichtige Rahmenbedingungen für den Aufbau und den Betrieb von leistungsfähigen zentralen Portalen für E-Government und öffentliche Datenbestände geschaffen worden. Jetzt gelte es, die dadurch eröffneten Chancen engagiert zu nutzen:
Verbessern der Qualität der Dienstleistungen von Behörden für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen
Nutzen der Datenbestände der öffentlichen Hand für die Erschließung neuer Wertschöpfungspotenziale
2. Stärkere Innovationsanreize für Start-ups und KMU setzen
Steuerliche Förderung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU):
Deutschland nutzt – anders als die meisten OECD-Länder – das Instrument einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) bisher nicht. Der Erfolg durch die steuerliche Förderung ist wissenschaftlich belegt und Fördereffekte sind bei KMU besonders ausgeprägt, so die Kommission. Sie rät daher erneut dazu, solch ein Instrument für KMU einzuführen.
Wagniskapital für Start-ups:
Für junge innovative Unternehmen stelle Wagniskapital eine wichtige Finanzierungsquelle dar, es stehe jedoch in Deutschland nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Die neue Bundesregierung solle für private Akteure weitere Anreize setzen, in Wagniskapitalfonds und Start-ups zu investieren, meint die Kommission.
Start-ups fördern:
Die Belange von Start-ups bzw. jungen Unternehmen werden nach Ansicht der Kommission bei der FuE-Förderung immer noch nicht ausreichend berücksichtigt. Die EFI empfiehlt, in der neuen Legislaturperiode das EXIST-Programm um eine Forschungskomponente zu ergänzen, um Start-ups beim Aufbau ihrer Unternehmen die Möglichkeit zu geben, kurzfristig anfallende Forschungsaufgaben zu finanzieren. Zudem sollten die formalen Hürden für die Teilnahme von jungen Unternehmen an den Fachprogrammen von Bundesministerien gesenkt werden.
3. Wissenschaftssystem weiter stärken
Hochschulpakt fortführen:
Die EFI spricht sich dafür aus, dass Bund und Länder ein auf mehrere Legislaturperioden angelegtes Nachfolgeprogramm für den Hochschulpakt initiieren. Der Bund sollte die Länder weiterhin bei der Finanzierung der Lehre und der Overheadkosten unterstützen, ohne dass die Länder ihre Beiträge zur Hochschulfinanzierung reduzieren. Bei der Zuweisung der Mittel für die Lehre sollten nicht nur die Zahl der Studierenden, sondern auch qualitätsrelevante Indikatoren berücksichtigt werden. Die Universitäten und Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften benötigen außerdem eine substanzielle Verbesserung ihrer Grundfinanzierung.
Fortführung des Pakts für Forschung und Innovation:
Bei der Fortschreibung der von den außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF) umzusetzenden forschungspolitischen Ziele sollte ein stärkeres Augenmerk auf den Erkenntnis- und Technologietransfer gelegt werden.
4. F&I-Governance innovationsfreundlicher gestalten
- Die Hightech-Strategie (HTS) der Bundesregierung hat die ressortübergreifende Kooperation bei der Gestaltung der F&I-Politik erfolgreich gestärkt und sollte daher nach Ansicht der Kommission möglichst zügig fortgeschrieben werden.
- Die Expertenkommission rät dazu, wichtige Querschnittsthemen wie etwa autonome Systeme und künstliche Intelligenz noch stärker zu berücksichtigen. Die Lösungsansätze zur Bewältigung des digitalen Wandels sollten sich nicht auf einzelne Industrien oder Technologiebereiche beziehen.
- Die Expertenkommission spricht sich dafür aus, in der neuen Legislaturperiode eine »Agentur zur Förderung radikaler Innovationen« zu gründen. Die bisherigen Forschungsförderstrukturen seien nicht dazu geeignet, in ausreichendem Maße Anreize für die Durchführung besonders risikoreicher und visionärer Projekte zu setzen.
- Die neue Bundesregierung sollte ein Einwanderungsgesetz für Erwerbsmigration auf den Weg bringen.
Eine innovationsorientierte Beschaffung kann nach Ansicht der Experten künftig als Instrument einer strategischen F&I-Politik genutzt werden und hierfür sei die Praxis der öffentlichen Beschaffung mit einer »Priorität für das innovativere Angebot« anzupassen. Das beträchtliche öffentliche Beschaffungsvolumen von hunderten Milliarden Euro pro Jahr solle stärker als bisher für die Förderung von Innovationen genutzt werden, so die Empfehlung.
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