Mit der Politik auf Du und Du? Wie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ihre politische Selbstwirksamkeit wahrnehmen

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Menschen mit und ohne Migrationshintergrund denken mehrheitlich, dass sie die politischen Themen hierzulande verstehen. Ihre Einflussmöglichkeiten auf Politik schätzt die Mehrheit allerdings als eher gering ein, dieser Eindruck ist bei Menschen ohne Migrationshintergrund stärker als bei Personen mit Zuwanderungsgeschichte.

Das ist ein Ergebnis einer deutschlandweit repräsentativen Befragung, die der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut) ausgewertet hat. Je nach Bildungsgrad und Geschlechtszugehörigkeit fallen die Antworten unterschiedlich aus.

Die Politik hat sich von Teilen der Bevölkerung entfremdet – dieser Vorwurf ist so alt wie die Demokratie selbst. Einen wichtigen Anhaltspunkt dafür, ob Menschen sich in ihrem politischen System wohl, verstanden und repräsentiert fühlen, liefert das Konzept der politischen Selbstwirksamkeit (political efficacy). Es erfasst, inwieweit Menschen einerseits denken, dass sie selbst Politik verstehen, und andererseits meinen, dass die Politik auf die Interessen der Bevölkerung eingeht.

Fragen nach der Einschätzung ihrer politischen Selbstwirksamkeit wurden über 9.000 Befragten mit und ohne Migrationshintergrund im Integrationsbarometer 2018 des SVR gestellt. Der SVR-Forschungsbereich hat diese Daten in Kooperation mit dem DeZIM-Institut analysiert. Die zentralen Ergebnisse des Policy Brief »Mit der Politik auf Du und Du? Wie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ihre politische Selbstwirksamkeit wahrnehmen«: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund attestiert sich ein hinreichendes politisches Verständnis. Menschen aus Einwandererfamilien glauben etwas seltener, dass sie politische Inhalte verstehen. Sie trauen sich auch weniger zu, darüber zu diskutieren. Je nach Herkunftsland bewerten Menschen mit Migrationshintergrund diese Fähigkeiten zum Teil unterschiedlich. Die Einschätzung der eigenen politischen Kompetenzen hängt in allen Gruppen in erster Linie mit der Bildung zusammen. Frauen bewerten ihre politischen Kompetenzen insgesamt verhaltener als Männer. Bei den Menschen mit Migrationshintergrund ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch etwas größer.

Während die Mehrheit der Bevölkerung denkt, dass sie politische Themen versteht, fällt die Einschätzung der eigenen Einflussmöglichkeiten auf oder Responsivität der Politik deutlich schlechter aus: Nur etwa ein Viertel der Menschen ohne Migrationshintergrund stimmt der Aussage zu, dass die Gewählten »sich darum kümmern, was einfache Leute denken«. Von den Befragten mit Migrationshintergrund liegt der Anteil immerhin bei über einem Drittel. Allerdings beurteilen Menschen mit Migrationshintergrund ihr Verhältnis zu deutschen Volksvertreterinnen und -vertretern schlechter, wenn sie länger in Deutschland leben. Menschen, die noch keine zehn Jahre in Deutschland leben, meinen dagegen mehrheitlich, dass die Regierenden sich darum kümmern, was einfache Leute denken.

 

Politische Einflussmöglichkeiten

 

Dr. Cornelia Schu, die Direktorin des SVR-Forschungsbereichs, zieht das Fazit: »Die Ergebnisse zeigen, dass die grundsätzliche Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, sich an politischen Fragen zu beteiligen, da ist. Allerdings sind offenbar viele Menschen der Meinung, dass die Politik die Anliegen der Bevölkerung nicht ausreichend wahrnimmt. Eine Mehrheit der Bevölkerung wirft den Regierenden und ihren Parteien vor, nur die Interessen einiger weniger zu vertreten statt die aller – zum Beispiel die der ‚einfachen Leute‘«.

Dr. Timo Tonassi, einer der Autoren, ergänzt: »Möglichkeiten, hierauf zu reagieren, bestehen durchaus: Wenn Menschen Politik vor Ort als Bereich aktiver Teilhabe kennenlernen, den sie mitgestalten können, kann Distanz wieder schwinden. Frauen sollten gezielt eingebunden werden. Neu Zugewanderte können im Rahmen des Integrationskurses Möglichkeiten zur Beteiligung kennenlernen. Und: Die politische Bildung vor allem in Schulen sollte auch diejenigen zur Teilhabe einladen, die aus benachteiligten oder politikfernen Milieus stammen«.

Prof. Dr. Magdalena Nowicka, Leiterin der Forschungsabteilung Integration beim DeZIM-Institut und Ko-Autorin des Policy Briefs, fügt hinzu: »Vertrauen in die Politik ist auch Vertrauen in die Gesellschaft. Es ist wichtig, dass die Stimmen von Menschen mit Migrationshintergrund gehört werden, nur so kann das Vertrauen in die Demokratie in Deutschland gesteigert werden. Die Bereitschaft zum Mitreden muss man würdigen, indem man beispielsweise den politischen Bürgerstatus ausweitet, Migrantenselbstorganisationen strukturell besser fördert und Maßnahmen zur Erhöhung der Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst einführt«.

Der Policy Brief stützt sich auf die breite Datenbasis des SVR-Integrationsbarometers 2018. Dies ist eine repräsentative Umfrage unter Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Für die Erhebung wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 insgesamt 9.298 Personen interviewt. Die Gruppe der Zuwanderinnen und Zuwanderer wurde so gewichtet, dass das Verhältnis dem in der Bevölkerung entspricht. Zudem wurde jede Herkunftsgruppe für sich an die tatsächlichen Verhältnisse in der Gesamtbevölkerung angepasst. Dies geschah anhand ausgewählter soziodemografischer Merkmale (u. a. Geschlecht, Alter, Bildung, Erwerbsstatus) auf der Basis einer Sonderauswertung des Mikrozensus. Die Ergebnisse sind damit repräsentativ für die Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund – und auch für alle Herkunftsgruppen.

    

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