Wenn man zum Finanzberater eine persönliche Bindung hat, fallen die Angebote lukrativer aus
Dass Vetternwirtschaft bei Beratungen eine große Rolle spielt, zeigen Kölner Sozialpsychologen mit ökonomischem Experiment
Die Nähe der sozialen Beziehung zwischen Beratern und deren Klienten beeinflusst die finanzielle Beratung. Das haben Janna Katrin Ruessmann und Sascha Topolinski vom Social Cognition Center Cologne (SoCCCo) der Universität zu Köln mit einer Studie herausgefunden. Die Teilnehmer*innen sollten in einem ökonomischen Spiel die Rolle eines Beraters einnehmen, der stellvertretend für Klienten Entscheidungen über Angebote trifft. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer*innen ihren Klienten besonders profitable Angebote zukommen ließen, wenn diese ihnen nahestanden. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift »Personality and Social Psychology Bulletin« veröffentlicht.
Die Angebote, über die die Personen im Rollenspiel entscheiden sollten, waren Vorschläge, wie eine externe dritte Partei 100 Euro zwischen sich selbst und dem Klienten aufteilt. Die Aufteilung war mal mehr, mal weniger profitabel: Manchmal bot die dritte Partei dem Klienten einen Anteil von unter 50 Euro, manchmal aber gab es richtige Superangebote, etwa über 50 Euro oder sogar die gesamten 100 Euro.
Entscheidend war noch eine kritische Information: Die Studienteilnehmer*innen sollten sich vorstellen, dass ihre Klientinnen und Klienten entweder ein Familienmitglied, ein guter Freund, ein loser Bekannter oder aber eine ihnen völlig unbekannte Person ist. »Dadurch haben wir die ganze Spannbreite an sozialer Nähe im Alltag abgebildet«, erklärt Janna Katrin Ruessmann. »Zudem wurde vorab die Regel aufgestellt, sich von der sozialen Beziehung zum Klienten nicht beeinflussen zu lassen und für alle gleichermaßen möglichst profitable Entscheidungen zu treffen«. Den Teilnehmer*innen wurde auch klar gesagt, dass die Klienten den Gewinn später nicht mit ihnen teilen kann. Sie selbst hatten also keinen wirtschaftlichen Vorteil.
Das Ergebnis zeigte dennoch eindeutig, dass Vetternwirtschaft funktioniert: Obwohl sich die Teilnehmer*innen nicht von ihrer Beziehung zu dem Klienten beeinflussen lassen sollten, bevorteilten sie systematisch ihre Verwandten und Freunde. Gerade bei den Superangeboten, bei denen die Klienten mehr als 50 von den 100 Euro angeboten bekamen, akzeptierten sie die Angebote häufiger für Verwandte und Freunde als für entfernte Bekannte oder gänzlich fremde Klienten.
»Angebote an unbekannte Klienten wurden in weniger als 80 Prozent der Fälle angenommen, Angebote an sozial nahestehende Klienten dagegen zu über 90 Prozent. Dies ist eine hochsignifikante Differenz«, sagt Ruessmann. Diese systematische Vetternwirtschaft fanden die Forscher in elf Experimenten mit insgesamt mehr als 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Kölner Team erklärt dieses Verhalten dadurch, dass die Freude über sehr lukrative Angebote bei fremden Klienten geringer ausfällt als bei verwandten und vertrauten Personen, auch wenn ein eigener wirtschaftlicher Vorteil grundsätzlich keine Rolle spielt.
Dieses Ergebnis legt die Schlussfolgerung nahe, so Ruessmann und Topolinski, dass es im Alltag durchaus ratsam sein kann, zunächst eine möglichst enge persönliche Bindung zu einem Finanzberater, Anwalt und dergleichen zu etablieren, bevor man sein wirtschaftliches oder rechtliches Geschick in fremde Hände legt.
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