Impuls aus der Covid-19-Krise: Resilienz des Wissenschaftssystems steigern
Die COVID-19-Krise markiert eine historische Zäsur, deren Tiefe sich derzeit noch nicht abschätzen lässt. Sie hat Transformationsprozesse wie den digitalen Wandel beschleunigt, andere wie etwa Anstrengungen zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung verlangsamt oder zurückgeworfen.
»In einer Situation, in der die akute Krisenbewältigung Gesellschaft und Wissenschaft noch fest im Griff hat, richtet der Wissenschaftsrat den Blick in die Zukunft«, so Dorothea Wagner, Vorsitzende des wissenschaftspolitischen Beratungsgremiums von Bund und Ländern.
Daher hat der Wissenschaftsrat das Positionspapier »Impulse aus der Covid-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland« veröffentlicht. Ziel des Papiers sei es, so Wagner, in der Krise sichtbar gewordene Herausforderungen und Schwächen des Wissenschaftssystems zu erkennen, notwendige Transformationen voranzutreiben und eine Debatte über grundlegende Neuorientierungen wissenschaftspolitischen Handelns anzustoßen.
Die akute Belastungssituation hat ein Schlaglicht auf zehn Herausforderungen für das Wissenschaftssystem geworfen, die von der Krisenreaktionsfähigkeit in der Politikberatung über fehlende Souveränität und Sicherheit im digitalen Raum bis hin zu strategischen Herausforderungen in der Internationalisierung reichen. Ein Großteil der Herausforderungen und des daraus resultierenden Handlungsbedarfs zeigt sich nicht zuletzt in der Gesundheitsforschung. Der große Erfolg in der Impfstoffentwicklung darf nicht über deutliche Schwächen im deutschen Wissenschaftssystem hinwegtäuschen. Deutschland hat beispielsweise einen großen Nachholbedarf bei der Vernetzung und dem Management von Daten – vor allem, aber nicht nur in der Gesundheitsforschung. Viele dieser Herausforderungen haben eine internationale Dimension. Mobilität, Kooperation und Datenaustausch über Grenzen hinweg sind in der Krise einem Belastungstest ausgesetzt. Die positiven und negativen Erfahrungen müssen ausgewertet und darauf aufbauend neue strategische Prioritäten entwickelt werden.
Noch weitgehender gibt die Pandemie Anlass, die Werte, an denen sich wissenschaftspolitisches Handeln auf lange Sicht orientieren soll, zu hinterfragen. Während im Anschluss an zurückliegende oder noch andauernde Krisen der Begriff Resilienz in den wirtschafts-, sicherheits- oder auch entwicklungspolitischen Diskurs Einzug gehalten hat, ist bisher kein spezifischer Begriff von Resilienz für das Wissenschaftssystem entwickelt worden. Der Wissenschaftsrat regt eine Debatte über das Verständnis und die Bedeutung von Resilienz im Wissenschaftssystem an. Seine zukünftige Entwicklung sollte sich nicht allein an der Förderung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit orientieren. Vielmehr sollte es ebenso auf Resilienz als Fähigkeit, Krisen zu antizipieren und zu bewältigen sowie verändert und gestärkt aus ihnen hervorzugehen, ausgerichtet werden.
»Nach der Krise sollten wir nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Die nächste Krise kann ganz anderer Natur sein und darauf müssen wir uns als Gesellschaft vorbereiten«, so Wagner. »Wissenschaft hilft, Zukunft zu gestalten und Krisen zu bewältigen. Um diese Aufgaben gut erfüllen zu können, muss das Wissenschaftssystem responsiv und resilient sein. Bei aller Leiderfahrung lassen Sie uns die Krise auch als Chance begreifen«.