Wissenschaftliche Impulse zur Reform des BAföG
Am Geld allein liegt es nicht: Dass Studienberechtige aus Nicht-Akademikerfamilien seltener studieren, hat nicht nur finanzielle Gründe
Ein DZHW-Forschungsüberblick zum BAföG macht deutlich, dass es nicht nur finanzielle Aspekte sind, die bewirken, dass junge Erwachsene aus sozial schwächeren Elternhäusern seltener studieren. Auch fehlende Informationen zum Studium und die Komplexität des Beantragungsverfahrens stellen Herausforderungen dar.
Der aktuelle DZHW-Brief weist in einem Forschungsüberblick auf diese und weitere Gründe für soziale Ungleichheit in der Studienteilhabe hin und möchte damit wichtige wissenschaftliche Impulse für die kommende BAföG-Reform geben.
Die soziale Ungleichheit am Übergang ins Studium erweist sich als sehr persistent: Studienberechtigte aus Nicht-Akademikerfamilien studieren nach wie vor deutlich seltener als Studienberechtigte aus Akademikerfamilien. Doch nur 15 Prozent der herkunftsspezifischen Disparitäten in der Studierneigung von Studienberechtigten lassen sich auf die antizipierten Kosten eines Studiums zurückführen.
Fehlende Informationen über Nutzen und Kosten eines Studiums, komplexe Antragsformulare, die Unsicherheit über den Zeitpunkt einer möglichen BAföG-Bewilligung und eine größere Sorge, Schulden anzuhäufen, sind zentrale Ursachen dafür, dass Studieninteressierte aus sozial schwächeren Elternhäusern seltener studieren. Diese Aspekte sollten im Rahmen der geplanten Reform des BAföG berücksichtigt werden, so die Schlussfolgerung des DZHW-Briefs Am Geld allein liegt es nicht.
Insbesondere scheinen Studienberechtigte aus sozial schwächeren Familien mehr und gezielter aufbereitete Informationen zum Studium zu brauchen. Eine Informationsintervention unter Berliner Studienberechtigten zeigte, dass schon die Durchführung eines knapp 20-minütigen Informationsworkshops die Studienaufnahme von studieninteressierten Schüler*innen aus Nicht-Akademikerfamilien nachhaltig erhöhen konnte. Von ihnen nahmen 77 Prozent ein Studium auf. Informationen zu den Kosten, Finanzierungsmöglichkeiten und Erträgen eines Studiums können also dazu beitragen, dass sich Studieninteressierte, insbesondere aus sozial schwächeren Familien, an einer Hochschule einschreiben.
Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass gerade diese Studienberechtigten das Risiko überschätzen, durch die BAföG-Finanzierung in eine »Schuldenfalle« zu geraten. Insbesondere bei risikoscheuen Studierenden aus einkommensschwächeren Familien ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie keinen Antrag auf BAföG-Förderung stellen. Wichtig wäre zudem eine Vereinfachung des Antragsverfahrens, damit weniger Studierende vor dem Aufwand der Antragstellung zurückschrecken. Eine Interventionsstudie aus Amerika konnte zeigen, dass sich durch Unterstützung bei der Antragstellung die Immatrikulationsrate insbesondere von Studieninteressierten aus einkommensschwächeren Familien erhöhte.
Ein weiteres Problem ist, dass Studierende oft erst nach Beginn des Studiums erfahren, ob und in welcher Höhe ihnen BAföG zusteht. Dies führt bei Studienberechtigten aus nicht-akademischen Familien zu Unsicherheit und letztlich dazu, dass sie sich eher gegen ein Studium entscheiden. Daher kann eine Zusage schon vor Studieneintritt zu einer Erhöhung der Einschreiberate führen, wie eine amerikanische Studie zeigt. Auch dies könnte ein wesentlicher Baustein in der anstehen BAföG-Reform sein.
Prof. Dr. Sandra Buchholz, Abteilungsleiterin der Forschungseinheit Bildungsverläufe und Beschäftigung am DZHW und Autorin des DZHW Briefs, fasst zusammen: »Die durch ein Studium entstehenden Kosten sind unbestritten ein wichtiger Grund dafür, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien seltener studieren. Das Bild ist aber weit komplexer – wissenschaftliche Studien zeigen, dass die wahrgenommenen Kosten eines Studiums nur einen eher kleinen Teil der nach wie vor bestehenden Herkunftsdisparitäten beim Übergang von Studienberechtigten ins Studium erklären können.« Dr. Frauke Peter, stellvertretende Abteilungsleiterin am DZHW und Co-Autorin des neuen DZHW Briefes ergänzt: »Vielmehr sind es oft fehlende Informationen zum Studium und dessen Finanzierungsmöglichkeiten oder deren Beantragung, die dazu führen, dass sich weniger Studieninteressierte aus sozial schwächeren Familien für ein Studium einschreiben.«
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